One Way Boogie Woogie / 27 Years Later, James Benning, 2005
James Benning, dessen Filme 10 Skies und 13 Lakes bereits heute, ein Jahr danach, Berlinale-Legenden sind, bringt dieses Mal (etwas) leichter verdauliche Kost mit, er selbst verglich den Film im Gespräch mit Mtv. One Way Boogie Woogie aus den späten Siebzigern bietet eine Reihe von Momentaufnahmen aus ich glaube Baltimore, jeweils ungefähr eine Minute lang und jede mit einer Pointe versehen. Diese erschließt sich nicht immer im Bild selbst, manchmal erst im Verhältnis zweier Bilder oder in der Differenz zwischen Bild und Ton. Der Humor, der sich entfaltet, erinnert stellenweise an Tati, nur, dass Benning ungefähr 1000mal lustiger ist. Die Absurditätem des urbanen Alltags finden sich tatsächlich an jeder Straßenecke, vor jeder noch so erbärmlichen Fassade.
Nun hat er den gleichen Film noch einmal gedreht, mit den gleichen Kameraeinstellungen an den gleichen Orten, sogar mit demselben Soundtrack. Hier funktionieren die Bilder vor allem als Markierung einer Differenz, die es nicht gibt. Die warmen Farben des Originals, sind einer sterilen Fernsehoptik gewichen (was wohl auch am veränderten Filmmaterial liegt), sonst hat sich nicht viel geändert. Die Natur scheint wieder etwas Land zurück gewonnen zu haben, wo im ersten Teil kaum eine einzige Pflanze zu sehen war, wuchert es 27 Jahre später hier und da ganz ordentlich. Sonst jedoch bleibt alles öde, auch die Gabelstaplertechnik scheint sich in den letzten Jahrzehnten nicht allzu weit entwickelt zu haben.
Pine Flat, Sharon Lockhart, 2006
Wo Benning straight in Richtung MTV zu schreiten glaubt, übernimmt Lockhart sein altes Terrain, die 10minütige Einstellung für ihren gigantischen Film Pine Flat. Wo Benning sich in seinem neuen Werk ganz auf Urbanität konzentriert, übernimmt sie den Naturbezug seiner vorherigen Filme. Pine Flats Thema ist das Verhältnis von Mensch und Natur einerseits, Filmemacher und Schauspieler andererseits. In beiden Fällen ist diese Beziehung brüchig, Harmonie muss erkämpft werden, da ein Teil dieser Kombination stets versucht, den anderen an sich zu reißen. So in der zweiten einstellung, der besten von allen: ein Mädchen sitzt auf der Wiese und liest in einem Buch, gezählte neun Seiten lang. Um sie herum weht das Gras im Wind, hinter ihr die Zweige der Bäume. Sie jedoch bleibt still, innerlich, gespannt. Auch die Präsenz der Kamera ist immer spürbar. Die Kamera möchte das Mädchen erobern, gefangen nehmen, dieses versucht sich zu entziehen, indem es jeden Blickkontakt, mehr noch, sich jeder Bewegung, die nicht dem Lesen dient, zu enthalten. Einmal funktioniert es nicht, sie kratzt sich am Hals. In diesem Moment bricht das System zusammen, in dem sich Natur, Mädchen und Lockhart befinden, nur um sich im nächsten Moment wieder zu etablieren.
Nicht jede einstellung ist so fantastisch wie diese, in der zweiten Hälfte wird der Film fast zu komplex, da stets mehrere Personen im Bild sind. Dennoch ist Pine Flat sicherlich einer der ganz wenigen wirklich großen Filme dieser Berlinale.
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