The Sparrow ist reines Bewegungskino: Der Plot ist kein Plot im Sinne von ausformulierten Charakteren mit in der sozialen Wirklichkeit verankerten Zielen und ihren Schwierigkeiten, diese zu beseitigen, sondern eine abstrakte Figurenkonstellation, die von To mal auf die eine, mal auf die andere Art verknüpft und kurz angestoßen wird: Hier ein Windhauch, der den Luftballon in die falsche Richtung weht (die beste Luftballonszene findet allerdings innerhalb eines Fahrstuhls statt), da ein als Frau gekleideter Gangster, der Simon Yam in die falsche Gasse lockt: Eine Bewegungskaskade bringt die nächste hervor, alle zehn Minuten werden die Karten neu gemischt: Nächste Versuchsanordnung, diesmal alle mit Verband.
Leicht komödiantisch und stark fetischisiert kommt alles daher, was To in The Sparrow präsentiert. Doch selbst die Frau-mit-Zigarette Nummer im Cabrio samt Weichzeichner und Lippenstiftspuren auf der Zigarette (ein Film gegen das Rauchverbot, genau wie Hong Sang-soos neues Masterpiece Night and Day) ist nicht aufdringlich. Vor allem der jazzige, beschwingte Soundtrack verhindert ein allzu rührseliges Schwelgen im Melokitschzitat des klassischen Hollywood-, beziehungsweise Frühneunziger-Hongkongkinos. In The Sparrow ersetzt Musik Sprache, Rhythmus wird Ausdruck. Der Film ist über weite Strecken dialogfrei, Sprache ist wenn überhaupt comic relief, die Bilder selbst könnten fast vollständig auf sie verzichten.
The Sparrow ist Johnny To at his most formalistic. Quasiabstraktes Kino in Hochglanzbildern und in einer echten Stadt, die wieder mal so eindeutig und unverkennbar Hongkong ist, wie nicht einmal New York in New-York-Filmen New York ist. Um so verwunderlicher bei aller Abstraktion und scheinbarer Selbstgenügsamkeit, dass der Mac Guffin kein Mac Guffin ist, sondern ein ganz realer Reisepass, der über Lebensglück oder -elend einer ganz realen Frau entscheidet, die von einem ganz realen dirty old man ausgebeutet wird.
Natürlich ist The Sparrow, ein im Kontext von Tos Gesamtwerk eher kleiner, im Kontext der Berlinale jedoch fast übermenschlich großer Streifen, dadurch noch lange kein politischer Film (im Sinne von Rosis Lucky Luciano meinetwegen). Aber er ist eben auch kein "politischer Film". Und hat deshalb nicht die geringste Chance auf den goldenen Bären (noch geringfügig weniger sogar als der beste neue Film des Festivals, Hong Sang-soos oben erwähnter Night and Day).
2 comments:
Ach, ich hätte so gerne den Film gesehen, den Du und Thomas da gesehen haben. Mich hat die Musik vom ersten Ton an in ihrer Überdeutlichkeit genervt. (Ein bisschen so wie das lautmalerische Quietschen und Hupen in Stummfilmuntermalungen. Ein bisschen nur, klar, aber für mich viel zu viel.)Die Luftballonszene im Fahrstuhl fand ich klamaukig im schlechten Sinne, und allzu oft sah ich die von Dir schön beschriebene Absicht, während für mein Gefühl die Ausführung immer mindestens eine Spur zu, ja, das Wort ist eben doch: aufdringlich geriet. Es ist traurig, denn den Film, den Du beschreibst, hätte ich geliebt, wäre er da nur auch für mich zu sehen gewesen.
Hm, ich habe den Film schon sehr beschwingt betreten und war dann auch von der ersten bis zur letzten Minute begeistert. Möglich, dass ich dem Film in weniger beschwingtem Zustand das eine oder andere nicht hätte durchgehen lassen.
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