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Thursday, June 02, 2016

neue filmgeschichte

Christoph Hochhäusler schreibt auf facebook: "Wenn wir uns einig sind, dass die Filmgeschichte nicht aus "Wellen", "Schulen" und "Meisterwerken" besteht, sondern eine viel verwickeltere Sache ist, ja sich in der Unordnung vielfältiger Berührungen ihr eigentlicher Reichtum zeigt, bliebe die Frage, mit welchen Mitteln wir sie am besten erfahren, erforschen, beschreiben sollen."

mein erster impuls: gibt es doch alles schon, schwelgerische cinephilie kennt keine grenzen. "die collagen von rainer knepperges auf der einen, umfangreiche historische detailuntersuchung / liebhaberprojekte (zum beispiel zu shapiro glickenhaus entertainment) auf der anderen seite. das reicht vermutlich nicht, ist aber ein guter ausgangspunkt, finde ich."

aber es reicht eben tatsächlich nicht, und das nicht reichen erlebe ich selbst als krise in meiner beschäftigung mit dem kino (und auch mit anderen dingen manchmal). vielleicht fehlt ja eher als eine neue filmgeschichte, denke ich mir, eine neue politische theorie des kinos, bzw eine, auf die sich zumindest ein paar leute einigen können - oder die zumindest von genügend leuten wahrgenommen wird; wenn ich mir zum beispiel godards "histoire(s)" ansehe ist sofort klar, dass es ein solches denken über film nicht mehr gibt, jedenfalls nicht mehr an halbwegs exponierter stelle. die "histoire(s)" entstammen freilich noch dem zeitalter der wellen, schulen und meisterwerke, und schleppen auch sonst einigen ideologischen ballast mit sich herum. gibt es heute irgendeine möglichkeit, so etwas zu aktualisieren / entstalinisieren?

Monday, February 25, 2013

Ein Lied um Mitternacht

Ab Freitag im Arsenal. Mehr hier.


Ein Lied um Mitternacht
Chinesische Filmgeschichte von 1929 bis 1964

1. bis 31. März 2013 im Kino Arsenal

Die Reihe "Ein Lied um Mitternacht – Chinesische Filmgeschichte von 1929 bis 1964" präsentiert erstmals einen Teil der chinesischen Filmgeschichte, der in Deutschland bislang unsichtbar war. Zum Vorschein kommt dabei eine der reichhaltigsten und vielseitigsten Kinematografien der Filmgeschichte. Die Reihe bildet das chinesische Kino in all seiner Heterogenität und Formenvielfalt in 24 Filmen ab: chinesische Filmgeschichte als ein offenes Spannungsfeld von Traditionslinien und Brüchen, das bis in die Gegenwart hinein das aktuelle Festivalkino prägt.

Seit den 80er Jahren findet der chinesische Film weltweit Aufmerksamkeit. Programmkinos und Festivals feierten Regisseure wie Zhang Yimou, Jia Zhang-ke oder Wang Bing – ihre Filme wurden in den Feuilletons diskutiert. Jedoch meist in der Annahme, dass sich die vermeintlich staatskritische Ausrichtung der Filme grundlegend von dem unterscheide, was ihm historisch vorausging. Mehr noch, dass sein präziser Blick auf gesellschaftliche Transformationsprozesse eine Befreiung darstelle von einem banalen Kino des Dogmas und der kommunistischen Propaganda.

Mit Blick auf die chinesische Filmgeschichte lässt sich diese Annahme nur bedingt aufrechterhalten. Sichtbar wird stattdessen eine vielseitige, dynamische Nationalkinematografie, die sich einerseits nicht auf eindeutige ideologische Positionierungen reduzieren lässt, andererseits aber da, wo sie sich für propagandistische Anstrengungen einspannen lässt, eine beeindruckende Vielfalt aufweist.

Das Programm stellt Melodramen, Komödien und Krimis des breit gefächerten Star- und Genresystems des Shanghai-Kinos der 30er Jahre – darunter die Filme DAYBREAK (Tianming, China 1933) und LITTLE TOYS (Xiao Wanyi, China 1933) von Sun Yu neben das neue Kino, das nach dem Sieg der Volksbefreiungsarmee 1949 entstand. Selbst diese Filme lassen sich nicht auf die Klischees eines eindimensionalen Propagandafilmschaffens reduzieren. Es finden sich ebenso spielerische, wie filmisch versierte Auseinandersetzungen mit der sozialistischen Umgestaltung des Gemeinwesens. Eine besondere Entdeckung sind dabei zwei Animationsfilme der Zeichentrickpioniere Wan Guchan und Wan Laiming.
Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Frühwerk des Autorenfilmers Xie Jin. Die ersten beiden Filme von Xie, WOMAN BASKETBALL PLAYER NO. 5 (Nu lan wu hao, Volksrepublik China 1957) und RED DETACHEMENT OF WOMAN (Hong se niang zi jun, Volksrepublik China 1961), verweisen auf eine besonders wichtige Traditionslinie: die Rolle der Frau in der chinesischen Gesellschaft.

Sunday, June 24, 2012

Il Cinema Ritrovato 2012, Tag 1

Rückblende 1

Kurz erwähnt sei zumindest Cheang Pou Sois New Blood, der mich vor ein paar Tagen umgehauen hat wie sonst kaum ein Horrorfilm in den letzten Jahren; und schon gleich kein neuer Horrorfilm. Cheang erzählt eine Geistergeschichte, in einer grün-schwaz eingefärbten Welt, durch die er eine rote Spur zieht; in verschiedenen Aggregatzuständen: zuerst als verwischte Blutspur auf dem Asphalt, dann als Linie auf dem Krankenhausflur, dann als gleichfalls Linie gewordene Blutspur durch die Infusionsröhre (korresponierend die grüne Lebenslinie auf der Apparatur). Später bricht die Spur auseinander, verflüssigt sich (wie Blutspritzer in Wasser), verteilt sich (wie rot leuchtende Lampions an Fassaden). Die entfesselte Kamera folgt mal Menschen, mal der Spur, mal macht sie sich ganz selbstständig. Es gibt noch viel mehr im Film zu entdecken, als nur diese eine Spur, doch ich glaube, bevor ich mehr schreibe, will ich ihn mir noch einmal ansehen...

Rückblende 2

Eine junge Frau beschwert sich bei einer anderen, gestern in Kreuzberg, während ich an beiden vorbeilaufe, über ein Kino: "scheiß Bild, scheiß Ton und überall sitzen nur Pärchen...".

Raoul Walsh: The Mystery of the Hindu Image, 1914 & Pillars of Society, 1916

Mit zwei schönen Walsh-Filmen aus den Zehnerjahren steige ich ein; technisch perfekt, dynamisch, schon noch mehr oder weniger anonymes Handwerk, aber mit vielen schönen Situationen. Die exotistische pulp-Erzählung The Mystery of the Hindu Image funktioniert besser als die Strindbergadaption Pillars of Society, obwohl Walsh jede Gelegenheit ergreift, das sehr alteuropäische morality play in amerikanische Bewegung zu versetzen, vor allem mithilfe von Parallelmontagen auch da, wo sie eigentlich nicht so recht angezeigt wären; mein liebster derartiger Moment aber: ein Sprung ins anfahrende Rettungsboot, während des finalen Schiffsunglücks.
The Mystery of the Hindu Image besteht durchweg aus Parallelmontagen (der unschuldig im gefängnis sitzende Held bricht mittendrin aus und wird wieder eingefangen, nur, damit die Geschichte nicht einmal in ihrem Off zum Stillstand kommt), außerdem gibt es tolle Verfolgungsjagden. Der Pianist, der den Film begleitet, ist großartig: in zwei Sequenzen, die den die Handlung unterfütternden indischen Hokuspokus behandeln, fängt er zu singen an, zusätzlich zu seinem Klavierspiel.

Wednesday, October 07, 2009

Bioscope, K.M. Madhusudhanan, 2008

Nach einmaligem Ansehen traue ich der eigenen Begeisterung für diesen Film noch nicht vorbehaltlos über den Weg. Zumindest aber ist Bioscope ein Film, der mich wie aus dem Nichts hart, schwer und tief getroffen hat. Das indische Kino ist für mich ein schwieriges Objekt. Ohne erklären zu können, weshalb, bin ich mir ziemlich sicher, dass die schönsten Filme der Welt indische Filme sind, aber bis heute habe ich wenig unternommen, diesen Schatz für mich zu bergen. Vielleicht, weil ich nicht weiß, wo ich anfangen soll: Im Grunde laufen mehrere Nationalkinematografien parallel, außerdem gibt es eine auf den ersten Blick recht strikte Trennung zwischen kommerziellem und unabhängigen Kino - die auf den zweiten Blick vermutlich nicht so einfach aufrecht zu erhalten wäre. Andererseits verhält es sich in China auch nicht anders und da hält mich das auch nicht ab. Wie dem auch sei, ich kenne bislang nur ein gutes halbes Dutzend waschechte Bollywoodfilme und auch nicht viel mehr indisches Autorenkino.
Bioscope ist ein tamilischer Film, der Regisseur ist von Haus Maler, das sieht man dem Film an. Sein Film ist einer über das Kino. Und ein Film über die bleierne Zeit der britischen Kolonisierung Indiens. Beides kommt zusammen, wenn die Kolonisierten auf die handgekurbelten Filme aus dem Bioscope starren. Wenn der Lumieresche Zug in den Bahnhof fährt, ergreift niemand die Flucht. Die Augen bleiben starr auf das flackernde Schwarz-Weiß der hier tatsächlich völlig stummen Leinwand gerichtet. Auch, wenn Wienes Caligari oder Filme des indischen Stummfilmpioniers Dadasaheb Phalke projiziert werden. Nur Diwakaran wendet den Blick und schaut von den Bildern auf den Apparat, der sie produziert, sowie auf Dupont, den Europäer, der die sich noch nicht sehr flüssig bewegenden Bilder nach Indien gebracht hat. Diese eine Kopfbewegung ist schärfere und treffendere Ideologiekritik als jede Apparatustheorie. Diwakaran tritt später an die Stelle Duponts und kurbelt selbst.
Mehr passiert eigentlich nicht: zuerst kurbelt Dupont, danach Diwakaran. Dazwischen Gespräche über die neue Technik, die den Dorfbewohnern eher schwarze denn weiße Magie ist. Und ein eher angerissenes als durcherzähltes Melodram um Diwakaran und seine kranke Frau Nalini, die einst, wie mehrere intensive Rückblenden offenbaren, einen Weißen, einen Kolonisator am Strand entdeckt und sich von diesem Erlebnis nie wieder erholt zu haben scheint. Infiziert vom Fremden siecht sie dahin.
Vor allem aber vollzieht Bioscope: Stillstellungen. Gesichter in Großaufnahme am Strand, vor Lehmstraßen, alles feucht, trüb, matt, platt, träge, bleiern außer wenn es um Dorftratsch geht. Traurige Lieder, deren Texte eigentlich keine Untertitel benötigten. Die Stillstellungen sind umso deprimierender, als sich zwischen ihnen dann doch das eine oder andere entwickelt, nur eben nichts Produktives. Stillstellungen, die in den Flow eines fremdbestimmten Alltags eingelassen sind. Stillstellungen als Reaktion auf die Fremdbestimmung. Bioscope ist einer der eindrücklichsten Filme über Kolonialismus, den ich bisher gesehen habe, eben, weil es kein außen der Ohnmacht der Kolonisierten gibt, keine Handlungsmacht, die stellvertretend für die Ohnmacht agiert.
Ich bekomme die großartigen Bilder noch nicht hinreichend auf Begriffe, ich bekomme sie nicht soweit, wie ich sie gerne hätte (allzu weit möchte ich sie auch wieder nicht bringen, sie sollen schließlich bleiben...). Aber darum geht es ihnen sicher: Kino und Kolonialismus. Das Kino treibt nur eines dieser Gesichter, das Diwakarans, aus der Trübe. Wo das Gesicht landet, bleibt unklar, Diwakaran begehrt nicht auf, durchläuft keinen Erkenntnisprozess. Vielleicht ist die Frage falsch: Diwakaran landet nirgends, er handelt nicht, er muss sich nur nicht mehr für die Unmöglichkeit des Handelns rechtfertigen, denn: Er kann projizieren. Während Nalini sich in ihren Rückblenden verzehrt, Bilder in sich einschließt, in denen jede Welle in Zeitlupe hoffnungslos überdeterminiert über den Sand kriecht, kann Diwakaran sich im Akt des Projizierens völlig entäußern. An Heide Schlüpmanns Buch Ungeheure Einbildungskraft (bei dem ich mir freilich nach wie vor in jeder Hinsicht unsicher bin) denke ich jetzt, hinterher, wenn ich an diese Projektionen denke:
Keine Definition, sondern reine Projektion der "Leibeigenschaft", stellt sie keinen Angriff auf die Gesellschaft dar, sondern eine List des träumenden Lebens, seinem Dasein eine äußere Wirklichkeit zu geben oder im Bergsonschen Sinne: eine Möglichkeit, die nicht auf Verwirklichung zielt.

Thursday, January 18, 2007

Bazin: Die Entwicklung der Filmsprache

Zu fragen ist, inwieweit Bazins Kategorisierungen zeitgebunden sind oder sich im Gegenteil verallgemeinern lassen. Seine Ausführungen scheinen an ein Verständnis von Filmgeschichte gebunden zu sein, das wohl schon zum Erscheinungsdatum des Aufsatzes fragwürdig war, heute aber noch viel weniger anwendbar ist. Die Vorstellung, dass Filmgeschichte vor allem durch das Aufeinander-Einwirken großer Regisseure entsteht, deren Kommunikation über Kontinente und Jahrzehnte hinweg dafür sorgt, dass eine einzige dominante Filmsprache den Diskurs bestimmen kann, scheint im Zeitalter der allumfassenden Diversifizierung nicht mehr angemessen zu sein. Heute existieren unterschiedlichste Bezugssysteme nebeneinander, die sich untereinander fast gar nicht mehr austauschen. Zu fragen wäre also, ob die Eigenschaften, die dem "neuen Kino" von Welles und Wyler zuschreibt und die sich in erstaunlicher Weise in den Elogen wiederfinden, die immer noch Jahr für Jahr den jeweiligen Lieblingen der internationalen Cinephilenszene gewidmet werden, auch heute noch eine wirkliche beschreibende Funktion besitzen (inklusiver der metaphysischen Ebene, die Bazin ausmacht) oder nicht vielmehr nur noch als letztlich außerhalb kommerzieller Erwägungen unmotivierte Ergänzung / Beschreibung des Etiketts "Kunstfilm" beziehungsweise "Autorenkino" benutzt werden.