Eine Herbstgeschichte: die Hongkongisierung von New York (von einem ganz unbedingt prä-Giuliani-New York, genauer gesagt). Chow Yun Fat und Cherie Chung machen Manhattans Chinatown nicht einfach nur sich selbst zu eigen, sie tragen es in die Landkarte des Hongkongkinos ein. Wenn sie über die Straßen New Yorks eher tanzen und schweben als gehen, scheinen sie zu sagen: ab jetzt weht hier ein anderer Wind, ab jetzt ist das alles Spielmaterial. Es ist eine Kunst, Studioaufnahmen so aussehen zu lassen, als seien sie an Originalschauplätzen entstanden. Eine noch viel tollere und viel filmischere Kunst ist es, über Originalschauplätze so zu verfügen wie über ein Studioset. Und die vielleicht größte Kunst, die An Autumn's Tale mit unfassbarer Leichtigkeit zelebriert, besteht darin, den Unterschied zwischen beidem zu eliminieren, aber nicht durch Mimikry, sondern vermittels einer euphorischen Irrealisierung, die schon damit beginnt, dass zwei der größten asiatischen Filmstars der Zeit prekäre Existenzen zu simulieren haben, und sich in diese Aufgabe mit einem Elan stürzen, der jeden Obszönitätsvorwurf sofort entkräftet.
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Friday, March 24, 2017
Friday, June 17, 2016
Okuni to Gohei, Mikio Naruse, 1952
Ein Film über lockende, flirrende Töne, die einen des Nachts heimsuchen. Fast noch könnte man sie, wenn man sie nebenbei hört, mit Naturgeräuschen verwechseln, und vielleicht kommt man deshalb auf den Gedanken, dass das Glück, von dem sie zu kunden scheinen, einem auch tatsächlich zusteht, gegen alle gesellschaftlichen Wahrscheinlichkeiten. Der Sehnsucht, der diese Töne einerseits entsprechen und die sie andererseits hervorrufen, kann Okuni (Michiyo Kogure) nicht nachgeben, nicht mehr, zumindest. Einmal, früh im Film, zeigt eine Rückblende, wie sie sich eines Nachts von ihrem Bett erhebt und den Klängen folgt, die ihr Geliebter Tomonojo auf seinem Shakuhachi erzeugt. Sie eilt durch eine der schönen, pittoresken, durchaus offensiv artifiziellen Studiokulissen, in denen ein großer Teil des stets bewußt gestalteten Films spielt, kann Tomonojo, mit dem sie, das wird am Ende explizit, ein sexuelles Verhältnis hatte, aber nur einen Abschiedsbrief überreichen.
Der Brief macht Tomonojo zum Mörder: Er bringt den Mann um, den Okuni statt ihm heiratet. Daraufhin wird Okuni vermittels eines weiteren Briefs aufgetragen, ihrerseits Tomonojo zu töten, gemeinsam mit Gohei, einem Untergebenen des Toten. Die Schrift verurteilt, die Menschen sind die widerwilligen Henker.
Okuni und Gohei sehen sich in einem vorläufigen, nie so recht harmonischen Bündnis geeint. Die Bewegungen, die Blicke, selbst die Dialoge sind selten synchron. Beide misstrauen einander und verkennen sich. Okuni sieht in Gohei einen schlechten, schwächlichen Ersatz für den mörderischen Geliebten, Gohei in Okuni eine Verkörperung seines Meisters, der allerdings das Geschlecht gewechselt hat, was ihn in Verwirrung stürzt. In ihrem Begehren blockiert durch einen lebenden Mörder und dessen Opfer durchstreifen sie das Land. Aus der Ferne klingt, erst gelegentlich, dann immer öfter, und bald nicht mehr wirklich aus der Ferne, sondern schon fast zum Greifen nah, und nicht mehr länger nur nachts, sondern auch am hellichten Tage, ein Shakuhachi. Dass nicht beide sofort erkennen, dass die Situation sich längst umgedreht hat, weil nicht sie Tomonojo verfolgen, sondern Tomonojo sich an ihre Fersen geheftet hat, ist nach psychologischen Maßstäben Unfug; es passt aber wunderbar sowohl zur perversen Anlage des Films, als auch zu Okuni und Gohei, die sich beide derart hoffnungslos in den Abgründen ihres Begehrens verlaufen haben, dass sie den Wald vor lauter Studiobäumen nicht mehr sehen.
Wieviel Land auch durchmessen wird im Verlauf des Films, im Kern entfaltet er sich ins Innere seiner Figuren hinein, produziert psychologische Kurzschlüsse. Besonders deutlich wird das in einer langen, umwerfenden Passage nach ungefähr zwei Dritteln des Films: Okuni wird krank, zieht sich in ihr Bett, hinter ihr Moskitonetz zurück. Der Kopf ruht auf einer hölzernen Stütze, die ihr Antlitz im Bild isoliert. Gohei pflegt sie, und geht in dieser Tätigkeit weit mehr auf als in der Jagd nach Tomonojo. Gerade das sie trennende Moskitonetz scheint ein notwendiges Medium ihrer Liebe zu sein. Erst jetzt erkennen sie sich.
Der Brief macht Tomonojo zum Mörder: Er bringt den Mann um, den Okuni statt ihm heiratet. Daraufhin wird Okuni vermittels eines weiteren Briefs aufgetragen, ihrerseits Tomonojo zu töten, gemeinsam mit Gohei, einem Untergebenen des Toten. Die Schrift verurteilt, die Menschen sind die widerwilligen Henker.
Okuni und Gohei sehen sich in einem vorläufigen, nie so recht harmonischen Bündnis geeint. Die Bewegungen, die Blicke, selbst die Dialoge sind selten synchron. Beide misstrauen einander und verkennen sich. Okuni sieht in Gohei einen schlechten, schwächlichen Ersatz für den mörderischen Geliebten, Gohei in Okuni eine Verkörperung seines Meisters, der allerdings das Geschlecht gewechselt hat, was ihn in Verwirrung stürzt. In ihrem Begehren blockiert durch einen lebenden Mörder und dessen Opfer durchstreifen sie das Land. Aus der Ferne klingt, erst gelegentlich, dann immer öfter, und bald nicht mehr wirklich aus der Ferne, sondern schon fast zum Greifen nah, und nicht mehr länger nur nachts, sondern auch am hellichten Tage, ein Shakuhachi. Dass nicht beide sofort erkennen, dass die Situation sich längst umgedreht hat, weil nicht sie Tomonojo verfolgen, sondern Tomonojo sich an ihre Fersen geheftet hat, ist nach psychologischen Maßstäben Unfug; es passt aber wunderbar sowohl zur perversen Anlage des Films, als auch zu Okuni und Gohei, die sich beide derart hoffnungslos in den Abgründen ihres Begehrens verlaufen haben, dass sie den Wald vor lauter Studiobäumen nicht mehr sehen.
Wieviel Land auch durchmessen wird im Verlauf des Films, im Kern entfaltet er sich ins Innere seiner Figuren hinein, produziert psychologische Kurzschlüsse. Besonders deutlich wird das in einer langen, umwerfenden Passage nach ungefähr zwei Dritteln des Films: Okuni wird krank, zieht sich in ihr Bett, hinter ihr Moskitonetz zurück. Der Kopf ruht auf einer hölzernen Stütze, die ihr Antlitz im Bild isoliert. Gohei pflegt sie, und geht in dieser Tätigkeit weit mehr auf als in der Jagd nach Tomonojo. Gerade das sie trennende Moskitonetz scheint ein notwendiges Medium ihrer Liebe zu sein. Erst jetzt erkennen sie sich.
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Okuni to Gohei
Friday, October 26, 2012
They All Laughed, Peter Bogdanovich, 1981 (American Eighties 24)
Toll ist, wie der Film sich mit den Figuren durch die Straßen bewegt und wie er sie dabei beobachtet, wie sie andere Figuren beobachten, wie sich erotische Konstallationen zusammenfügen, wie sie umgebaut werden, wie sie sich wieder auflösen. Wie sich da Blicke und Bewegungen aneinander- und wieder entkoppeln, wie da in der ersten Filmhälfte großartig instabile Situationen entstehen, zum Beispiel während einer Einkaufstour von John Ritter (der ist sowieso toll) und Colleen Camp (die auch), während der die beiden sich einer anderen Gruppe anschließen, auf die beide ein erotisches Interesse richten, das nicht so ganz kanalisiert werden kann.
Toll ist auch noch die erste erfolgreiche Kontaktaufnahme Ritters mit Dorothy Stratten (die ist leider nicht so toll): auf der Rollerskatebahn, eine Slapsticknummer, die sich plötzlich in ein romantisches Zweierportrait übersetzt, das sehr eindeutig auf das klassische Hollywoodkino verweist. Das ist eine sehr schöne Form von filmhistorischer knowingness, dezidiert prä-Tarantino, eine liebevolle Instrumentalisierung von Filmgeschichte als einem utopischen Raum nur ganz knapp (nur einen Schnitt) neben dem Leben. Ganz ganz toll ist in diesem Zusammenhang natürlich auch, was der Film mit Audrey Hepburn macht.
Weniger toll ist leider, wie sich in der zweiten Filmhälfte die gesamte Konstellation verhärtet, wie da eine neue Ökonomie des Begehrens etabliert wird. Das Problem sind nicht die Paarbildungen: einige Paare bilden sich, einige andere Paare bilden sich gerade nicht. Die anfangs befreiten Blicke und Bewegungen sind in beiden Fällen auf ähnliche Weise gefesselt, entmachtet worden. Jede Figur, jede Figurenkonstellation ist alsbald durchdefiniert, wiederholt nur noch dieselben Muster. Besonders deutlich im Fall der Taxifahrerin, die am Anfang des Films das Freigeistige schlechthin zu verkörpern scheint und die dann doch demselben zyklischen Prinzip unterworfen wird wie alle anderen Figuren des Films. Der Film wechselt sozusagen die Perspektive, von Innen, von einer zumindest halbnahen Position (der der indirekten Rede Pasolinis vielleicht?) nach Außen, zu einem panoramischen Gesellschaftsportrait, das etwas Bedrückendes an sich hat, gerade weil es selbst glaubt, das Portrait einer befreiten Gesellschaft zu sein.
Toll ist auch noch die erste erfolgreiche Kontaktaufnahme Ritters mit Dorothy Stratten (die ist leider nicht so toll): auf der Rollerskatebahn, eine Slapsticknummer, die sich plötzlich in ein romantisches Zweierportrait übersetzt, das sehr eindeutig auf das klassische Hollywoodkino verweist. Das ist eine sehr schöne Form von filmhistorischer knowingness, dezidiert prä-Tarantino, eine liebevolle Instrumentalisierung von Filmgeschichte als einem utopischen Raum nur ganz knapp (nur einen Schnitt) neben dem Leben. Ganz ganz toll ist in diesem Zusammenhang natürlich auch, was der Film mit Audrey Hepburn macht.
Weniger toll ist leider, wie sich in der zweiten Filmhälfte die gesamte Konstellation verhärtet, wie da eine neue Ökonomie des Begehrens etabliert wird. Das Problem sind nicht die Paarbildungen: einige Paare bilden sich, einige andere Paare bilden sich gerade nicht. Die anfangs befreiten Blicke und Bewegungen sind in beiden Fällen auf ähnliche Weise gefesselt, entmachtet worden. Jede Figur, jede Figurenkonstellation ist alsbald durchdefiniert, wiederholt nur noch dieselben Muster. Besonders deutlich im Fall der Taxifahrerin, die am Anfang des Films das Freigeistige schlechthin zu verkörpern scheint und die dann doch demselben zyklischen Prinzip unterworfen wird wie alle anderen Figuren des Films. Der Film wechselt sozusagen die Perspektive, von Innen, von einer zumindest halbnahen Position (der der indirekten Rede Pasolinis vielleicht?) nach Außen, zu einem panoramischen Gesellschaftsportrait, das etwas Bedrückendes an sich hat, gerade weil es selbst glaubt, das Portrait einer befreiten Gesellschaft zu sein.
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Wednesday, July 25, 2012
A Moment of Romance, Benny Chan, 1990
Johnny To hin, Cheang Pou-Soi und Dante Lam her: was fehlt im gegenwärtigen Hongkongkino, das sind Synthie-Fanfaren schon über dem Logo der Produktionsfirma; das sind Neonlichter, die die Figuren umschmeicheln, die Paare zusammenführen, anstatt den Einzelnen von der Welt und der Stadt zu entfremden; das sind minutenlange Cantopopmontagen, die direkten Zugriff haben auf die Gefühlswelten aller Figuren; das sind Zeitlupen, die nichts Zerquältes an sich haben, die nichts mehr leisten wollen als ein wenig Intensivierung, die jubilatorisch sind, aber die dann auch wieder vorbei gehen, die dem, was folgt (und es folgt immer etwas) nicht im Weg stehen; das sind Tonlagen- und Genrewechsel im Minutentakt, die auf eine Reichtum an Referenz, auf Welthaltigkeit, auf ein Verlangen nach einer möglichst breiten Spannbreite an Erfahrung und Emotion zurückzuführen sind und nicht (ausschließlich) auf smart kalkulierte Mitnahmeeffekte oder postmodernes mashing; das sind Nebenfiguren wie der trottelige Gangster, der gleichzeitig Autos wäscht, die ganze Zeit aufs Maul bekommt und der dennoch einen Rest Würde behalten darf, weil er eben selbstverständlicher Teil dieser Welt ist; das sind liebevolle Schnitte wie der vom harmlosen Streich, den die Hauptfiguren eben dieser Nebenfigur spielen auf das komische, beknackte Spiel, das alle drei anschließend gemeinsam spielen und das darin zu bestehen scheint, dass sie sich Papierkugeln in den Mund werfen; das sind Bilder wie dieses:
oder wie dieses:
oder wie dieses:

das sind Filmenden wie dieses:
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Monday, May 28, 2012
Cameroon Love Letter (For Solo Piano), Khavn de la Cruz, 2010
Zwei Liebesbriefe: ein geschriebener, weiblicher, nicht-westlicher, in rhythmisch über das Bild verteilten Textclustern, ein gesprochener, männlicher, westlicher, eine tiefe, traurige, gleichförmige Stimme, fast wie ein Gebet; anders als der weibliche Brief (der dafür auf die Bilder selbst übergreifen darf) erhält der männliche auch einen Körper, oder vielleicht eher ein "Körperangebot": Gertjan Zuilhof - ein programmer des International Film Festival Rotterdam, ohne das Khavn wohl kaum eine internationale Karriere hätte beginnen können - fährt durch afrikanische Straßen, sitzt in afrikanischen Cafes, fotografiert akrikanische Häuser und Menschen. Erst wechseln sich die Briefe einander ab, gegen Ende überlappen sie sich gelegentlich. Dieses Überlappen ist aber schon die einzige Art von "Reaktion", die die beiden eingehen.
Man kann sich nicht einmal sicher sein, ob die zu Ende gegangene Beziehung, der der männliche Brief hinterhertrauert und die der weibliche Brief nun als wechselseitigen Selbstbetrug-von-Anfang-an zu durchschauen meint, in irgendeinem Sinn aufeinander bezogen sind; im Grunde spricht dafür nur die Konstellation, die Texte selbst geben nicht allzu viele Hinweise. Die Texte scheinen gefangen in Klischees, schön sind sie nicht für sich selbst, in ihren Bildern, sondern in ihrem Kampf gegen die eigene Tendenz zur Phrase.
Khavns Filme (zumindest seine guten Filme; Mondomanila zum Beispiel orientiert sich in Richtung Spielfilm und scheitert eher kläglich) sind stets zuerst Konstellationen: Verschaltungen von zwei, drei, vier unterschiedlichen Materialien, die sich an ihren Rändern eher gegeneinander verhärten, als dass sie sich verunreinigen lassen. In diesem Sinne ist Khavn der einzige unter den neuen philippinischen Regisseuren, der tatsächlich so etwas ähnliches wie post-Cinema macht. Im Grunde arbeitet er installativ, nur, dass er seine Installationen stur phasenverschoben verzeitlicht. Weder sieht man beides (alles drei etc) gleichzeitig (wie in der klassischen Installation), noch das eine im anderen (wie im klassischen Kino). Wie in einem Zug, in dem man erst durch die eine, dann durch die andere Landschaft fährt, ohne dass man die Geschwindigkeit bestimmen könnte (wie im Auto) und ohne, dass man einen Überblick hätte (wie im Flugzeug; meistens sieht man da allerdings nur Wolken, vielleicht gefallen mir deshalb installative Arbeiten nur sehr selten).
Cameroon Love Letter (For Solo Piano) ist eine seiner schönsten Installationen: eine ergreifende, mehrfach asymmetrische Liebesgeschichte, die vielleicht nie eine war, tritt in Kontakt mit melancholischen Klavierklängen und dokumentarischen Aufnahmen aus Kamerun. Besonders eindrücklich: eine ausführlich gezeigte Beschneidung. Fast der gesamte Film ist in "verwischten" Zeitlupeaufnahmen gehalten und oft bläulich, seltener orange eingefärbt; distanzierte, subjektiv vermittelte Aufnahmen, die zwischendurch immer wieder in ein objektiveres, dokumentarisches Blicksystem umgeleitet werden. Wie die Briefe sind auch die Bilder gefangen in vorgefertigten Strukturen; nicht in Afrikakitsch, sondern in Khavns formalistischer Überformung, gegen die sich dann immer wieder einzelne Bilder durchsetzen, so wie sich der kleine Vogel den der Kamera entgegengestreckten Kinderhänden entwindet und in die Freiheit fliegt.
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