Monday, November 14, 2005

Staroye i novoye, Sergej Eisenstein, 1929

Sein vierter Langfilm zeigt Eisenstein auf der Höhe seines Könnens, alle Hebel werden zur rechten Zeit umgelegt, jede einzelne Einstellung definiert sich einzig aus dem Zusammenhang des ganzen Films. Die Brillanz und Geschmeidigkeit, mit welcher der Regisseur hier zu Werke geht, ist wirklich unglaublich. Das Bildrepertoire, welches er benutzt ist im Vergleich zu seinen vorhergehenden Werken noch ausgebaut und vor allem feingeschliffen worden.
Besonders anzumerken ist, dass an Eisenstein ein großer Tierfilmer verloren gegangen ist. in Staroye i novoye dient seine Beschäftigung mit Kühen, Lämmern etc natürlich einem ideologischen Zweck (Vertilgung der letzten Rückstände des idealistischen Humanismus: das tierische Antlitz eignet sich zur emotionalen Bearbeitung des Publikums mindestens genauso gut wie das menschliche), eindrucksvoll ist sie allemal (auch wenn eine Sequenz fast die Grenze zum Tierporno überschreitet). Die Kreatur ist aus ihrem Objektdasein befreit und kommt - zumindest ansatzweise - zu ihrem eigenen Recht. Um so irritierender wirkt dann die Schlachthausszene.
Und spätestens hier liegt der Grund dafür, dass Eisenstein letzten Endes auf ganzer Linie gescheitert ist. Die nach industriellen Prinzipien organisierte Farm ähnelt aus heutiger Perspektive einem mechanistischen Alptraum, die an Franjus Schlachthaus gemahnende Szene verdeutlicht dies nur noch einmal. Wie schade, dass Eisenstein sein Genie an ein unwürdiges System und an platt vor sich hin predigende Filme verschenkt hat. Immer wieder scheint, hier wie in seinen anderen Werken, die Möglichkeit auf, aus dem rigiden Korsett des orthodoxen Marxismus auszubrechen, scheint der Weg frei zu werden für Filme, die eine offenere und ehrlichere Beziehung zu den Dingen und Menschen vor der Kamera, doch andauernd greift er in endlosen, ständig in sich selbst zurückfallenden Montagesequenzen auf seine eigene Theorie zurück, schafft es nicht, dem selbst angelegten Kerker zu entkommen.
Nachtrag Jahre später: auch das hier ist nicht unbedingt superreflektiert. Aber ein nettes Museumsstück

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