Tuesday, March 25, 2008

Der Käutner und die Politik

Kitty und die Weltkonferenz, Helmut Käutner, 1939

In jenen Tagen, Helmut Käutner, 1947

Auf Kittys Weltkonferenz zeichnet sich Deutschland durch Abwesenheit aus. Man plant eben gerade einen Angriffskrieg und damit das Ende aller derartigen Weltkonferenzen. Kein einziges Mal wird Deutschland erwähnt und vielleicht ist das noch das offen ideologischste am Film. Mit der dargestellten Spielart von Politik möchte das dritte Reich nichts mehr zu tun haben. Der Politikbegriff des Films entstammt dem 19. Jahrhundert: Hinterzimmerdiplomatie in Gentlemenmanier, durch und durch bürgerlich, aber noch nicht in der Massengesellschaft verankert. Massenmedien gibt es zwar schon, aber die schäkern fröhlich mit und halten sich stets an die Spielregeln. Überhaupt schert sich der Film nicht um die Differenzen unterschiedlicher Ebenen. Die "internationalen Spekulanten", die Pressevertreter und die Politiker teilen Habitus, Sprache und manchmal auch die Geliebten. Wenn es einen Gegensatz im Film gibt, so stammt auch dieser aus der frühbürgerlichen Ära. Herrschaft und Dienstboten stehen sich doch noch recht unversöhnlich gegenüber. Tatsächlich sind die "Großmächte" des Films die der Vergangenheit, nämlich England und Frankreich. Die Sowjetunion und die USA wären für diesen Film fast noch weniger brauchbar als Deutschland. Frankreichs und Englands Minister treffen sich zum Golf, während die "kleinen Länder" einen Pakt schmieden. Wahrscheinlich im Cafehaus.
Internationale Diplomatie als harmlos-debile Verwechslungskomödie, in der letzten Endes alle Rollen austauschbar sind: Das im Jahr des Kriegsbeginns politisch zu lesen, ist nicht schwer. Allerdings verhält sich der Film zum Dargestellten zwar herablassend, aber nie böswillig. Eher scheint aus Kitty und die Weltkonferenz eine Nostalgie zu sprechen. Für was genau, lässt sich allerdings schwer feststellen. Die "Weltkonferenz" des Films ist eine Weltwirtschaftskonferenz und findet dezidiert nicht im Rahmen des Völkerbundes statt. Der ist - und da ist der Film natürlich durch und durch auf Parteilinie - nach den Worten eines putzigen Schweizers gleich zu Filmbeginn, schon lange gescheitert. Dennoch scheint die Nostalgie des Films etwas mit der Völkerbundsidee zu tun zu haben, beziehungsweise zumindest mit einer reaktionären mitteleuropäischen Spielart dieser Idee: Der Völkerbund als Fortsetzung der Geheimdiplomatie des neunzehnten Jahrhunderts mit modernen Mitteln, aber selbstverständlich unter Beibehaltung alter Hierarchien.
Alles in allem macht sich Deutschland in dem Film erstaunlich wenig über seine designierten Kriegsgegner lustig. Statt dessen fantasiert es sich in die goldene Zeit des Kolonialismus' zurück, in der es noch möglich war, eine Handvoll kleinerer Länder dank einer gezielt plazierten falschen Information an der Nase herum zu führen. Rückprojiziert auf die Realgeschichte ist Kitty und die Weltkonferenz in jedem Fall ein reichlich sonderbares und in vieler Hinsicht paradoxes Artefakt.
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Weitaus einfacher zu lesen ist In jenen Tagen, ein Geschichtsaufarbeitungsfilm, der sich selbst konsequnet jedes kritischen Potentials beraubt (siehe dazu auch Christian). Bei dem schon rein konzeptionell problematischen Versuch, das "menschliche" ausgerechnet dadurch wiederzufinden, dass man ein Automobil vermenschelt und mit ihm menschelnde Naziopfer beziehungsweise vorsichtige Mitläufer durch die Gegend kutschiert, geht politisch so ziemlich alles schief was schiefgehen kann. Vor allem die letzten drei Episoden fahren den Karren endgültig gegen die Wand. Während einer Aufklärungsfahrt an der russischen Front ergeht sich ein aufrechter Zweifler in aufdringlichen Anspielungen auf die Weltlage ("Dass in diesem Land aber auch niemand umdrehen möchte!"). Am Ende castet Käutner unter den Vertriebenen (ausgerechnet unter denen...) sogar eine neue heilige Familie zusammen. Aus der wirren Naivität von Kitty wird banale Lüge. Wo 1939 phantasievoll nicht vorhandenes (zum Beispiel ein fiktiver südamerikanischer Zwergstaat) synthetisiert wird, wird 1947 phantasielos vorhandenes verdreht. Die bundesdeutsche (oder zumindest die käutnersche) Antwort auf den paranoiden Politkbegriff der Vorkriegszeit ist die vollständige Leugnung einer politischen Sphäre als einer greifbaren, manipulierbaren. Am Anfang des Films, in den ersten beiden Episoden, vor allem in der grandios inszenierten zweiten um das Liebesleben eines modernistischen Komponisten, ist diese Leugnung immerhin noch ästhetisch interessant. Der Reichstagsbrand in der Unschärfe im Hintergrund, das von Trennung bedrohte Liebespaar im weichgeuzeichneten Vordergund (in einem der wenigen ehrlichen Momente des Films wird der männliche Teil des Liebespaares einige Episoden später in reichsdeutscher Uniform wieder auftauchen). Das bürgerliche Picknik, Blickwechsel der Eifersucht, ein Tränenausbruch als hilflose Antwort auf die Unvereinbarkeit von Politischem und Privaten. In dieser kurzen Vignette steckt ein ganzer Visconti. Dass Käutner ein so ausgezeichneter Regisseur war, macht seinen Film in diesem Fall nur noch ärgerlicher.

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