Am Anfang eine Gruppe von Kindern, spielend vor einem Bahngleis und vor einigen jener großen Rohre mit ein, zwei, drei Metern Durchmesser, die in alten japanischen Filmen oft in der Gegend herumliegen (die in Ozus Tokyo no yado sind mir besonders deutlich in Erinnerung). Der Rahmen der Einstellung bleibt stehen, die Kinder verschwinden nach und nach aus ihr, durch Jump-Cuts. Ein Kind bleibt, weil es (wenn ich mich richtig erinnere), den ankommenden Zug in Empfang nehmen will. Schon zu Beginn gibt es eine sonderbare Spannung zwischen der offenen, ungerichteten Zeit der Spiele der Kinder und der formalen Serialisierung durch die kinderfressende Montage.
Es gründet sich dann eine neue Familie: Der Junge und dessen Vater, ein Witwer, dessen neue Frau, ebenfalls eine Witwe und deren Kinder aus der ersten Ehe, ein Junge und ein Mädchen. Der Vater haut dann bald ab, der Junge ist ab sofort der älteste Mann in der Familie. Die (neue) Mutter arbeitet in einer Bar; sagt sie, aber sie sagt es auf eine Art, die klar macht (aber nicht ihren Kindern; und offensichtlich auch nicht der Berlinale-Inhaltsangabe), dass sie eigentlich Prostituierte ist. Nur aus wenigen Räumen besteht die Welt des Films bis hier: Die Familienwohnung, die Schule, auch schon einmal die Bar, glaube ich (eine zentralperspektivisch zentrierte Einstellung, ausgerichtet auf die Theke, an der Seite hochgestellte Stühle). Formal ist der Film hochkontrolliert: die Szenen fügen sich in "metrische" Montagen, die Figuren ersetzen sich nach Umschnitten nicht selten exakt im Bild. Oder sie ersetzen sich ganz ohne Schnitt, in einer Einstellung: Eine tritt aus dem Bild, eine andere tritt auf ihren Platz, die Leinwand läßt Freiräume, die besetzt werden wollen, oder eben auch nicht. Die Kinder freilich füllen den filmischen Raum gleichzeitig auf eine vollkommen natürliche Art aus, mit ihrer Gestensprache (den beim Weinen vors Gesicht behobenen Händen etc). Aus der formalen Kontrolle folgt kein kontrollierender Zugriff auf die soziale Welt, eher scheint es darum zu gehen, den Mustern des Lebens nachzuspüren. Freilich: Wenn man das tut, kann man nur zu leicht auf die Idee kommen, der Musterbildung ein klein wenig nachzuhelfen.
Erst nach dem Zeitsprung, der die Kinder erwachsen werden lässt, zeigt sich ein Problem des (trotzdem faszinierenden und schon auch bezaubernden) Films: Die formalen Schließungen finden ihre Entsprechung in narrativen Schließungen. Als die Kinder schließlich doch erfahren, womit die Mutter ihre Erziehung bezahlt hat, geraten die beiden Jüngeren (also ihre eigenen) auf die schiefe Bahn: Der Sohn wird Gangster, die Tochter (eine verwegene, tolle Schauspielerin), weil die Familie ihres Bräutigams sie verstößt, wird ebenfalls Prostituierte; der Film setzt sich fort in neue, andere Räume, die mit derselben Souveränität erschlossen werden. Kanichi dagegen ergibt sich nicht dem drift, sondern ruft den restlichen Film zur Ordnung: die Mutter, die Geschwister, sogar den Vater (der in imperialistisch-kapitalistische Schweinereien verwickelt ist).
Am Ende hat der Held aus Tokyo gesiegt. Die letzte Szene ist die mit Abstand bizarrste des Films. steht wieder in seinem Kinderzimmer, mit dem Rücken zur Kamera. An die Wand hängt er eine (vorher schon irgendwann einmal eingeführte) Kinderzeichnung, ich nehme an, sie soll seinen Vater darstellen, zeigt aber tatsächlich nur eine mit unbeholfenen Linien skizziertes Strichmännchen. Die Kontrolle, die er seiner Familie und dem Film auferlegt hat, entpuppt sich mit einem Mal als Funktion einer dritten, einer narzisstisch-psychotischen Schließung im Innern der Hauptfigur. Dann stellt er sich vors Fenster und blickt nach Draußen. Die letzte Einstellung übernimmt seinen Blick; auch sie bleibt ambivalent. In ihm entkommt der Film doch noch einmal dem Familienroman und endet mit einer Alltagsszene: Ein Junge verteilt Zeitungen; allerdings setzen auch hier gleich wieder die Jump Cuts vom Anfang ein, der Junge wird von Haus zu Haus gebeamt, er wirft, zack zack, eine Zeitung nach der anderen, der Fluss des Lebens gleich wieder segmentiert, ökonomisiert.
Es gründet sich dann eine neue Familie: Der Junge und dessen Vater, ein Witwer, dessen neue Frau, ebenfalls eine Witwe und deren Kinder aus der ersten Ehe, ein Junge und ein Mädchen. Der Vater haut dann bald ab, der Junge ist ab sofort der älteste Mann in der Familie. Die (neue) Mutter arbeitet in einer Bar; sagt sie, aber sie sagt es auf eine Art, die klar macht (aber nicht ihren Kindern; und offensichtlich auch nicht der Berlinale-Inhaltsangabe), dass sie eigentlich Prostituierte ist. Nur aus wenigen Räumen besteht die Welt des Films bis hier: Die Familienwohnung, die Schule, auch schon einmal die Bar, glaube ich (eine zentralperspektivisch zentrierte Einstellung, ausgerichtet auf die Theke, an der Seite hochgestellte Stühle). Formal ist der Film hochkontrolliert: die Szenen fügen sich in "metrische" Montagen, die Figuren ersetzen sich nach Umschnitten nicht selten exakt im Bild. Oder sie ersetzen sich ganz ohne Schnitt, in einer Einstellung: Eine tritt aus dem Bild, eine andere tritt auf ihren Platz, die Leinwand läßt Freiräume, die besetzt werden wollen, oder eben auch nicht. Die Kinder freilich füllen den filmischen Raum gleichzeitig auf eine vollkommen natürliche Art aus, mit ihrer Gestensprache (den beim Weinen vors Gesicht behobenen Händen etc). Aus der formalen Kontrolle folgt kein kontrollierender Zugriff auf die soziale Welt, eher scheint es darum zu gehen, den Mustern des Lebens nachzuspüren. Freilich: Wenn man das tut, kann man nur zu leicht auf die Idee kommen, der Musterbildung ein klein wenig nachzuhelfen.
Erst nach dem Zeitsprung, der die Kinder erwachsen werden lässt, zeigt sich ein Problem des (trotzdem faszinierenden und schon auch bezaubernden) Films: Die formalen Schließungen finden ihre Entsprechung in narrativen Schließungen. Als die Kinder schließlich doch erfahren, womit die Mutter ihre Erziehung bezahlt hat, geraten die beiden Jüngeren (also ihre eigenen) auf die schiefe Bahn: Der Sohn wird Gangster, die Tochter (eine verwegene, tolle Schauspielerin), weil die Familie ihres Bräutigams sie verstößt, wird ebenfalls Prostituierte; der Film setzt sich fort in neue, andere Räume, die mit derselben Souveränität erschlossen werden. Kanichi dagegen ergibt sich nicht dem drift, sondern ruft den restlichen Film zur Ordnung: die Mutter, die Geschwister, sogar den Vater (der in imperialistisch-kapitalistische Schweinereien verwickelt ist).
Am Ende hat der Held aus Tokyo gesiegt. Die letzte Szene ist die mit Abstand bizarrste des Films. steht wieder in seinem Kinderzimmer, mit dem Rücken zur Kamera. An die Wand hängt er eine (vorher schon irgendwann einmal eingeführte) Kinderzeichnung, ich nehme an, sie soll seinen Vater darstellen, zeigt aber tatsächlich nur eine mit unbeholfenen Linien skizziertes Strichmännchen. Die Kontrolle, die er seiner Familie und dem Film auferlegt hat, entpuppt sich mit einem Mal als Funktion einer dritten, einer narzisstisch-psychotischen Schließung im Innern der Hauptfigur. Dann stellt er sich vors Fenster und blickt nach Draußen. Die letzte Einstellung übernimmt seinen Blick; auch sie bleibt ambivalent. In ihm entkommt der Film doch noch einmal dem Familienroman und endet mit einer Alltagsszene: Ein Junge verteilt Zeitungen; allerdings setzen auch hier gleich wieder die Jump Cuts vom Anfang ein, der Junge wird von Haus zu Haus gebeamt, er wirft, zack zack, eine Zeitung nach der anderen, der Fluss des Lebens gleich wieder segmentiert, ökonomisiert.
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