Cannae, Wolfgang Schmidt, 1989
Chronik des Regens, Michael Freerix, 1990
Wolfgang Schmidts Cannae und Michael Freerix' Chronik des Regens entstanden offensichtlich unter vollkommen anderen Produktionszusammenhängen und mit anderer Intention als alles, was heute - ob Berliner Schule oder nicht - unter dem Begriff Deutscher Autorenfilm firmiert. Boheme-Intellektualität trifft auf radikale Formexperimente und selbstbewusste Undergroundmentalität. Einerseits scheinen die Filme noch nicht alle Verbindungen zum Neuen Deutschen Film Kluges und Konsorten gekappt zu haben, bedienen sich zumindest ähnlicher formaler Mittel, andererseits ist von deren Sendungsbewusstsein nichts mehr übrig geblieben. Eine gewisse Ziellosigkeit - nicht nur innerhalb der Diegese, sondern auch im Zugriff auf unterschiedliche Diskurse - ist nicht zu übersehen. Vor allem jedoch begeistert - auch im Vergleich mit den Filmen der Berliner Schule - der Mut zum hässlichen Bild, gerade bei Schmidts Cannae, einer grandiosen Spielwiese aus Industrial-Trash, selbstreflexiven Absurditäten und Versatzstücken bundesdeutscher Institutionen aller Art, die in ihrer ganzen Widerwärtigkeit abgebildet werden. Diese radikale Heterogenität wäre im kleinen Fernsehspiel des ZDF sicherlich nicht allzu gerne gesehen. Erkennbar ist dies ein Kino, das nicht auf Festivals schielt, jedoch auch zu idiosynkratisch-intellektuell wirkt, um im subkulturellen Undergroundkontext goutierbar zu sein. Chronik des Regens erscheint etwas anschlussfähiger innerhalb der Medienlandschaft und weist in stilistischer Hinsicht auch Ähnlichkeit zu einigen Berliner-Schule-Regisseuren auf, doch auch Freerix' Werk und sein immer etwas zu derangierter Protagonist, der immer etwas zu deplazierte Sätze sagt, sind weit von aktuellem Festivalkino gleich welcher Spielart entfernt. Beide Filme sind deutlich erkennbar als isolierte Werke, die keine Schule begründen und dies wohl auch gar nicht wollen und verweisen auf ihre scheinbar extrem periphere Position im deutschen Kino der späten Achtziger / frühen Neunziger Jahre. Gleichzeitig machen sie deutlich, was die Berliner Schule mit jedem Schritt, den sie in Richtung auf ein harmloses, arthauskompatibles Filmschaffen unternimmt, zu verlieren droht; nämlich letzten Endes die gesamte Originalität einer filmischen Form, die sich nicht den Launen des Kulturbetriebs und dem geschmäcklerischen Diktat des Feuilletons unterwerfen, sondern auf ästhetischer Eigenständigkeit und einem vielschichtigen, subversiven Zugriff auf Zeitgeschichte beharrt.
2 comments:
hallo lukas,
herzlichen dank für die mystifikation.
Gruß,
m. freerix
immer gerne...
herzlichen Dank zurück für den großartigen Film.
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