Wednesday, April 30, 2014

Die Rechnung - eiskalt serviert, Helmut Ashley, 1966

Noch einmal ein Zombiefilm. Diesmal ein untoter, bundesdeutscher Fiebertraum von Amerika, ein Film über die unheimliche Macht der Rückprojektion. Autofahrten, Hubschrauberflüge im Studio gefilmt, auf amerikanische Highways und Skylines geklebt. Keine Mine verziehen die Figuren zumeist, während sie durch diese backgrounds navigieren, von denen sie ein Ozean und eine Filmgeschichte trennt.

Stoisch exerziert der Film auch seinen Heist-Plot durch diese Differenz hindurch. Eher indifferent als cool wirken die Darsteller, als würde sie das alles nicht wirklich etwas angehen. Das spricht nicht gegen den Film. Jerry Cottons paternalistische Oberlehrerhaftigkeit steht zwar jeder echten hard-boiled-Härte im Weg (trotz einiger toller Nebenfiguren, wie zum Beispiel "Caruso": Ilija Ivezic strahlt, wie auch in den Winnetou-Filmen eine großartig beiläufige Aggressivität aus), faszinierend brutal ist der Film trotzdem; wie er etwa mit Christian Doermer umgeht, einem Oberhausener auf Abwegen, im Film die einzige wild card eines ansonsten auf beiden Seiten des Gesetzes abgekarteten Spiels: Doermer ist die wichtigste Figur im ersten Drittel des Films, fährt dann aber (fast schon in James-Dean-Pose) in den Tod: Es tut sich ganz einfach ein humorloses Loch in der Straße auf. Das war's dann, schon, während sie auf das Unfallwrack starren, denken seine Kollegen schon einen Schritt weiter, zünden sich Zigaretten an. Oder der Bankangestellte, der Opfer eines Überfalls wird und tags darauf wieder zur Arbeit erscheint, ein Pflaster am Kopf. Die Nonchalance, mit der so etwas erzählt wird, hat mir gefallen.

Wieviel tatsächlich in New York gedreht wurde, weiß ich nicht; es kann nicht allzu viel gewesen sein, sobald es etwas mehr ins Detail gehen muss, liegen die Straßen und Häuser wieder deutlich erkennbar in Deutschland. Dennoch kommt es mir so vor, als ginge es dem Film nicht nur darum, ein paar Schauwerte abzugreifen und Weltläufigkeit zu simulieren, wenn er den Handlungsfluss immer wieder durch amerikanische Straßen- und Stadtpanoramen unterbricht. Mir scheint, dass es da auch einen Moment ehrlicher Faszination gibt für diese anderen Konzepte von Urbanität und Automobilität (gerade diese blumenförmig ausladenden Highwaykreuzungen... es mag aber auch daran liegen, dass ich selbst zuletzt eine Woche lang auf solchen Straßen unterwegs war). Die Heist-Szene selbst ist dann zwar offensichtlich auf einer deutschen Autobahn gedreht, trotzdem hat die Szene etwas vom amerikanischen B-Film, von dessen Aufmerksamkeit für phsyische Abläufe, Kettenreaktionen, auch von dessen Nüchternheit. Da ist der Film ganz bei sich: als prozessurales Männerkino (die Frauen sind für den Film höchstens so wichtig wie ihr Leberfleck für das Gesicht Yvonne Monlaurs: als austauschbares Alleinstellungsmerkmal; Birke Brucks Gangsterbrautposen sind trotzdem sehr hübsch).

Ein Leben in drei Einstellungen





Arbeitsethik


Blicke






"Mells Fabo": Deutsche in Amerika




kurz danach: ein toller, ehrlicher Hubschrauberstunt


Amerikanische Highways / Autos auf deutschen Bahnen





Tuesday, April 29, 2014

Abdu Mouta, Ismail Farouk, 2012

Noch einmal In-flight Entertainment: Eine ägyptische Ganster-Martial-Arts-Familienmelo-soap-opera, eingeleitet von einer parkour-Verolgungsjagd über Kairos (?) Dächer. Abdu Mouta kommt danach ins Gefängnis, nach einem Zeitsprung gleich wieder frei, er kehrt zurück in sein Viertel, wo es von nervösen, finsteren Typen und nervösen, schwitzenden Frauen nur so wimmelt. Abdu Mouta selbst ist sowieso das reinste Nervenbündel. Bei jeder Gelegenheit zieht er erst sein T-Shirt aus, präsentiert seinen schlanken, durchtrainierten Oberkörper, dann zieht er eine Waffe, zum Beispiel um die Ehre seiner zickigen Schwester zu verteidigen. Die Frauen dürfen sich nicht ausziehen, aber die Kamera fährt immer wieder ganz nah an ihre Körper heran, die sich unter dem Stoff ihrer Kleider abzeichnen. Der Film trieft vor Sex, ganz besonders in der ersten song-and-dance-Nummer, die Abdu Moutas Rückkehr ekstatisch feiert.

Das Erregungslevel bleibt auch danach hoch, wird aber nicht mehr lustvoll gemeinsam, sondern antagonistisch ausagiert. Alles Begehren richtet sich auf Abdu: Ein lokaler Gangsterboss will ihm an die Gurgel, hetzt ihm finstere Typen auf den Hals. Seine Kumpels von frühen schmeißen sich an ihn ran, mit vielleicht nicht immer redlichen Motiven. Und diverse Frauen schleichen um ihn herum, eine erwartet ein Kind von ihm, einer anderen wird er zur Heirat versprochen, in eine dritte verliebt er sich (und für die gibt er, glaube ich, das Dealen auf und wird Brotverkäufer, diverse kleinere und größere Plotpoints haben sich mir nicht so recht erschlossen auf dem winzigen Bildschirm, auf dem es sogar schwer fällt, die Frauen voneinander zu unterscheiden).

Dann noch seine Schwester, die ihm vorwirft, als excon Schande über die Familie gebracht zu haben und die er seinerseits immer mal wieder zu ihrem eigenen Guten züchtigt; der Film ist in Sexismus getränkt, aber nicht im Sinne einer Moral, sondern im Sinne einer Ökonomie: das Problem am permissiven Verhalten der Frau ist nicht, dass es sie zu einem schlechten Menschen macht, sondern dass es sie auf dem Heiratsmarkt entwertet. Dass der Film das als eine Bedingung sozialer Existenz voraussetzt und kein bisschen zur Diskussion stellt, verstört. Dass das Begehren trotzdem immer wieder über die engen Grenzen hinaus schießt, die diese sexistische Ökonomie setzt, ist umso ergreifender. Ein Exzess an Gefühl, mit dem der Film nichts anzufangen weiß, weil seine Figuren nichts mit ihm anfangen dürfen.

Friday, April 18, 2014

The Appaloosa, Sidney J. Furie, 1966

Gesehen habe ich den Film als zweiten Teil eines double feature. Vorher hatte ich noch einmal, und wieder nicht allzu erfolgreich, versucht, das, was mich an On the Waterfront begeistert, von dem, was mich an On the Waterfront ärgert (und das sind lang nicht nur die politics...) zu trennen. Dann aber The Appaloosa, der mich in einem schon etwas erschöpften Zustand erwischt und dann komplett überrumpelt hat. Was für ein bizarrer Film (und zum Glück in 35mm, in einer Wahnsinnskopie)...

Schon Marlon Brandos Bart zu Beginn... Sein ausführlich zelebrierter Vollrausch, nach dem erst er sich endlich rasiert, dadurch aber auch nicht zu dem Clint Eastwood wird, dem er auf krude Art nachzueifern scheint... Schon rein optisch: Zu pausbäckig ist er für die Fremder-ohne-Namen-Rolle. Tatsächlich dürfte das der sanfteste Fremde ohne Namen sein, der je durch ein Italowesternimitat geritten ist. Das alles in stylischem Sixties-Cinemascope, viele Großaufnahmen, viel Aufmerksamkeit für Hüte, oft viel lehrer Raum neben nicht viel weniger lehren Gesichtern, manchmal komplex verschachtelte und verspiegelte tableaus, die so gar nicht zur Westernklarheit passen, erst recht nicht zum "weiten Land", das eigentlich die Perspektive sein sollte: raus ins Unbekannte, eine eigene Farm gründen will die mexikanische Familie, der Brando beisteht. Doch der naive Humanismus, der in diesem Handlungsstrang durchscheint, passt einfach nicht zum Italowestern-Zynismus (der in The Appaloosa allerdings eher als grundsätzliche Weltmüdigkeit ausgelegt wird). Auch die Musik, die sich erst recht an den italienischen Vorbildern orientiert, scheppert zwischendurch immer wieder eher schräg folkloristisch. Dann gibt es natürlich noch ein love interest, Anjanette Comer, eine "beschädigte Frau", und doch mit Abstand der lebendigste Mensch im Film, weil ihr Leiden wenigstens einen Grund hat (wobei...). Was sie dann allerdings ausgerechnet dem dauerdepressiven Brando in die Arme treibt? Ein bizarrer Film... Selbst das weiße Pferd mit den schwarzen Punkten, auf das Brando fixiert ist, ohne, dass man so recht weiß, warum, für das er sein Leben aufs Spiel zu setzen bereit ist, sieht reichlich sonderbar aus...

Eigentlich scheint Brando eher von einem nicht so ganz bewussten Todeswunsch angetrieben als von Tierliebe, von einem Wunsch danach, aus dem Leben zu gehen, aber eher gleitend, als mit einem großen Westernknall. Die Szene mit dem Armdrücken über den beiden Skorpionen macht das klar: Er verliert natürlich, zermanscht das Tier zwar, bevor es ihn so richtig stechen kann, doch wenn er danach auf seinen eigenen Arm mit einer abgebrochenen Flasche einsticht, ist dieser Akt der Autoaggression die aggressivste, dynamischste Geste, zu der er sich im ganzen Film durchringt. Er muss dann natürlich trotzdem noch die eitel grinsenden bad guys mit ihren säuberlich abgezirkelten Schnurrbärten abknallen, die sich ihrer Pappnsaigkeit irgendwie selbst bewusst sind. Aber das sind alles nur zombieartige Reflexe, Bewegungskinoimitat, dem aller Vitalismus entzogen ist. Am Ende kein Duell, statt dessen zielt Brando auf eine bloße Lichtspiegelung, die kurz aufblitzt, irgendwo inmitten einer Hügellandschaft, der dieses faszinierend untote Westerndrama bis zum Schluss äußerlich bleibt.

Sunday, April 13, 2014

The Delinquents, Robert Altman, 1957

Altmans erster langer Kinofilm, noch gedreht in seiner Heimatstadt Kansas City, Missouri, könnte mir fast sein liebster sein. Ein unabhängig produziertes juvenile-delinquency-Ding, vermutlich für den Exploitationzirkus gedacht, wo es dann aber doch wieder nicht so recht hinpasst, dem zu Beginn und am Ende heuchlerisch die in ihn eingepassten Attraktionen verdammenden Voice Over zum Trotz; schon der läuft nicht auf eine Warnung heraus, sondern auf die Aufforderung, doch bitte die Jungs und Mädels zu verstehen, denn das brauchen sie: Verständnis (Altmans im selben Jahr entstandener Dokumentarfilm The James Dean Story zielt in dieselbe Richtung: Da wird der soeben beerdigte Schauspieler gründlich durchverstanden, unter anderem mithilfe lustiger Symbolgrafiken). Ernst nehmen muss man ihn trotzdem nicht.

Die eigentliche Spielhandlung hebt sich von ihrer Rahmung nicht im Sinne des Exploitationprinzips ab, also innerhalb der festgesetzten Grenzen eines von beiden Seiten her durchschauten Spiels, in dem die Bilder eben das als Attraktion affirmieren, was die moralischen Instanzen an anderer Stelle im Film verdammen (und deshalb können die Exploitationbilder vom bürgerlichen Imago doch wieder integriert werden, als dessen ihm selbst verhaftet bleibende Negation). Sondern sie unterscheidet sich von ihr wie eine Sprache von einer anderen. Die Welt der Jugendlichen hat schlicht und einfach nichts zu tun mit dem Voice Over. Was auch heißt: Sobald die Jugendlichen den Eltern entwischt sind, agieren sie nicht deren Fantasien aus, sondern ihre eigenen.

Toll ist die Sprache der Jugendlichen, die noch nicht auf den angestrengten Hyper- bzw Postrealismus der späteren Altmanfilme hinauswill, die aber auch nicht einfach nur "Milieu" konstruieren will. Statt dessen hört man den Jungs und Mädchen bei den Versuchen zu, eine eigene Sprache zu finden, die offensichtlich noch der ihrer Eltern verhaftet bleibt, aber Schritt für Schritt mehr Freiheitsgrade erlangt (ohne gleich wieder in klischeeisierte Redewendungen zu kippen).

Tom Laughlin, der Hauptdarsteller, ist schon optisch super: Muskeln, die noch nicht wissen, wozu sie gut sind, der Körper ist dem Geist voraus, der massive Körper, nicht der im Grunde gefügig bleibende Geist drängt über die Rahmen des Kleinstadtlebens hinaus (passend dazu artikuliert sich sein Freiheitsdrang als Vollrausch). Sein love interest, Rosemary Howard, ist sonderbar puppenhaft, verzieht kaum eine Mine, wirkt auf rührende Art zerbrechlich. Howard hatte, laut imdb, weder vorher noch nachher als Schauspielerin gearbeitet, vor der Kamera hat sie sich, bei diesem ihrem einzigen Auftritt, offensichtlich nicht geöffnet, sondern komplett verschlossen. Versiegelt sogar.

Das andere Mädchen, nach den hier allerdings höchstens halb geltenden Exploitationregeln das bad girl, ist lebhafter, auch bei ihr hat man allerdings mehr als bei den Jungs den Eindruck, dass sie lines aufsagen muss. Vielleicht nur, weil sie immer das einzige Mädchen im Auto ist, halb part of the gang, halb aber auch girlfriend des einen bad boys ist, immer nur halb dazugehört. Vielleicht aber auch, weil es doch darum geht, dass es eine besondere Attraktion ist und deshalb nicht weiter begründet werden muss, wenn die "harten Sprüche" (die aber, siehe oben, so hart eh nicht sind), auch einmal von einer Frau aufgesagt werden. Der schönste Moment des Films gehört aber trotzdem ihr: Auf einer Party (die sowieso der Höhepunkt des Films ist) zieht sie Laughlin einmal beiseite. Der Film wechselt da flüssig zwischen verschiedenen Handlungssträngen, einmal taucht ihr keineswegs konentionell schönes Gesicht in einer isolierten Großaufnahme (vor schwarzem Hintergrund, glaube ich) auf, sie spricht Laughlin an, spricht aber auch ins Kinopublikum, plötzlich öffnet sich ein intimer Raum, den die elterliche Fürsorge niemals zugelassen hätte.

Friday, April 11, 2014

Überhang

Guys and Dolls, Joseph L. Mankiewicz, 1955
The Raid 2: Berandal, Gareth Evans, 2014

Zufällig kurz hintereinander im Kino gesehen: Zweieinhalb Stunden hochreflexives 50s-Musicalkino, das Spektaktel komplett intellektuell gebunden, (fast) ohne jeden utopischen Überhang; und zweieinhalb Stunden indonesisches Knochenbrecherkino, das Spektakel komplett in den akkumulierten Schauwerten gebunden, (fast) ohne jeden mythopoetischen Überhang.

Bei Guys and Dolls habe ich mich irgendwann, so nach eineinhalb Stunden, gefragt, ob irgendwann einmal ein Stück Himmel gezeigt wurde, den ich übersehen hatte, und sei es nur ein gemalter. Erst im Anschluss an diese Frage ist mir ein wohl ziemlich zentrales Element der New-York-Kulisse aufgefallen: wo sie nicht komplett mit Zeug zugestellt ist, sich doch perspektivisch in die Tiefe öffnet, lösen sich die Häuserfronten selbst schnell auf, was bleibt, sind isoliert im Bild hängende Leuchtreklamen und Hinweisschilder, die jeden Gedanken an einen dem hustle der Welt entgegengesetzt ewig blau und unerreichbar leuchtenden Himmel verunmöglichen. Es gibt nichts als den hustle, in New York natürlich sowieso nicht, aber auch nicht in Kuba, wo die Männer ganz besonders aufdringlich den Frauen am Busen hängen.

In The Raid 2 ist die Welt ebenfalls vom hustle her gedacht. Allerdings ist dieser hustle bei Evans keine allumfassende Grundbewegung, kein flow, der der Welt vorgängig ist. Sondern eher ein Potential, das sich nur verwirklichen kann, wenn man nachhilft. Um den Film in Schwung zu bekommen, muss erst einmal ein Gangsterfilmplot in Gang gesetzt werden; vor allem aber müssen Räume definiert werden. Ausnahmslos alle sets sind auf ihre Brauchbarkeit für Prügelorgien hin entworfen, es muss immer schon mitbedacht werden, wie das alles blutverschmiert aussieht. Gleich die Gefängnisszene fast zu Beginn setzt Zeichen: Der Matsch, in dem die Sträflinge und Wächter kämpfen, hat eine sonderbar cremige Konsistenz, wirft tolle Falten, im Hintergrund wabert die rote Mauer. Überhaupt: wenn schon color grading, dann bitte so wie hier. Nicht nur Farben der Welt abziehen, sondern ihr auch wieder welche hinzufügen. Mit kräftigen Pinselstrichen. Das digitale Rot in Evans Film zumindest ist fast schon wieder bei der Technicolor-Fülle angekommen.

Wenig ist geblieben von der sozialen und materiellen Beengung des ersten Teils. Überhaupt ist wenig geblieben, natürlich abgesehen von den Prügelszenen (die schon sehr gut gemacht sind, denen der Film aber diesmal doch nicht immer genug zu trauen scheint, und sie deshalb gelegentlich mit Zeitlupen- und Großaufnahmenblödsinn unterfüttert). Nur in einer weiteren Hinsicht schließt der zweite Teil direkt an den ersten an: In beiden Filmen gibt es kurze Szenen, die Rama, den Protagonisten, mit seiner Frau zeigen, wie ihr, die ein Leben in ziemlicher Isolation zu führen scheint, verspricht: Nur noch einmal raus in die Schlacht, dann komme ich für immer zu Dir, nur noch ein wenig Geduld. Und in beiden Filmen bleibt die Frau dann im Folgenden das Unerreichbare Außen, das Andere der maskulinen Gewaltorgie. Im neuen Film gibt es mehrmals Andeutungen, dass der Gangsterfilmplot irgendwann auch diese Sphäre erreichen könnte (was narrativ äußerst naheliegend wäre), aber das passiert nie, es gibt nur immer weitere Unterscheidungen innerhalb der Männerwelt, die mit immer mehr Knochen- und Schädelbrüchen einhergehen. Zum emotionalen Anker (und zu einem wichtigen Grund dafür, dass mir dieser durchaus anstrengede Film am Ende doch gefallen hat) wurde die abwesende Frau für mich gerade aufgrund der absoluten Unerreichbarkeit des Glücksversprechens, für das sie einsteht.

Und warum hat mir Guys and Dolls gefallen (wenn auch lange nicht so sehr wie zB Cukors verwandter Les Girls)? Und zwar nicht nur als Akkumulation von "Brillanz auf allen Ebenen" (und vor allem auch: als Akkumulation toller Nebendarsteller, inbesondere Johnny Silver, der seinen Mund selbst beim Singen ganz großartig hardboiledmäßig verzieht)? Und auch nicht nur als intellektuelles Spiel der sich vervielfältigenden Lügen, die am Ende doch wieder eine Wahrheit ergeben, aber eben nur eine gefühlte, als filmische Ausformulierung der tollen Dialogzeile "fight fire with fire"? Wahrscheinlich doch vor allem wegen Frank Sinatra, dem Unterton der Resignation und Melancholie, die seine Präsenz dem gesamten Film beigibt (Brando ist da ein schwierigerer Fall: gegen seine Gesangskünste ist gar nicht so viel einzuwenden, mich stört an ihm in Guys and Dolls eher sein Vitalismus; am stärksten ist er in den intimen Szenen). Das Spiel, das der Film ist, kann nur aufgehen, wenn es Reaktion auf und Durcharbeitung von vorgängigen Niederlagen ist. Erst aus dieser Perspektive wird das Uneigentliche, auf dessen Seite sich der Film mit Haut und Haaren schlägt, als ein bewusst gewähltes Möglichkeitsfenster lesbar, in dem sich Freiheit artikuliert, am schönsten im besten Lied des Films: "Taking a chance on love".

Sunday, April 06, 2014

The Terror Live, Kim Byeong-woo, 2013

Großartiges in-flight-entertainment war The Terror Live schon deshalb, weil die "rasende Stillstellung" und Fixierung im Flugzeugsitz (die sich ja doch deutlich unterscheidet von der Fixierung im Kinosessel, die, idealerweise zumindest, nichts beengendes an sich hat) gut passt zu der eskalierenden Fixierung von Hauptfigur und Film erst in einem Gebäude, dann in einem Büro, schließlich an einem Schreibtisch. Und wie im Flugzeug sind auch im Film die (innerdiegetischen) Blicke entweder auf einen Bildschirm, oder aus dem Fenster gerichtet. Ich bin mir allerdings sicher, dass mir der Film auch in jeder anderen Rezeptionssituation gefallen hat.

Das Konzept erinnert an Phone Booth: Der (vom Fernsehen degradierter) Radiomoderator Yeong-hwa erhält einen Anruf, der sich als eine Terrordrohung entpuppt. Die er natürlich nicht ernst nimmt, bis - schon nach wenigen Minuten Filmlaufzeit... - in Sichtweite seines Fensters eine Brücke kollabiert. In diesem Moment rastet der Film ein, spannt Yeong-hwa in eine multimediale Konstellation, die Schritt für Schritt, Szene für Szene, enger verschraubt wird. Die Bomben sind bald nicht mehr nur irgendwo draußen in der Welt, sondern überall, direkt an seinem Ohr sogar, sein Bewegungsspielraum schrumpft auf den Schreibtischsessel zusammen. Gleichzeitig drängt alles auf einmal auf ihn ein: Der Terrorist sowieso, aber auch seine quotengeilen Vorgesetzten, seine eigene korrupte Vergangenheit, sich multiplizierende Bildschirme, via die Bildschirme die urbane Außenwelt, seine Exfrau.

Wie oben erwähnt: Das alles als ein Bild für die Situation des Kinozuschauers zu sehen, trifft die Sache höchstens halb. Nämlich nur soweit, wie es im Film um eine Situation geht, die ein Primat des Visuellen auf Kosten der körperlichen Mobilität konstruiert. Ganz und gar nichts hat Yeong-hwas Situation dagegen mit der spezifischen Form von distanzierter Konzentration, mit dem Blick auf a world past zu tun, die das Kino ermöglicht. Es gibt für ihn nicht ein Bild, sondern viele. Und zwar alle gleichzeitig und ganz unbedingt in Echtzeit. Außerdem ist die Anordnung hochgradig narzisstisch, die Bilder eröffnen nicht etwa die Möglichkeit einer Fremderfahrung, sie beziehen sich, mal direkt, mal indirekt, stets auf Yeong-hwa selbst.

Das Fenster hinaus zur physischen Welt, das ja eigentlich ein Ausweg sein könnte aus der Hölle der totalisierten, selbstbezüglichen Visualität, ist bald nur noch ein frame unter vielen. Zumindest bis zur letzten Wendung, zur letzten Eskalationsstufe, die dafür sorgt, dass das frame zur Welt plötzlich schief steht. In diesem Moment wird doch wieder eine Differenz eingezogen. Und mir scheint, dass die finale Handlung Yeong-hwas, die figurenpsychologisch kaum einholbar ist (nicht einmal unter den exaltierten Bedingungen des koreanischen High-Concept-Kinos), nur durch diese Differenz zu erklären ist: Er möchte dafür sorgen, dass sich dieser eine frame nie wieder gerade gerückt werden kann. Denn der wahre Terror, das hat er erkannt, ist nicht die Bombe, sondern die Liveness selbst.

(Ernüchternd wieder einmal: online Kritiken zum Film zu lesen. Der Anfang ist ja ganz gut, dann verliert er an Schwung, zum Glück ist das Konzept mit ein paar relevanten Themen angereichert, aber Drehbuchlöcher gibt es natürlich trotzdem. Kritik, deren nicht hintergehbarer Horizont das Handwerk ist, ist halt selbst auch höchstens: handwerklich okay.)

Tuesday, April 01, 2014

Under the Tonto Rim, Henry Hathaway, 1933

Tonto (nicht des Lone Rangers sidekick in diesem Fall, obwohl der Film, wie Lone Ranger, auf einem Roman von Zane Grey basiert; verstehe das, wer will) ist ein clumsy cowboy, nicht einmal dazu geeignet, Proviantwägen durch die Gegend zu kutschieren. Er gerät dann in eine durchgeknallte, nicht allzu viel Sinn ergebende Geschichte um Viehdiebstahl mittels Geheim- und Falltüren, verliert seinen Job, wird schließlich das, was er unter allen Umständen vermeiden wollte: Schweinehirt. Tontos weitgehend unbegründete Abneigung gegen das Schweinheirtendasein ist tatsächlich das einzige, was diesen kleinen Film zusammenhält. Zumindest ein bisschen zusammenhält, muss man dazu sagen, denn es fliegt trotzdem andauernd alles durcheinander.

Selbst für B-Western-Verhältnisse ist das ein weirder Film. Die erste Szene, in der eine Rinderherde durch einen Fluss getrieben wird, ruft das ganze Arsenal überlebensgroßer Western-Mythenbilder auf, im Folgenden ist davon nicht mehr das geringste zu spüren, geht es in ganz andere Richtungen. Das Setting hat etwas Kleinbürgerliches an sich: hübsche Gartenzäune, noch hübschere Balkongeländer, karierte Tischdecken. Und auch Tonto ist weniger ein für tragische Überhöhungen geeigneter Wildwest-loser, als ein verbiesterter, dezent untersetzter, insgesamt in einem Western komplett deplatzierter Kleinbürger, der sich darüber ärgert, dass es ihm nicht gelingt, sich Zigaretten mit einer Hand zu drehen und der, sobald er eine Waffe in die Hand gedrückt bekommt, "echte" Cowboyposen zu üben beginnt.

Und dann ist da die Sache mit der Schweinefarm. Von der ist nicht nur Tonto, sondern der gesamte Film besessen. Zwei Kumpels von Tonto sorgen dafür, dass sich der Film nie allzu weit von der Farm entfernt, obwohl es nominell um Viehdiebstahl geht (der wiederum interessiert niemand im Film so wirklich...); die beiden haben sich in den Kopf gesetzt, zu dritt eine solche Farm zu betreiben, und hecken dafür einen beknackten Plan nach dem nächsten aus. Einer besteht darin, eine Frau für Tonto aufzutreiben. Dazu organisieren sie ihm zwei dates, und zwar mit veritablen pre-code dames, mit zwei Mädels, bei denen man sich schon nicht so recht vorstellen kann, was sie im ländlichen Nirgendwo, in dem der Film spielt, überhaupt verloren haben könnten, die dann aber sogar interessiert daran scheinen, sich mit dem tumben Tonto auf einer Schweinefarm niederzulassen.

Andererseits (wenn sich das hier konfus anhören sollte, glaube man mir: der Film selbst ist noch um einiges konfuser, was allerdings nicht ausschließen, soll, dass er doch wieder eine konfuse Art von Konsequenz besitzt... sie besteht, glaube ich, darin, dass alle Figuren in ihren auch noch so dämlichen Motiven voll und ganz ernst genommen werden) hat Tonto sein eigenes love interest, die Tochter eines Viehherdenbesitzers, die an Cowboys das Animalische, Barbarische ("very primitive!") liebt, und aber trotzdem ausgerechnet an Tonto hängen bleibt. Irgendwie passen die beiden tatsächlich zusammen: Sie macht sich Bilder von Cowboys (gleich am Anfang tatsächlich mit einem Fotoapparat; auch ein fotografisches Portrait von Tonto spielt in der Handlung eine Rolle), er gibt sich den ganzen Film über Mühe, seinem eigenen Bild von einem Cowboy zu entsprechen.

Genauer gesagt geht es darum, dass er dem Bild eines Cowboys entsprechen will, das er anderen unterstellt. Tatsächlich stört ihn auch an der Schweinefarm vor allem, dass sie für ihn das un-cowboyhafteste überhaupt ist und dass folglich alle noch mehr auf ihn herabschauen würden, wenn er seinen Kumpels nachgäbe. Wenn dieser Tonto sich dann am Ende dann doch noch zu einem echten Westernheld mausert, samt Lassokunst und allem drum und dran, dann geschieht das nicht durch Übung, sondern spontan, von einer Minute auf die andere, und ist eine bloße Trotzreaktion, ein Resultat gekränkter Eitelkeit.