Mad Detective gehorcht nicht vollständig einer Nummernlogik, wie Sparrow, Tos Nachfolgewerk. Dennoch sind es die Setpieces als geschlossene, die für die größte Begeisterung sorgen in diesem wunderschönen Film, den ich mir Dank des Fantasy Filmfests im Kino ansehen konnte. Die großartigste ist natürlich die abschließende im Spiegelkabinett (der Unterschied zu Sparrow: Die Spiegelkabinettszene geht logisch aus dem Vorherigen hervor, bildet den konsequenten Abschluss einer Reihe von Setpieces, motivisch, inhaltlich und psychologisch, während die Regenschirmszene im Nachfolger zwar zweifellos Höhepunkt ist, aber nur im Sinne des Höhepunkts eines Zirkusprogramms, aufgrund ihres reinen Eigenwerts als Attraktion, nicht aufgrund semantischer Bezüge zum restlichen Film).
Die liebste ist mir jedoch eine andere, am entgegengesetzten Ende des Films platziert, am Anfang. Noch sind die Bilder nicht eindeutig sortiert in Wahn und Realität, in subjektiven und objektiven Blick, so ganz werden sie das ohnehin nie sein, aber zu diesem Zeitpunkt haben To und Wai noch nicht einmal die Grundregeln ihres Spiels offen gelegt. Die Szene spielt in der Wohnung des titelgebenden verrückten Detektivs. Er selber ist, nachdem er sich vor Jahren selbst das Ohr abgeschnitten hat, aus dem Polizeidienst ausgeschieden. Ein junger Kollege möchte seine Hilfe in einem verzwickten Fall und besucht ihn zu hause. Die beiden unterhalten sich, der Mad Detective lässt mehr und mehr Interesse durchblicken. Zwischengeschnitten, und zwar immer sehr rabiat zwischengeschnitten, die Frau des Detektivs in der Küche bei der Zubereitung einer Mahlzeit. Hart, kurz, in Großaufnahme, vor allem jedoch laut dringen die einzelnen Arbeitsschritte (meist ist ein Messer involviert) in das Gespräch ein und zerreißen den Film. Eine Parallelmontage, die nicht nur formal durch die plötzlichen Wechsel in Bild- und Tonregie verwirrt, sondern auch durch die Tatsache, dass man beim besten Willen die Relevanz dieser Zwischenschnitte zu diesem Zeitpunkt noch nicht auszumachen vermag. Fast scheint es, als ginge es tatsächlich um Hausarbeit als unterbewusster Hintergrund des Genrefilmplots. Eine solche Aufteilung der Geschlechterrollen existiert aber nur im Kopf des Detektivs. Das reale Gegenstück der Hausfrau macht durchaus Karriere und zwar um einiges erfolgreicher als Mad Detective selbst.
Das Stakkato der Messerschnitte auf dem Arbeitsbrett beschleunigt sich, die Gesichtszüge der Frau spannen sich von Mal zu Mal stärker an. Dann kommt es zur Explosion. Freilich ist diese Explosion eine, die eigentlich nur im Kopf des Detektivs stattfindet. Erst ganz am Ende der Sequenz stellt der Film das durch einen Schnitt in die "objektive" Perspektive endgültig klar (aber dass diese Perspektive als objektiv nur in soweit von einer subjektiven zu trennen ist, wie man sich ganz dem Modus des Narrativen verschreibt und dass dieser Modus des Narrativen ein ganz und gar kontingenter ist, wenn man rein vom materiellen Aspekt des Films ausgeht, auch das macht Mad Detective eindrücklich klar) und eröffnet sich selbst dadurch eine Spielwiese sondergleichen.
Eine weiteres wunderbares Setpiece stellt erwartungsgemäß die Konfrontation der fiktiven Frau mit der realen (Ex-)Frau dar. Bemerkenswert ist vor allen Dingen, dass die fiktive die komplexere der beiden Damen zu sein scheint: In einem bei näherer Betrachtug wirklich völlig wahnwitzigen Manöver wird die fiktive Frau vom Detektiv eben dieser Fiktivität beschuldigt und infolgedessen auf die reale Ex (ob derer Realität, vermutlich) eifersüchtig.
Das Formenspiel bezieht sich nie nur auf Formen, sondern immer auch auf Inhalte, aufs soziale, psychologische, physische Material des Films. Beides zu trennen ist bei To und Wai, wie wahrscheinlich in allen interessanten "formalistischen" Varianten des Kinos, unmöglich (schwieriger die Frage, ob das Formenspiel auch immer mehr ist als "nur" Spiel, oder was "Spiel" in so einem Film überhaupt bedeuten kann, beziehungsweise, ob es das, was es auszuschließen scheint (den Ernst, die Relevanz) auch tatsächlich ausschließt).
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