The Tracey Fragments, Bruce McDonald, 2007
Wenn MTV die Filmindustrie tatsächlich in der Weise beeinflusst hätte, wie oft angenommen wird (nämlich auf der Bildebene), würden heute alle Filme aussehen wie The Tracey Fragments: Splitscreenexzesse, die die Integrität des Bildkaders aufgeben zugunsten ornamentalen grafischen Anordnungen, ins Extrem getriebene Stimmungsmalerei, der alles, aber auch wirklich alles untergeordnet wird und der kein Klischee zu ausgetreten ist, um es durch schlechten Indierock intensiviert und durch die Montage innerhalb der Einstellung verhundertfacht auf den hilflosen Zuschauer loszulassen. (Nicht einmal seinen eigenen Titel vermag der Film zu rechtfertigen: The Tracey Fragments verspricht, die Adoleszenz als Erlebnis der Fragmentierung von Welt- und Selbsterfahrung zu inszenieren, doch nicht einmal dies gelingt, die aufpoppenden, sich teilenden und wieder vereinenden Bildfragmente ordnen sich stets bedingungslos einer Gefühlsdominante unter und erschaffen einen Film, der in vieler Hinsicht noch um einiges homogener funktioniert als noch das konventionellste Coming of Age-Hollywoodprodukt – The Tracey Fragments ist die ultimative Korruption des Splitscreens, und wird jeden ernüchtern, der an ein immanentes ästhetisches Potential dieser Technik glaubt.)
Doch genug davon. Zum Glück sehen nicht alle Filme aus wie The Tracey Fragments (auch wenn man McDonalds Werk in mancher Hinsicht als konsequente Fortführung nolanscher oder rodriguezscher Manierismen ansehen kann, was für die Zukunft das Schlimmste befürchten lässt) und zwar mit gutem Grund. Wenn es eine Beziehung zwischen Musikvideos und postklassischem Kino gibt, vermittelt sich diese nicht auf der Bildebene, sondern (was an sich auch naheliegt) auf der Tonspur. Die Verbindung funktioniert sicherlich nicht in Form eines direkten Einflusses – in welche Richtung auch immer – sondern ist möglicherweise eher als eine parallele strukturelle Verschiebung im Verhältnis zwischen Bild und Ton in verschiedenen audiovisuellen Medien zu beschreiben. Beschrieben wird diese Verschiebung in der berühmten Indoktrinierungssequenz (die mit diesem Terminus natürlich nicht ganz korrekt beschrieben wird) in The Parallax View. Auf der Bildebene lösen sich die visuellen Zeichen von ihrem semantischen Gehalt und verwandeln sich mit steigender Schnittfrequenz in reine Intensitäten. Die klassische Erzählung ist – in dieser Sequenz wie in einem Großteil des Blockbusterkinos – in heterogenes visuelles Material zerfallen, das seinen Gebrauchswert stets nur in sich selbst, nicht in der Verbindung mit Vorhergehendem und Zukünftigen zu besitzen scheint.
Diese Heterogenität besitzt jedoch ein Gegengewicht und zwar im akustischen Bereich. Zwar ist die Geschichte des Tons im postklassischen Kino durch eine Multiplikation der Tonspuren und jede Menge unidentifizierbarer Klang-Objekte bestimmt, doch die Filme versuchten nie (oder höchstens in Aussnahmefällen, die sich meist eher am Rande des Hollywoodspektrums situierten und situieren: The Texas Chainsaw Massacre, The Offence, Deja Vu) die Filmmusik ähnlich heterogen zu gestalten wie die Bildsprache: Dominant blieb stets der neoromantische Williams-Sound, allumfassende Melodiebögen, denen es gelingt, das ständig vom Auseinanderbrechen bedrohte visuelle Material zu bündeln und dadurhc der Konsumption zugänglich zu machen. Diese neue Form der Bündelung funktioniert selbstverständlich auf einer anderen Ebene als die narrative Closure des klassischen Spielfilms, aber sie funktioniert, nicht nur in The Parallax View, sondern im gesamten modernen Kino. Gleichzeitig wird die Musik von einem großen Teil ihrer klassischen, expressiven Funktion befreit, die Schlagwörter und Bildklischees, die in immerschnellerer Abfolge präsentiert werden, bieten keinen Ansatzpunkt mehr für das Mickey Mousing.
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