Schön sind die Casino-Szenen: Beim Betreten des Raumes sind Jackie, Jean und die anderen noch Charaktere, doch während des Spiels reduzieren sie sich mehr und mehr reduzieren auf die Chips, welche sie von Roulettetisch zu Roulettetisch tragen und die ihnen anhaften wie Preisschilder. Die Verteilung des Geldersatzes bestimmt die Verteilung der Körper im Raum wie auch ihre Anordnung und wer seine letzten liquiden Mittel verspielt hat, ist für die übrigen Luft. Ärgerlich ist in dieser Hinsicht nur manchmal Demys unschicklicher Eingriff in die Natur des Glückspiels: Eine Roulettekugel, die sich einer melodramatischen Struktur unterordnet, wird entweder vom Croupier unredlich gelenkt oder sie ist eben keine Roulettekugel. Genau andersrum müssten sich doch eigentlich die melodramatischen Strukturen der Kugel beugen. Andererseits denkt Demy diese Drehung vielleicht mit und vollzieht in seinem Film die Melodramatisierung nach, die wir alle geneigt sind, auf kontingente Systeme wie Roulette,Lotto oder vergleichbares zu projizieren.
Gleich während dem ersten Gespräch zwischen dem großartigen Calaude Mann und der zu bemitleidenden Jeanne Moreau (dazu gleich mehr) weißt der Film darauf hin, dass es sich hier nicht um echte Casinos, echte Spielsucht, echte amour fou etc handelt, sondern höchstens um abgeleitete. Die Boulevards und die sie bevölkerten Menschen kenne man dem Dialog zufulgo eben nicht aus der französischen Realität der Sechziger Jahre, sondern aus amerikanischen Filmen und Romanen. Genauso Jeanne Moreau selbst: Da kann sie noch so psychotisch durch die Gegend laufen, alle zwei Minuten Fruisur und Kleidung wechseln (mit Vorliebe irgendwas mit Bändern, Schleifen, Schleiern etc), da kann sie noch so melodramatisch beleuchtet werden, sie bleibt doch stets nur das Zitat eines Stars und wird nie zu diesem selbst.
Das ökonomische Erzählen Hollywoods beherrscht Demy in jedem Fall ebenso perfekt wie den souveränen Umgang mit der Bildmotivik: Bei seinem Eintritt in die Welt der Spieler wird Claude Mann von einer Spiegelserie vervielfältigt, nach zahlreichen weiteren Spiegelspielen muss Moreaus bei ihrem Austritt aus derselben die gleiche Prozedur in umgekehrter richtung durchlaufen.
Schön ist der Film zweifellos, höchst unterhaltsam ebenso. Da es mein erster Demy ist, sollte ich außerdem mit einem abschließenden Urteil vorsichtig sein: vielleicht klärt sich manches noch bei einer breiteren Betrachtung des Werks. Bislang jedoch kann ich den ganz großen Reiz an der Sache noch nicht erkennen. La baie des anges sieht mir doch eher nach - zugegebenermaßen handwerklich perfektem aber letztlich doch eher ödem - Kunsthandwerk am Vorabend der Postmoderne aus.
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