Innerhalb des zwischen gut gemeintem Sozialrealismus und vollkommenem Bullshit hin und her pendelndem Wettbewerb wirkte Rivettes neuster Streich wie ein Fremdkörper (selbst für mich, der ich den Großteil des Wettbewerbs Wettbewerb sein ließ). Ne touchez pas la hache ist in bestem Sinne in sich selbst ruhendes Kunstkino, das denkbar weit entfernt scheint von jeglichen Diskursen des aktuellen Weltkinos. Und überhaupt weit entfernt von der Gegenwart, schließlich verfilmt Rivette Balzac, und zwar äußerst werkgetreu (angeblich war der Film für Rivette nur eine Notlösung, da ein anderes, größeres Projekt keine Finanzierung fand; doch lustlos oder verbittert erscheint das Ergebnis in keiner Minute. Nur insgesamt mit 137 Minuten etwas kürzer als gewohnt). Ne touchez pas la hache übersetzt die literarischen Zeichen mit fast unheimlicher Präzision in filmische. Texteinblendungen strukturieren und kommentieren die einzelnen Sequenzen, die eine ähnliche Mischung aus Geschlossenheit und Offenheit erreichen wie die Kapitel eines klassischen Romans. Die Burg, das Empfangszimmer, das Piratenschiff: romanhafte Kullissen, durch theatrale Inszenierung ins filmische übertragen. Der rivettesche Kostümfilm verzichtet auf Patiche, auf jede Form von Behauptung einer Welt jenseits des Frames, auf jede Behauptung von Geschichte. Nicht einmal die konsequente Abwesenheit von Balibars Ehemann führt zu einer Öffnung in Richtung eines historischen Diskurses.
Guillaume Depardieu und vor allem Jeanne Balibar brillieren in den Hauptrollen, geschliffene Dialoge, perfekt einstudierte Gesten. Keine Psychologie, selbstverständlich auch keine Identifikation, nur Schauspiel.
No comments:
Post a Comment