Monday, February 12, 2007

Berlinale 2007: I Was A Swiss Banker, Thomas Imbach, 2007

Ein schweizer Banker schmuggelt Schwarzgeld über den Bodensee. Er erläutert sein vorgehen in schweizerdeutschem Voice-Over. In Hochglanzoptik präsentiert Thomas Imbach seinen kurzen Prolog. Der Bodensee glänzt, die Sonnenbrille des Bankers namens Roger auch und dessen Porsche sowieso. Die Sequenz endet damit, dass Roger vor der Polizei fliehen muss, sich dabei in die Hose scheisst und die Exkremente an der Wiese abwischt. Dann beginnt der wunderbare Vorspann (der in dem noch wunderbareren Abspann wieder aufgegriffen werden wird. Nach dem furiosen Auftakt landet Roger auf einer Insel (?) im Bodensee (?) und trifft dort eine Art Hexe (?), die es auf ihn abgesehen zu haben scheint. Wie überhaupt der ehemalige Banker plötzlich bei der Damenwelt hoch im Kurs zu stehen scheint. Nacheinander lernt er vier Frauen größtenteils nichtschweizer Herkunft kennen, doch mit keiner ist ihm dauerhaftes Glück vergönnt.
Von Rogers ehemaliger Karriere im Finanzgeschäft zeugt im restlichen Verlauf des Films nur noch eine rote Reisetasche, randvoll mit Schwarzgeld. Ansonsten bleibt die Bankervergangenheit ausgespart, ohne dass sie im Leben des Betroffenen oder im Film insgesamt durch eine vergleichbar handfeste Tätigkeit bzw. ein Thema im engeren Sinne ersetzt werden würde. Noch am ehesten scheint es um Sex zu gehen. Imbachs Film inszeniert in rascher Folge weibliche Übergriffe auf den männlichen Körper im Allgemeinen und Rogers Penis im Besonderen. Die Versuche des dreitagebärtigen Schweizers, den Frauen, die von ihm nacheinander Besitz ergreifen, irgendwie Herr zu werden, scheitern stets kläglich, obwohl die realen Abhängigkeitsverhältnisse traditionell gepolt sind, schließlich sind Osteuropäerinnen, Türkinnen und Araberinnen auf die Gnade der Grenzbeamten angewiesen.
I Was a Swiss Banker ist jedoch auch der beste Film über die Schweiz, den ich bisher gesehen habe (zugegebenermaßen verfüge ich nicht über allzu viel Vergleichsmaterial). Imbacheröffnet eine Folge von potentiell touristisch verwertbaren Panoramen, bestehend meist aus Seen (nach dem Bodensee folgen eine Reihe weiterer, unter anderem glaube ich der Zürichsee), Alpwiesen, jeder Menge Schafe und sanften Hügeln. Zum Heidi-Klischee gerinnen diese Settings jedoch nie, obwohl alles glitzert und funkelt wie verrückt. (In der Tat ist es vor allem die eigenartige Hochglanzoptik – die vor allem in den Szenen im Wasser zu bewundernswerten Resultaten führt –, die den Reiz des Films ausmacht, grellbunter Alpenkitsch, präsentiert in meist kurzen Einstellungen und mit einer Vorliebe für hetische Handkameraaufnahmen, in den immer wieder Irritationen einbrechen, wie Rogers Fäkalien zu Beginn oder auch mal abgerissene Vogelköpfe.) Doch zwischen den Naturszenen (in welchen Roger stets bedeutend weniger Kleider am Leib trägt als seine Gespielinnen, selbst die Wet-Sex-Szene erotisiert eher ihn als seine Partnerin) schiebt sich immer wieder eine andere Schweiz. Hier spielt der Film in kleinen Hotels, Touristenrestaurants, Polizeirevieren oder Bauernhöfen. Keine dieser Örtlichkeiten nimmt wirklich Gestalt, keine wird in ihrer Gesamtheit repräsentiert, als Lebens- oder Arbeitsraum und dennoch schreiben sich unterschiedlichste Diskurse in sie ein, die ein weitaus präziseres Bild der schweizer Wirklichkeit zeichnen, als es konventionellere Modi der Beobachtung vermögen würden. Eine seltsame Mischung aus scheinbarer kapitalistischer Weltoffenheit und institutionellem Rassismus, aus dem Bewusstsein der eigenen geopolitischen Nichtigkeit, vermischt mit der Illusion, trotzdem irgendwie etwas ganz besonderes zu sein.
Ein Film aus einem Land eben, das zwar die älteste Demokratie der Welt vorweisen kann, in welchem jedoch dennoch erst seit 1990 alle Frauen das Wahlrecht erhielten (zuletzt in Appenzell-Innerrhoden). Aus einem Land, das immer noch nicht der UN beigetreten ist und sich damit in reichlich seltsamer Gesellschaft befindet ().
Imbachs heterogener, sprunghafter Erzählstil in Verbindung mit einer ebensolchen Kamera kann leicht in die Hose gehen. Lenz etwa habe ich kaum ertragen können in seinen Versuchen, die Neurosen eines Berliner Theaterintendanten oder was zu ergründen. I Was A Swiss Banker jedoch macht fast alles richtig (auch wenn das Ganze am Ende vieleich doch etwas zu sehr ausfranst). Roger ist von Anfang an jenseits der Psychologisierung und der Familiengeschichte (auch die nervte in Lenz) und dient lediglich als immer gut frisierters freischwebendes Objekt, das einerseits von erotischen und anderen Zugriffen in Anspruch genommen werden kann und andererseits als Bilder- und Narrationsmaschinerie dienen kann, die ein Postkartenpanorama und eine abstruse Nebenhandlung nacheinander zu produzieren vermag. Wenn dann alles vorüber ist (und wie gesagt, der Abspann ist hervorragend) ist man vielleich nicht viel schlauer, aber möglicherweise doch auf eine ganz seltsame Weise glücklich…

2 comments:

Unknown said...

Hallo, nur eine kleine Korrektur: Die Schweiz ist Mitglied der UNO, zwar erst seit kurzem und gegen hefitigen Widerstand, aber sie hat es geschafft.

Lukas Foerster said...

danke für den Hinweis, ich weiss nicht warum, aber irgendwie finde ich das etwas schade...