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Thursday, May 19, 2016

Das Casanova-Projekt, Gruppe Arnold Hau, 1981

Hartmann, der Regisseur, in der Zwickmühle: Auf der einen Seite sieht er sich mit seiner hängemattenlägrigen Mutter konfrontiert, sowie mit dem toten Bruder und dessen unscharfen, unvollendeten Meisterwerk, dem er laut der Mutter nie, nie, nie auch nur nahe kommen wird - mithin mit dem gesamten Ballast autorenfilmerischer Ambition und Tradition, der sich psychisch und auch filmproduktionstechnisch als Kontrollwahn manifestiert. Auf der anderen Seite mit dem Schauspieler Edel, einem freigeistigen Störenfried, der beim Spaziergang durchs Weizenweld die gesamte Filmgeschichte umschreibt, und den gemeinsam geplanten Casanovafilm am liebsten komplett im Innern eines Pappkarton drehen würde - die reine Kontingenz. 

Der Film endet ambivalenter, als man angesichts des Übergewichts, das Edel im Lauf der Zeit über die Mutter erlangt, denken würde. Hartmanns Casanovafilm gelingt zwar in der Tat gerade deshalb, weil er sich auf Edel und dessen eigensinnige Lebenszugewandtheit einlässt; andererseits übernimmt der Regisseur in seinem letzten Monolog das nie, nie, nie der Mutter.

Saturday, October 30, 2010

Viennale 2010: Festival, Jean-Claude Rousseau, 2010

Das Filmfestival als Zauberwürfel. Eine Drehung weiter und eine neue Verbindungslinie wird sichbar: Festivalfilme über Filmfestivals. Guerins Guest kommuniziert einerseits mit The Forgotten Space, andererseits aber auch mit Jean-Claude Rousseaus Festival. Diesmal sind die Filme keine Antagonisten hinsichtlich ihres Bildkonzepts, sondern hinsichtlich der Blickrichtung (die Guerin wiederum mit Burch / Sekula teilt). Auch Rousseaus Film ist ausschließlich auf Filmfestivals entstanden, genauer gesagt auf unterschiedlichen Ausgaben des Torino Film Festivals und auch in Festival kommt das Festival selbst nicht vor. Der Regisseur strebt allerdings nicht nach der Aufhebung der eigenen Subjektivität im dokumentarischen Welt, sondern arbeitet an einer komplexen Selbstfiktionalisierung, die auf ihre Weise auch eine Aufhebung darstellt: Der Film spielt fast ausschließlich in anonymen Hotelzimmern, deren einziger Bewohner Rousseau selbst ist.
Eine denkbar spröde, aber nicht ganz humorlose Metafiktion (ich kenne keine anderen Filme Rousseaus - bis auf den kurzen Series noire - und muss das möglichst bald nachholen). Starre, flache Einstellungen, irritierende Ton / Bild-Scheren, Betonung des Rahmens und des hors cadre, das Schwarzbild als konstitutives Element einer sehr privaten Poetik. Das erste Zimmer ist mit einem anderen Raum (filmisch, nicht räumlich) verschaltet, in dem eine Frau mit einem Tonbandgerät sitzt und sich wiederum mit Rousseau... nicht unbedingt unterhält, aber zumindest mit ihm in Verbindung steht. Auf die Bitte, ihr zu schreiben, habe er geantwortet: "ich schreibe nicht" und hinzugefügt, dass er an die "Grafie" in der Cinematografie nicht glaube, dass also die Kamera kein Medium der Schrift sei. Oder so ähnlich. Und besonders viel geschrieben / kommuniziert wird im Folgenden tatsächlich nicht. Es gibt einige Straßenaufnahmen, die von Rousseau und einem anderen Mann kommentiert werden, einige Aufnahmen aus einem Kinosaal, in dem sich niemand befindet außer Rousseau, der einige Positionen ausprobiert, sich in einem Sessel niederlässt, wieder aufsteht, ein paar Reihen nach vorne geht, sich auf einen anderen Platz setzt, wieder aufsteht... Sonst: Bilder in Hotelzimmern, Blicke aus den Fenstern von Hotelzimmern (wobei die Zusammenhänge zwischen einzelnen Ausschnitten nur über die Montage entstehen und nie in einer Totalen oder einer Kamerabewegung, nicht einmal in räumlichen Überschneidungen verifiziert werden; ein konstruktivistisches Kino, aber im Straubschen Sinne: Die Integrität des einzelnen Bildes darf nicht durch andere Bilder gefährdet werden, auch deshalb vielleicht die Schwarzbilder als Stopper dazwischen). Fast zwanghafte Wiederholungen von Einstellungen und Einstellungsfolgen. Variationen und Serien: Die Frau auf dem Nachbarbalkon wird langsam abgelöst durch einen Mann, der einen langen, leeren Kontrollblick in Richtung Kamera wirft. Auf eine am Anfang angedeutete metafiktionale Pointe läuft das ganze nicht heraus. Sondern auf eine Gegenüberstellung: Das Fenster zur Welt gegen die harsche Linie des Schriftzugs auf weißem Papier. In der letzten Einstellung verrutscht das Papier, seine Kante wird sichtbar, der Rahmen des Filmbilds setzt sich ein weiteres Mal in sein Recht.

Monday, October 25, 2010

Viennale 2010: Road to Nowhere, Monte Hellman, 2010

Nach 20 Jahren Abwesenheit ein Comeback ohne jedes Pathos, ohne blick zurück, sehr gegenwärtig, aber nicht unbedingt "zeitgemäß". Allerdings eher deshalb nicht, weil darin "gemäß" steckt und also eine regelhafte Zuordnung, auf die Hellman keinen Bock hat. In der Titelsequenz zu Beginn taucht nicht einmal sein Name auf, da heißt der Regisseur Mitchell Haven. Immer sonderbar und immer faszinierend ist Road to Nowhere, beim ersten Sehen kaum vollständig entschlüsselbar, weder in seiner Handlung, noch als poetisches System. Anschließend dann auch nur einige erste Notizen.
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Die Titel und der Prolog gehören einem Film im Film, der freilich den gleichen Titel trägt wie das, was um ihn herum gebaut ist. Zuerst Casting, dann Dreharbeiten. Es gibt auch noch andere Filme im Film: Der Regisseur schaut sich zwischendrin mit der Hauptdarstellerin und Geliebten Klassiker von Bergman bis Sturges an und erklärt jeden einzelnen zum "fucking masterpiece". Auch diese Filme stehen nicht außerhalb des Spiegelsystems, das Road to Nowhere ist. Zuerst setzt Hellman stilistische Differenzen zwischen den beiden ontologischen Ebenen, nach und nach reist er sie dann wieder ein. Es interessiert Hellman am Film-im-Film-Konzept einmal der Moment der Ununterscheidbarkeit, von dem aus eine Einstellung in die eine oder in die andere Richtung kippen kann. Dann auch die Idee, dass alle Bilder und nicht nur die Bilder, auch Häuser und Menschen, zwei Seiten haben. Eine wichtige Mordszene, die den Ursprung des Films gleichzeitig bezeichnet und im Dunkeln lässt, spielt mit den zwei Seiten eines Hauses, eine andere, die den Fluchtpunkt des Films gleichzeitig bezeichnet und im Dunkeln lässt, spielt mit den zwei Seiten eines Fensters und dann auch des Filmbilds selbst.
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An Two Lane Blacktop und vielleicht noch mehr an Cockfighter schließt der Film an, weil er einerseits die Chronik einer Obsession ist, der die Hauptfigur nach und nach alles opfert, aber auch, weil er andererseits den Inhalt dieser Obsession nach und nach verschwinden lässt. Es gibt immer einen dunklen Mann, ein Geheimnis im Hintergrund, dessen Einzelheiten weniger wichtig sind als die Effekte, die sie zeitigen, und die vor allem Aushöhlungen sind. Von Obsessionen, auch von Figuren.
Toll ist zum Beispiel Bruno (Walon Payne, der vorher in Walk the Line Jerry Lee Lewis gespielt hat, sonst aber noch nicht allzu viel) ein "Berater" am Set, von dem man von Anfang an nicht so genau weiß, was er da eigentlich zu suchen hat - als Film über die postfordistischen Kino-Produktionspraktiken ist Road to Nowhere vielleicht gerade in solchen Unsicherheiten instruktiv. Bruno ist eine Art Cowboyattrappe, er stolziert ausgemergelt und mit alberner Frisur in der Gegend herum, gabelt irgendwann eine blonde Bloggerin auf (die nochmal andere Filme im Film produziert) und mischt sich in Dinge ein, von denen er ncihts versteht und die ihn nichts angehen. Aber man merkt schnell: Egal worin sich Bruno einmischen würde, er würde von nichts etwas verstehen und nicht würde ihn etwas angehen. Ein Körper, der in sein eigenes Klischee geflüchtet ist und sich da unwohl fühlt. Einmal steht er in dem - vergleichsweise und etwas melancholisch in sich selbst ruhenden - Regisseur und möchte den Ermittler geben, allein, es klappt nicht, schon an den Gesten, an der Mimik scheitert er.
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Grandios ist die letzte Einstellung. An der Wand hängt die Fotografie der toten Hauptdarstellerin. Ein weichgezeichnetes Hochglanzbild, ein Starschnitt. Der Mund allerdings ist nicht weichgezeichnet, sondern extrem scharf, die geöffneten Lippen sind ein wenig aufgesprungen, stellen ihre Textur aus. Hellman zoomt erst auf das Foto, dann direkt auf die Lipen, während die Credits - diesmal die echten - über die Leinwand laufen. Der Mund als Spalt, gleichzeitig psychosexuell, als Verschiebung auf einen anderen Spalt verweisend und aber auch ontologisch: der Mund als Bruchstelle, durch die etwas eindringt, ein stoffliches Reales, das in den billigen Videobildern des übrigen Films (der mit einer Art Fotokamera gedreht wurde, die auch mehrmals direkt im Bild auftaucht und einmal mit einer Waffe verwechselt wird, das ist alles sehr schön, aber die 35mm-Bilder habe ich doch mehr vermisst als in vielen anderen digital produzierten Filmen der Gegenwart) wie ein Fremdkörper wirkt.

Wednesday, October 07, 2009

Bioscope, K.M. Madhusudhanan, 2008

Nach einmaligem Ansehen traue ich der eigenen Begeisterung für diesen Film noch nicht vorbehaltlos über den Weg. Zumindest aber ist Bioscope ein Film, der mich wie aus dem Nichts hart, schwer und tief getroffen hat. Das indische Kino ist für mich ein schwieriges Objekt. Ohne erklären zu können, weshalb, bin ich mir ziemlich sicher, dass die schönsten Filme der Welt indische Filme sind, aber bis heute habe ich wenig unternommen, diesen Schatz für mich zu bergen. Vielleicht, weil ich nicht weiß, wo ich anfangen soll: Im Grunde laufen mehrere Nationalkinematografien parallel, außerdem gibt es eine auf den ersten Blick recht strikte Trennung zwischen kommerziellem und unabhängigen Kino - die auf den zweiten Blick vermutlich nicht so einfach aufrecht zu erhalten wäre. Andererseits verhält es sich in China auch nicht anders und da hält mich das auch nicht ab. Wie dem auch sei, ich kenne bislang nur ein gutes halbes Dutzend waschechte Bollywoodfilme und auch nicht viel mehr indisches Autorenkino.
Bioscope ist ein tamilischer Film, der Regisseur ist von Haus Maler, das sieht man dem Film an. Sein Film ist einer über das Kino. Und ein Film über die bleierne Zeit der britischen Kolonisierung Indiens. Beides kommt zusammen, wenn die Kolonisierten auf die handgekurbelten Filme aus dem Bioscope starren. Wenn der Lumieresche Zug in den Bahnhof fährt, ergreift niemand die Flucht. Die Augen bleiben starr auf das flackernde Schwarz-Weiß der hier tatsächlich völlig stummen Leinwand gerichtet. Auch, wenn Wienes Caligari oder Filme des indischen Stummfilmpioniers Dadasaheb Phalke projiziert werden. Nur Diwakaran wendet den Blick und schaut von den Bildern auf den Apparat, der sie produziert, sowie auf Dupont, den Europäer, der die sich noch nicht sehr flüssig bewegenden Bilder nach Indien gebracht hat. Diese eine Kopfbewegung ist schärfere und treffendere Ideologiekritik als jede Apparatustheorie. Diwakaran tritt später an die Stelle Duponts und kurbelt selbst.
Mehr passiert eigentlich nicht: zuerst kurbelt Dupont, danach Diwakaran. Dazwischen Gespräche über die neue Technik, die den Dorfbewohnern eher schwarze denn weiße Magie ist. Und ein eher angerissenes als durcherzähltes Melodram um Diwakaran und seine kranke Frau Nalini, die einst, wie mehrere intensive Rückblenden offenbaren, einen Weißen, einen Kolonisator am Strand entdeckt und sich von diesem Erlebnis nie wieder erholt zu haben scheint. Infiziert vom Fremden siecht sie dahin.
Vor allem aber vollzieht Bioscope: Stillstellungen. Gesichter in Großaufnahme am Strand, vor Lehmstraßen, alles feucht, trüb, matt, platt, träge, bleiern außer wenn es um Dorftratsch geht. Traurige Lieder, deren Texte eigentlich keine Untertitel benötigten. Die Stillstellungen sind umso deprimierender, als sich zwischen ihnen dann doch das eine oder andere entwickelt, nur eben nichts Produktives. Stillstellungen, die in den Flow eines fremdbestimmten Alltags eingelassen sind. Stillstellungen als Reaktion auf die Fremdbestimmung. Bioscope ist einer der eindrücklichsten Filme über Kolonialismus, den ich bisher gesehen habe, eben, weil es kein außen der Ohnmacht der Kolonisierten gibt, keine Handlungsmacht, die stellvertretend für die Ohnmacht agiert.
Ich bekomme die großartigen Bilder noch nicht hinreichend auf Begriffe, ich bekomme sie nicht soweit, wie ich sie gerne hätte (allzu weit möchte ich sie auch wieder nicht bringen, sie sollen schließlich bleiben...). Aber darum geht es ihnen sicher: Kino und Kolonialismus. Das Kino treibt nur eines dieser Gesichter, das Diwakarans, aus der Trübe. Wo das Gesicht landet, bleibt unklar, Diwakaran begehrt nicht auf, durchläuft keinen Erkenntnisprozess. Vielleicht ist die Frage falsch: Diwakaran landet nirgends, er handelt nicht, er muss sich nur nicht mehr für die Unmöglichkeit des Handelns rechtfertigen, denn: Er kann projizieren. Während Nalini sich in ihren Rückblenden verzehrt, Bilder in sich einschließt, in denen jede Welle in Zeitlupe hoffnungslos überdeterminiert über den Sand kriecht, kann Diwakaran sich im Akt des Projizierens völlig entäußern. An Heide Schlüpmanns Buch Ungeheure Einbildungskraft (bei dem ich mir freilich nach wie vor in jeder Hinsicht unsicher bin) denke ich jetzt, hinterher, wenn ich an diese Projektionen denke:
Keine Definition, sondern reine Projektion der "Leibeigenschaft", stellt sie keinen Angriff auf die Gesellschaft dar, sondern eine List des träumenden Lebens, seinem Dasein eine äußere Wirklichkeit zu geben oder im Bergsonschen Sinne: eine Möglichkeit, die nicht auf Verwirklichung zielt.

Monday, March 12, 2007

Mise-en-abyme, Björn Last, 2006

Ein Kurzfilm übers Filmemachen. Mise-en-abyme beginnt bei DePalmas Lügen und endet mit Godards Wahrheit. Selbstverständlich ist der Film viel zu intelligent, als dass er versuchen würde, dies zu einem moralischen Argument auszuformulieren. Dennoch geht Mitternachtskino-Schöpfer Björn Last sicherlich nicht zufällig den schwierigeren Weg: Nicht von der Wahrheitsbehauptung mittels Dekonstruktion aller Realitätseffekte zur Lüge, sondern umgekehrt. Die dafür nötige Euphorie bringt der Regisseur spielend auf. Selbstreflexivität nicht als narzisstische Spielerei, sondern im Sinne einer konsequenten Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des Mediums, bis die vierte Wand einstürzt bzw. Monacos "Film verstehen" brennt (was dieses wohl auch in dieser Höhe verdient hat, wenn ich auch zugeben muss, dass das Buch in meiner filmtheoretischen Sozialisation einmal eine nicht unwichtige Rolle gespielt hat).
Mise-en-abyme ist ein in jeder Hinsicht wunderbarer Amateurfilm, der laut imdb nicht nur unter anderen Filme von Hitchcock, Godard, Terayama, Fassbinder und Jodorowsky zitiert, sondern dem es außerdem gelingt, auch seine eigenen Produktionsbedingungen produktiv zu nutzen. Denn keine einzige Szene wirkt wie gewollt und nicht gekonnt, und wahrscheinlich ermöglichte gerade der konsequente Amateurstatus aller Beteiligten, jenseits aller über das Projekt hinausreichenden Ambitionen, dessen Gelingen.
Nicht, dass Last für sein nächstes Projekt kein größeres Budget zu wünschen wäre. Doch was auch immer der Mann als nächstes plant: Man darf sich schon heute darauf freuen.

Friday, December 08, 2006

Close-up, Abbas Kiarostami, 1990

An einer Stelle in Abbas Kiarostamis Close-up rollt eine Blechdose, angetreten von einem Journalisten, die Straße herunter. Die Kamera verfolgt diese Bewegung mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der sie in anderen Sequenzen den Figuren folgt. Diese Szene fällt durchaus auf und irritiert, nicht nur, weil der restliche Film zu weiten Teilen über Dialoge zu funktionieren scheint, sondern auch, weil die Struktur des Werks auch darüber hinaus sehr diskursiv angelegt ist und viele selbstreflexive Elemente enthält. Die Dose wird jedoch nicht - wie etwa die Plastiktüte in American Beauty - metaphorisch oder sonstwie aufgeladen, wird nie Teil eines Diskurses, sondern bleibt ein rein physikalisches Objekt, dessen Bewegung scheinbar automatisch die adäquate Reaktion der Kamera auslöst.
Die unterschiedlichen Vermittlungsinstanzen, die zwischen der Filmhandlung und dem Zuschauer liegen, werden in Close-up nicht durch formale Spielereien oder intertextuelle Verweise offengelegt, sondern durch konkrete Eigenschaften des filmischen Bildes, der Tonspur und der Einstellungen. Besonders deutlich wird dies unter anderem in der Sequenz am Ende des Films, in welcher Makhmalbaf auftritt. Während der Begegnung des Regisseurs mit seinem Bewunderer scheint die Tonspur zusammen zu brechen, auch die Kamera hat Mühe, den beiden zu folgen. Bild und Ton scheinen angesichts einer Art semantischen Überladung der gesamten filmischen Struktur zusammenzubrechen.

Wednesday, August 02, 2006

Takeshis', Kitano Takeshi, 2004

Ein wunderbarer kleiner Film, aufgebaut nach einem etwas abgewandelten Akulina Prinzip: Jede Puppe, die in der größeren Puppe zum Vorschein kommt, sieht erst auf den zweiten Blick absolut identisch aus wie die erste.
Das vielleicht schönste an Takeshis' ist, dass es Kitano gelingt, sein Spielset komplett aus der eigenen, in divergenten Medien situierte und mit noch divergierenden Motiven spielenden Kunstwelt belässt. Figur und Rolle verschwimmen noch stärker, als in seinen anderen Filmen, das Gestrüpp aus Fernsehkomik, Gangsterattitüde, verträumtem Loosertum und fast schon trotzigem Stilwillen, das in der Gesamtheit sein Schaffen prägt, wird nicht nur in einem einzigen Film zusammengefasst, sondern auch noch vom auteur persönlich gegengelesen, was allerdings den Effekt hat, dass der auteur nicht nur hinter dem Werk verschwindet, sondern sogar von ihm umgebracht wird. Nicht umsonst wird die letzte Öffnung der Akulina durch ein Autogrammwunsch getriggert. Das Autorensubjekt, in der modernen Mediengesellschaft zwar markttechnisch unbedingt benötigt, aberselbstverständlich schon lange dekonstruiert, zerbricht hier tatsächlich am industriellen Charakter des künstlerischen Schaffens.
Vielleicht kann Takeshis' als konsequente Fortsetzung von Hana-Bi, Kitanos bisher wohl besten Arbeit, angesehen werden. Die Gemälde, die in Hana-Bi ein Eigenleben entwickelten, waren noch recht schnell zu zähmen, drangen noch nicht vollständig in die Struktur des Werkes ein. In Takeshis' befruchtet sich die Schöpfung ständig selbst und veschlingt am ende ihren Autor. Das mag etwas masturbatorisches haben. Aber filmische Masturbation war selten so schön wie hier.

Friday, May 12, 2006

Geuk jang jeon (Tale of Cinema), Hong Sang-soo, 2005

Gleich die erste Einstellung des Films schafft leichte Verwirrung. Im Hintergrund ist ein hoher Turm zu sehen, davor befindet sich ein Baum. Diese Gegenüberstellung von Natur und Zivilisation (und im Rahmen dieses Films eventuell auch weiblich und männlich) ist fast schon ein Klischee und wird beispielsweise in vielen Filmen Ozus aufs ausführlichste zelebriert. Gleichzeitig sieht man aber am rechten Bildrand eine Straßenlaterne, die nicht so recht ins Stilleben passen will.
Der darauf folgende Film entwickelt sich in einer eigenwilligen, fast primitiv anmutenden Stilistik. Recht einfache, unprätentiöse Bilder bestimmen Tale of Cinema, die einzige auffällige – in der Tat: sehr auffällige – filmtechnische Extravaganz auf der Bildebene ist der extrem häufige Gebrauch des Zooms. Dieser wird immer deutlich ausgestellt, ist relativ schnell und nicht mit zusätzlichen Kamerabewegungen verbunden. Ebenfalls ungewöhnlich ist der Musikgebrauch. Unvermittelt beginnen die meist aus einfachen, sich wiederholenden Harmonien aufgebauten Arrangements, und ebenso unvermittelt enden sie wieder. Genau wie im Falle des Zooms lässt sich nur schwer ein Prinzip ausmachen, wann und vor allem wieso zu diesem Stilmittel getroffen wird.
Im ersten Teil, der retrospektiv als Film im Film erkennbar wird, tritt als zusätzliches Strukturelement ein der Hauptfigur zugeordneter Off-Kommentar, bestehend meist aus Banalitäten, hinzu, dem eine gewisse Ähnlichkeit zur Technik des Zooms bzw. der Musik anzuhaften scheint – auch hier besteht scheinbar ein Missverhältnis zwischen der deutlich herausgestellten Technik und der semantischen Bedeutung im Gefüge des Films.
Inhaltlich betrachtet ist der erste Teil des Films deutlich Ödipus-infiziert, worauf bereits der Besuch des Theaterstücks „Mutter“ hinweist – die reale Mutter ist dann tatsächlich zu dominant, aus der Unfähigkeit, ihre Ansprüche zu befriedigen, scheint nach der psychoanalytischen Lesart Impotenz zu folgen. Überhaupt ist der Film an Freudschen Verweisen, so man sie denn sucht, reicht, auch der anfangs angesprochene und immer wieder an prominenter Stelle ins Bild tretende Turm bietet sich als Phallussymbol an.
Der zweite Teil des Films reflektiert den ersten, beziehungsweise dessen Parodie. Nicht nur die Genderachse scheint sich gedreht zu haben, auch anderes funktioniert nicht mehr so schön, wie in Teil 1. Allerdings dekonstruiert nicht etwa das reale Leben den film – dazu sind die beiden sich in vieler Hinsicht wiederum zu ähnlich – auch im zweiten Teil wird beispielsweise fleissig gezoomt. Weiter verkompliziert wird jeder Deutungsversuch nicht nur durch das Ende (ein zweiter Ödipuskomplex? Ein Kinodiskurs?) sondern auch durch kleine Unsicherheiten, die sich kaum auflösen lassen. Was, zum Beispiel, hat es mit den angeblichen Verletzungen der Frau auf sich?