"In memoriam Nicholas Ray and Jean Renoir" - mit dieser Widmung endet das Spielfilmdebut des jungen japanischen Regisseurs Fujiwara Toshi. Der Verweis auf die beiden Cineastenlieblinge par excellence macht Bokura... nicht nur völlig zu Unrecht des Größenwahns hochgradig verdächtig, sondern führt auch in anderer Hinsicht in die vollkommen falsche Richtung. Denn Toshios Ambitionen erschöpfen sich nicht in der Nutzbarmachung der Filmgeschichte (obwohl diese durchaus eine wichtige Rolle innerhalb des Werkes spielt) oder truffouesker Cinephilie, sondern gehen viel weiter.
Bokura... erscheint streckenweise wie eine dreckige Low-Budget-Version eines Iwai Junji Films. Zwar sind die handelnden Figuren dezidiert uncool: hässliche, nerdige, verklemmte Loser, die es nie zu etwas bringen werden und ihr Glück immer nur in jämmerlich kurzen Momenten genießen können. Doch Toshi lässt ihnen ihr Leben genauso wie Iwai seinen coolen, aktiven Jugendlichen das ihre, ohne es unter das Diktat der Handlungslogik, oder, weit schlimmer, einer Moral zu stellen. Der ungelenke Filmfreak, der seine extrem unattraktive Freundin demütigt, wird nicht bestraft, bekommt keine Lektion erteilt, um am Ende bildungsromanmäßig vorangekommen zu sein. Stattdessen dreht er einen Film, und wahrscheinlich gar keinen schlechten.
Doch Toshis Werk - und auch hier ähnelt es denen Iwais - ist alles andere als ein typischer Episodenfilm, der aus mehreren Handlungssträngen ein gesellschaftliches Panorama oder ähnliches zu erstellen versucht. Die einzelnen Geschichten stehen hier nicht gleichberechtigt nebeneinander, im Grunde gleicht die Struktur des Werkes viel eher der des Slasherfilms. Eine Figur nach der anderen wird aus der Handlung eliminiert. Die beiden Überlebenden (das heißt, diejenigen, deren Leben es wert ist, verfolgt zu werden) sind denn auch die einzigen, denen es gelingt, ein Leben jenseits der alltäglichen Sinnzuweisungen zu führen, deren Willkürlichkeit Toshi eindrucksvoll vorführt.
In technischer Hinsicht scheint Bokura... auf den ersten Blick denkbar weit entfernt von den stylishen Hochglanzwerken Iwais. Die Bilder bleiben größtenteils naturalistisch dreckig, bilden das abwechslungsarme Leben der Figuren ab. Dass Toshis Filmsprache deswegen nicht weniger ambitioniert ist als die seines Kollegen, merkt man vor allem der Tonspur an, die ebenso dezent zauberhaft ist wie die Erzählstruktur. Aus Alltagsgeräuschen entstehen ebenso unmerklich Melodien, wie sie sich wieder in Nichts (oder in anderen Melodien) auflösen, dennoch bleiben die verschiedenen Ebenen des Soundtracks immer unterscheidbar. Die Konstruiertheit jeder sozialen Identität als eigentliches Thema des Films, wenn man denn eines definieren möchte, wird so auf subtile Weise auf der Tonspur reproduziert.
Kurz und gut: ein Meisterwerk.
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