Monday, May 31, 2010

The Prisoner of Shark Island, John Ford, 1936

Historisch ist es wohl nicht ganz haltbar, wie dieser Film Samuel Mudd rehabilitieren möchte und so reiht The Prisoner of Shark Island sich ein in die lange Liste revisionistischer Südstaatenfilme. Es gibt aber einige Momente, in denen der Film gegen Mudd arbeitet. Am deutlichsten vielleicht während Mudds Freude über seine reichliche Belohnung für die Pflege des Lincoln-Attentäters. Wer sich in Ford-Filmen zu sehr über Geld freut, ist immer mindestens ein wenig verdächtig. Hinter der expressionistisch anmutenden und in jedem Fall sehr ansprechenden Fassade dieser eher unpersönlichen Routinearbeit blitzt manchmal die Komplexität des reifen Ford auf.
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Samuel Mudd at the receiving end of history:

Tuesday, May 25, 2010

Cheers 1.1 - 2.12

"Come over here, will You?" "Let's talk about it in the back room!" "You were standing right over there!" In keiner Serie ist es wichtiger, wer wo steht, wer neben / gegenüber / hinter wem, wer mit wem wohin geht, wie Personen sich im Raum verteilen. Natürlich ist es so, dass diese Serie gerade deshalb ein so interessantes räumliches Regime hat, weil ihre gesamte erste Staffel in einer einzigen Kneipe spielt (allerdings: nicht in einem einzigen Setting, Billard- und Arbeitszimmer sind völlig neue Welten; toll sind auch die eigentlich komplett widersinnigen "establishing shots" der Frontseite des Gebäudes, die gar nichts etablieren, weil es keinerlei räumliche Kontinuität zwischen Innen und Außen gibt). Zuerst muss man aber doch bewundern, wie die Creators das damals hinbekommen haben: So flüssige Geschichten, so kunstvolle Rededuelle, eine so gediegene Comedy-Feinmechanik auf so engem Raum. Eine Selbstbeschränkung, die außerdem nicht ständig selbstreferentiell werden muss. Es ist, als käme sie der Serie natürlich. Ganz im Ernst setzt Cheers die Kneipe als eigene Welt und vertraut darauf, dass sie das her gibt.
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Die Serie schreit geradezu nach einer Lektüre mit Stanley Cavell. Das beginnt schon beim (großartigen!) Titellied, das ja nicht so geht: "You wanna go where people are all the same"; sondern so: "You wanna go where people know, people are all the same". Der gesamte Titelsong ist eben nicht einfach nur nostalgisch, sondern er bricht seine Nostalgie sowie die der Bilder, unter die er gelegt ist, reflexiv, schon in der Wahl der zweiten Person Singular. Eine stromlinienförmig durchindividualisierte Gesellschaft wird zur Selbstbefragung aufgefordert. Und die Serie agiert die Selbstbefragung in jeder einzelnen Folge aus. Nicht nur, weil der soziale Fokus breit ist (und mehr Arbeitsrealität steckt da drin als so ziemlich in allem, was derzeit auf den Networks unterwegs ist; eine Geschichte des sozialen Realismus im amerikanischer Mainstream-Popkultur der Achtziger Jahre wäre noch zu schreiben: Cheers, John Hughes, Private Dancer, She Works Hard for Her Money), sondern vor allem, weil alle Figuren, die Haupt- wie die Nebencharaktere, ihre Subjektivität ausführlich versprachlichen und verräumlichen müssen.
Die langen, erstaunlich langen Dialogszenen von Sam und Diane (auch so etwas gibt es heute kaum noch, wenn nicht gar nicht mehr) sind dann natürlich die Fortschreibungen der Romkom-Routinen, die Cavell so großartig in Pursuit of Happiness analysiert (ohne, dass die Serie deswegen ahistorisch wird, die Machtverhältnisse - beziehungsweise das Ausmaß der jeweiligen Selbstreflexivität der beiden Geschlechtsvertreter - sind grundsätzlich verschieden von denen zu Zeiten Hepburn / Grant). Nicht nur Fortschreibungen, sondern Intensivierungen. Das Serienformat und insbesondere die Sitcom mit ihrem zumindest auf der Mikroebene fast vollständigen Verzicht auf Dramaturgien außer denen der Pointe ist ideal für diese Form des philosophischen Gesprächs. In jeder Folge eine neue Arie, in neuen Variationen, mit immer neuen Nuancen. Subject for further research, to be sure...

Friday, May 21, 2010

Spuren eines Dritten Kinos + The Canine Condition

Die von Cecilia Valenti, Fabian Tietke, Nikolaus Perneczky und mir kuratierte Filmreihe Spuren eines Dritten Kinos startet am 1. Juni. Die Website ist ab sofort online, ebenso ein Gemeinschaftsblog. Fragen nach der Herkunft unseres Gruppennamens werden nicht beantwortet (oder zumindest nicht von mir).

Monday, May 17, 2010

Finis Hominis, José Mojica Marins, 1971

Nach dem Cartesianischen Weltbild ist alle Schöpfung aufgehoben in Geist und Materie. Aber dann gibt es noch einen brasilianischen Film namens Finis Hominis aus dem Jahr 1971. Der eröffnet mit einem Prolog, der noch einmal das Cartesianische Erbe ausführt und dann ein wenig weiter treibt: Am Ende des Prologs erklärt der Film seine eigene Existenz zum Beweis für die Sinnhaftigkeit des Universums. Und wenig spricht dagegen, dass er das voll und ganz ernst meint.
Regisseur José Mojica Marins spielt wieder selbst die Hauptrolle. Diesmal gibt er nicht den De Sadeschen Klabautermann Coffin Joe, sondern eine - nunja - Erlöserfigur namens eben "Finis Hominis". Nach dem Prolog läuft Finis Hominis minutenlang nackt durch die Straßen und heilt ein paar Kranke am Wegesrand. Male frontal nudity gibt es - wenigstens in der unlängst veröffentlichen DVD-Version bei der Gelegenheit nicht. Dann hat er plötzlich orientalisch anmutende Seidengewänder an und einen Turban auf dem Kopf. Und wird zur Mediensensation, weil er Tote wiederbeleben kann und noch einiges mehr. In der Mitte des Films steht eine ekstatische und ekstatisch gefilmte Hippie-Orgie, die Meister Marins aber eiskalt beendet, indem er Goldmünzen in Richtung der Feiernden wirft.
Fünf-, sechs-, siebenmal setzt der Film ganz neu an, entwirft mal kleinere, mal größere, meistens absurde und gelegentlich völlig sinnbefreite Szenarien, in die dann irgendwann Marins als Finis Hominis hineinmarschiert und die Sache ins Reine bringt. Oder einfach nur Unsinn erzählt. Mal ist das ein einfacher Familienstreit, mal ein verhältnismäßig elaboriertes Trash-Melodram, in dessen Zentrum eine Frau steht, die beim Orgasmus weint und diese Tatsache bei der Beerdigung ihres Ehemanns einzusetzen weiß. Man findet schlicht und einfach keine Korrelation zwischen Zwecken und Mittel, zwischen Form und Inhalt, zwischen Narration und Exzess, die dieses textuelle Ungetüm bändigen könnte.
Marins' Coffin-Joe-Filme sind bei allem Eigensinn doch noch irgendwie in der Gothic-Horror-Tradition verankert. Finis Hominis nun ist eine komplett freischwebende Vision, eine ganz private, dezidiert nicht kunsthistorisch integrierte Surrealismus-Variante. Gesehen haben sollte man das schon. Die DVD steht im Videodrom.

Saturday, May 15, 2010

Musica

Was das italienische Kino der rauhbeinigeren Sorte immer wieder auszeichnet, ist nicht zuletzt sein Sound. Einmal das scheppernde Mono, die nachsynchronisierten Dialoge, die auf fast symbolische Zeichenhaftigkeit reduzierte Geräuschkulisse. Dann aber auch die Musik. Die ist immer wieder eben gerade nicht dazu geeignet, "den Zustand der Hörer und virtuell alle Beziehungen zwischen den Menschen als spontan, improvisatorisch, unmittelbar menschlich erscheinen zu lassen." (Adorno / Eisler)
Das gilt selbst für den trögen Dudel-Funk in Lenzis Incubo sulla città contamina, der sich pornosoundtrackmäßig verselbständigt, wenn das Gemetzel einsetzt. Erst recht aber in I ragazzi di massacro: analytischer Krawall, Punktierung, Synkopierung eines einzigen soziopolitischen Erregungszustands. Oder in La classe operaia va in paradiso: Ennio Morricone bläst und trommelt zu der Revolution, die in den Bildern eben gerade noch nicht enthalten ist. Und vor allem in Vacanze per un massacro: Luis Enríquez Bacalovs (ist der eigentlich öfter SO gut? Oder wenigstens manchmal?) Score ist eine einzige Unangepasstheit, ein symphonischer Größenwahn mit elektronischen Einsprengseln, der den schon für sich selbst rabiaten Film noch einmal ganz grundsätzlich überformt.

Friday, May 14, 2010

Hill Street Blues 1.2

Toll der Vorspann, die Fahrt des Polizeiwagens in die Stadt hinein, unterbrochen von animierten Portraits. Begeisterung verfliegt trotzdem erst teilweise, kommt dann teilweise (aber nicht ganz) wieder zurück. Beschränkung des Ansatzes wird sichtbar, was wahrscheinlich unvermeidbar ist, aber gerade in den ersten Minuten sehr ernüchtert. Nicht zuletzt eine Personalie: Lt. Howard Hunter, der in der Pilotfolge so etwas wie der politische Kristallisationspunkt im Cast war, ist nur noch für den comic relief zuständig. Hoffentlich bleibt das nicht so. (Ja, ich weiß: Man darf das genre absurd nennen, eine Serie, die fast dreißig Jahre alt ist, so zu besprechen, als rezipiere man sie parallel zur Erstausstrahlung. Aber vielleicht hat man nur in solchen Absurditäten die Möglichkeit, dem unerbittlichen und unerbittlich ökonomischen Zeitdiktat des Mediums und der Wirklichkeit zu entkommen. Und wenn man irgendwo entkommen kann, dann im Internet, im Blog.) Die spezielle liberale Urbanität, auf die die Serie paradoxerweise aus der Polizeiperspektive abzielt, bedarf eines reaktionären Gegenpols, der zwar überzeichnet, nicht aber völlig der Lächerlichkeit preisgegeben werden darf. Presidential Fever wagt in dieser Hinsicht weniger, tendiert außerdem stärker in Richtung Soap und führt einige überflüssige Nebenfiguren ein.
Die zweite Episode, wieder inszeniert von Robert Butler, setzt noch stärker das Polizeiquartier als eine alternative gesellschaftliche Totalität. Sie bedarf kaum noch eines außen, nur eine kurze Szene spielt auf den Straßen, fast der gesamte Rest im Quartier. Erst mit dem Nachhall der gesamten Folge im Rücken verlässt der Chef seinen Posten und betritt den Parkplatz des Reviers.
Fernsehen funktioniert vielleicht schon nicht mehr pädagogisch, aber kann sich immerhin noch als Pädagogik allegorisieren: Die Cops laden die Gangchefs ins Revier ein und handeln einen Deal aus. Faire Methoden gegen Zurückhaltung während des Präsidentenbesuchs. Naheliegende Kinoallusion diesmal angesichts der schrillen Kostümierungen der Gangmitglieder: Walter Hills The Warriors. In diesem Fall bekommt dem Fernsehen der Vergleich schlecht:

Thursday, May 13, 2010

Hill Street Blues 1.1

Gleich die erste Einstellung zeigt das Polizeirevier als multi-ethnische community, die lässig die Anweisungen des Vorgesetzten eher kommentiert, denn befolgt. Die gesamte Episode atmet den Geist der Siebziger Jahre (auch auf dem Soundtrack), "community policing", subkulturaffine Schönlinge gegen reaktionäre Rambo-Cops. Was die Serie von neueren Genrebeiträgen unterschiedet, ist etwas grundsätzlicheres: Die community ist noch da. Kaum fahren die Polizisten in die Straßen Chicagos (dort wurde die erste Folge gedreht, später wechselte die Produktion nach LA, innerdiegetisch bleibt der Handlungsort namenlos), müssen sie schon crowd control betreiben. Was aber nicht immer von Anfang an schon funktioniert, weil die Kamera dem, was auf den Straßen los ist, viel Aufmerksamkeit schenkt. Es gibt noch ein Vertrauen darauf, dass am Ende alle im selben Boot sitzen und dass auch moderne Massen- und Mediendemokratien noch etwas mit Egalität zu tun haben können.
Natürlich gibt es auch Momente von supreme liberal cheesiness: vor allem die Szene, in der ein schwarzer Polizist einer schwarzen Familie die family rules beibringt. Regel Nummer 1: Papa vergreift sich nicht an der Stieftochter. Nummer 2: Stieftochter läuft nicht nackt vor Papa rum. Nummer 3: Mama lässt Papa wieder öfter ran. Ein Familientherapeut der allerbesten Sorte ist in the hood. Aber gleich darauf macht die Serie wieder ernst. Das Polizeiauto ist weg, der weiße Partner des Reformpädagogen prollt auf der Straße so lange rum, bis die beiden sich von unfreundlichen Anwohnern unheilsverkündend beäugt sehen.
Im Zentrum der Folge steht eine Geiselnahme in einem Lebensmittelgeschäft. Auch hier wieder community approach gegen martialischen Waffeneinsatz. Spätestens im Finale wird klar, warum die Serie als eines der Gründungswerke des cinematic television gilt. Apokalyptische Hubschrauberaufnahmen, rasante Montage, unreine Einstellungen, viel von New Hollywood steckt hier noch mit drin. Die gesamte Situation erinnert sicherlich nicht ganz zufällig an Dog Day Afternoon. Und zumindest einige Einstellungen zitieren Lumet fast eins zu eins:

Tuesday, May 11, 2010

Valley of the Zombies, Philip Ford, 1946

Auch am Rand des klassischen Studiosystems war in den Vierziger Jahren jede Menge handwerkliche Kompetenz versammelt, selbst billige poverty-row-Horrorstreifen waren noch eher Flektionen des großen Starkinos denn parallele Sleaze-Kinematografien. Diesen Republic-programmer hat John Fords Neffe Philip inszeniert, von dem im Titel versprochenen Zombie-Tal ist nichts zu sehen, der ist einer einzigen Dialogzeile entlehnt. Es gibt einen vereinzelten Zombie, aber auch der macht sich zwischendrin lange rar. Robert Livingston und Lorna Gray sind ihm auf der Spur, letztere ist großartig schlagfertig und stellt mit ihren punktgenauen Erwiderungen Livingstons Machismen locker in den Schatten. Sie hat immer einen Spruch parat und gibt einfach keine Ruhe. Ansonsten ist der Film angenehm naiv, ungemein atmosphärisch (auch wenn das in der miserablen Version, die mir zur Verfügung steht, nur zu erahnen ist) und nicht ganz eine Stunde lang. Ziemlich genau in der Mitte findet sich die einzige stilistische Extravaganz: Die Leinwand wird schwarz, dann erscheint, noch weit entfernt Lorna Grays Gesicht, isoliert von ihrem Körper und der Umgebung, aus dem Off redet eine Stimme auf sie ein, die Kamera zoomt langsam an es heran, das Gesicht scheint sich das mechanische Auge zunächst vom Leib halten zu wollen, dann findet es Gefallen an dessen ungeteilter Aufmerksamkeit:

Tuesday, May 04, 2010

Johnny Apollo, Henry Hathaway, 1940

Ein weiterer sehr schöner früher Hathaway, ein Noir avant la lettre. Die Action ist weniger dynamisch als in den Abenteuerfilmen, dafür sehr hart, konfrontativ, Gesicht auf Asphalt, Schuhe auf Finger. Viele Gitterstäbe, Gitterstäbe, die ihren Ursprung im Gefängnis haben, die sich aber als Schattenmuster, Treppengeländer etc im gesamten Film einnisten.
Edward Arnold und Tyrone Power sind ein großartiges Vater-Sohn-Paar. Arnold, der Vater, hat es durch harte Arbeit nach oben geschafft, ein blue-collar-Mann, der in der Finanzwelt angekommen ist (diese Finanzwelt selbst taucht genau in einer Einstellung auf, in der zweiten des Films: Broker, soweit das Auge reicht, Lärm und durch die Luft fliegende Aktienpakete; da kann nichts Gutes bei rauskommen; jede Menge Weltwirtschaftskrisenparanoia steckt selbst noch in diesem Film aus dem Jahr 1940) und dort zwar betrügt, aber auf geradlinige, handfeste Art und Weise. Der es auch völlig selbstverständlich findet, dass er schließlich für den Betrug ins Gefängnis muss. Ein massiger Mann, der im Gefängnis wieder ganz emphatisch zum Arbeiter wird. Ein schweißgebadeter Arbeiter am Metallgerät, handfester geht's nicht:

Direkt darauf: Schnitt auf den Sohn, schon dessen eingedrehte Körperhaltung zeigt, erst recht im Vergleich zur frontalen Präsenz des Vaters, dass hier etwas nicht stimmt.

Tyrone Power ist white collar, Geld der zweiten Generation. Und er findet nie so recht ein Verhältnis zu dem, was er tut, ob er nun rudert oder Köpfe gegen den Asphalt hämmert. Die imdb-Kommentare beschweren sich, dass man Powers weichen Gesichtsügen den Mobster, der er bald darauf werden wird, nicht abnimmt. Eher könnte man sagen, dass er ein wenig zu selbstreflexiv ist, bei allem was er tut. Ihm fehlt die Geradlinigkeit seines Vaters, die Fähigkeit, Räume, soziale Situationen und Menschen als reine Potentiale zu sehen, die man instrumentalisieren kann - und zwar jeweils situationsgebunden. Der Sohn verstrickt sich bei seinem Versuch, den Vater aus dem Gefängnis zu befreien, schon gleich am Anfang im Netz der Gangster. Die Kriminalität nicht als Mittel zum Zweck, sondern als Melodrama in Nachtclubs und auf Pferderennbahnen. Die Situation überfordert ihn. Ein Blick von Dorothy Lamour genügt. Dabei wird die Beziehung der beiden nie allzu sinnlich. Es ist nicht so, dass ihn die Femme Fatale in den Abgrund reißen würde, sie ist nur Teil eines komplexen Netzwerks, in dem er lediglich ein weiteres Element wird. Sein Weltbezug bleibt unsicher, er versteht es nicht, von der konkreten Situation aufs Allgemeine zu abstrahieren. Hathaway, der immer zuerst Filme über Individuen im starken Sinne dreht und der sich konsequent weigert, seine Figuren zu bloßen Platzhaltern in einer Drehbuchökonomie (eben diese Drehbuchökonomie kommt immer erst nach den Individuen) zu degradieren, interessiert sich auch für diese, ganz spezielle, eher negativ definierte Art von Eigensinn.
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Und noch einmal Weltwirtschaftskrise: Dorothy Lamour tanzt und singt in zerfetzten Kleidern für Nickels and Dimes.

Saturday, May 01, 2010

Yes Minister, Season 1

Nach fünf Episoden kann ich mich doch zumindest ein wenig anfreunden mit der Serie. Der Minister ist nicht mehr immer und automatisch die traurige Pointe jedes Scherzes, er schlägt zurück und bringt eine etwas weniger lineare Machtdynamik in Gang. Und es wird auch tatsächlich ab und an echter demokratietheoretischer (aber eben immer nur: theoretischer) Diskurs geführt; nach den ersten drei Staffeln kam es mir schon so vor, als sei die Serie eine einzige - noch dazu, was die Sache besonders perfide machen würde, vom Staatsfernsehen produzierte - Veralberung des Repräsentationsgedankens bei gleichzeitiger Versicherung, dass eigentlich doch alles ganz ok sei so wie es ist. Dem ist glücklicherweise doch nicht so. Dennoch habe ich meine Probleme mit der Serie. Klar, auch weil ich nun mal ein The West Wing-Fan bin.
Im direkten Vergleich mit Sorkins Meisterwerk stört mich vor allem, dass Yes Minister nicht mit offenen Karten spielt, wenn es um konkrete politische Standpunkte geht. Sicherlich geht es der Serie auch darum, das "Ministry of Administrative Affairs" im Besonderen und die Regierungsorgane Großbritanniens im Allgemeinen als eine Struktur zu zeigen, deren Eigengesetzlichkeiten sie von den wirklichen Problemstellungen weitgehend isolieren. Aber dennoch müsste man doch irgendwie zeigen, wie das eine mit dem dem anderen eben durchaus etwas zu tun hat; wie die Isolationsmechanismen funktionieren, was auf der Strecke bleibt und was vielleicht auch nicht. Genau dieser Nexus, um den es in The West Wing fast in jeder einzelnen Folge geht, bleibt in Yes Minister völlig unterbestimmt. Und das hängt mit Sicherheit nicht nur, wahrscheinlich nicht einmal in erster Linie, mit den jeweils verschiedenen institutionellen Strukturen bzw den unterschiedlichen Definitionen von Öffentlichkeit in Großbritannien und den USA zusammen.
Nein, das sind zuerst ästhetische Entscheidungen der Serien selbst: Yes Minister blendet beispielsweise die Pressearbeit des Ministeriums völlig aus, ebenso wie alle anderen Strukturen, die mit der Außenwelt zwangsläufig in Kontakt bleiben. Es ist eine bewusste Entscheidung der Serie, politisches Handeln auf die visuellen Codes und sozialen Interaktionen der Geheimdiplomatie des 19. Jahrhunderts zu reduzieren.
Diese Konstruktion ist einerseits ein Problem an sich. Andererseits auch deshalb, weil sie es der Serie erlaubt, von den politischen Inhalten selbst zu abstrahieren. Die Serie macht es sich einfach: Für sie ist ein aufmüpfiger afrikanischer Putschist, der sich mit Affronts gegen die Briten, die ehemaligen Kolonialherren, profilieren will, genauso ein bloßes Verwaltungsproblem - beziehungsweise Spielmaterial im in seinem Innersten zutiefst undemokratischen Machtpoker - wie die Forderung nach "open government" oder der Kampf gegen einen europaweiten Personalausweis. Stellung muss nicht bezogen werden, nicht in der Serie und deshalb auch nicht im Publikum. Yes Minister mag in mancher Hinsicht ein realistischeres Bild der Tagespolitik in moderne, bürokratielastigen Demokratien zeichnen als The West Wing. Das Modell von Öffentlichkeit aber, das die Serie entwirft, ist dem Sorkinschen in jeder Hinsicht unterlegen.