Wednesday, December 28, 2016

Fliegen

Flugreisen individuieren die Menschen. Für die Dauer des Fluges werden sie aus Gruppenzusammenhängen, insbesondere aus selbstgewählten, herausgerissen, indem ihnen Sitzplätze zugewiesen werden. Jedem nur einer und dieser eine nur diesem einen. Auch Gruppenzusammenhänge, die noch auf den Wartebänken vor dem Gate unzerstörbar erscheinen, weil sie sich mit identisch bedruckten Gruppen-T-Shirts abdichten (kalfatern), haben keine Chance. Im Flugzeug gilt: eine Person, ein Sitzplatz. Pärchen können die Armlehne hochklappen und Köpfe auf Schultern legen, aber in der speziellen sozialen Situation, die das Flugzeugregime hervorbringt, weisen solche Gesten eher auf das hin, was beide trotz allem voneinander trennt.

Die Individuierung ist wechselseitig und egalitär, weil sie automatisch und mehr oder weniger bruchlos von allen Beteiligten an allen anderen Beteiligten erfahren wird. Es gibt keine Differenzen, höchstens die zwischen erster, mittlerer und letzter Reihe. Aber die sind nebensächlich, da man normalerweise nicht nur einmal fliegt und sich deshalb in die anderen Sitzpositionen einfühlen kann. Außerdem funktioniert die Individuierung kaum über jene körperlichen und modischen Attribute, die bei Begegnungen mit Unbekannten auf der Straße fast zwangsläufig leitend sind. Man sieht schließlich kaum etwas voneinander. Das gilt natürlich nicht für (unbekannte) Nebensitzer, aber die sind dann wieder so nah, dass man (oder jedenfalls: dass ich) ihnen für die Dauer des Flugs einen Sonderstatus in der eigenen Intimsphäre zugestehen muss, der sie gleich wieder (als Intimwesen) auslöscht.

Alle anderen sind zumeist nur Hinterköpfe, oder höchstens vage Umrisse, die sich beim Essen kurz vorbeugen, ein weiteres Getränk verlangen, zur Toilette eilen. Und doch sind das plötzlich alles ganze, autonome Wesen, mehr meinesgleichen als Fremde das für gewöhnlich sind.

Wednesday, December 21, 2016

intellectual counterfeit money (gegen Essayfilme 1)

Was nervt: Essayfilm-Voice-over, die jeden zweiten Satz mit "he wrote", "you say", "I began to notice" oder Vergleichbarem beginnen, damit aber nicht auf die notwendige Nichtobjektivität von Sprache verweisen, sondern lediglich den Versuch unternehmen, mangelnde gedankliche Genauigkeit hinter Gesten billiger, weil faktisch folgenloser Reflexivität verbergen. Immer, wenn man einen derartigen Satz in einem Essayfilm hört, sollte man sich fragen: Was genau wird dem Gedanken durch die Markierung hinzugefügt, dass er von jemand anderem, oder auch von einem selbst geschrieben, gesagt, erarbeitet usw worden ist.

Eine Sprachkritik am Essayfilm könnte von einer ganz besonders ärgerlichen Hohlformel ausgehen, die pseudoreflexive Relativierung mit einer maximal vagen Kausalitätsbehauptung verknüpft: "But I guess that's how it works".

Tuesday, December 06, 2016

Young and Dangerous 4, Andrew Lau, 1997

Hard to see 20 years later why these films had a bad reputation in some quarters. Today they feel as alive, sprawling and stylish as the best of golden age Hongkong cinema. A quirky prolongation rather than the sad end of the heroic bloodshed tradition.

This one isn't as good a genre film as part 2 or 3. It takes at least one step too many in soap opera territory, the plot lacks clear internal motivation, and there isn't a standout action set piece like the street brawl in part 3. But as a pre-takover-paranoia film it is even more interesting than its predecessors. Not only in the openly political allusions in the end during the election, but even more so in the more subtle hints towards cultural division especially during the classroom scenes.

A continuing problem of the series is even more obvious this time: the series doesn't really know what to do with ekin chen's charakter. Here, he basically has nothing to do at all, but because he's the star, he still has to be squeezed into every third scene or so. Which is a shame, because while he isn't a good actor, his borderline queer style adds a shade of masculinity seldom seen in this kind of films.

His sex scene with Michelle Reis is great, though. Her face on a rose-emroidered pillow, her hand slowly extending towards his tattooed back, her eyes veering left and right while he lies upon her, the rather uncanny physicality combined at odds with the pictorial beauty of the scene.

(Andrew Lau's work is really amazing throughout the series, both as director and as cinematographer. I really have to catch up on his vast filmography.)