Saturday, August 06, 2005

Padre Padrone, Paolo und Vittorio Taviani, 1977

Die entwicklungsromanartige Geschichte des Films ist mir eigentlich (wie die meisten Entwicklungsromane im Kino) unsympathisch. Menschliche Entwicklung wird rückblickend auf Schlüsselerlebnisse reduziert und schon hat man eine 1A Subjektbildung mit linearer Progression. Der Spielfilm ist für dieses Thema das falsche Medium, da er keine Überlagerungen zeigen kann und deshalb konventionelle Vorstellungen von Sozialisation zementiert. In diesem Fall die Sozialisation eines gefühlvollen Bauernjungen in Opposition zu seinem brutalen, ungebildeten Vater, der intellektuelle Dünkel ist stellenweise schwer zu ertragen.
Trotzdem ist Padre Padrone ein wunderschöner Film. Das sizilianische Landleben ist sehr unmittelbar erfahrbar, nicht durch bloßen Realismus, sondern aufgrund von vielschichtigen Bild- und Tonmontagen, die synergetische Effekte erzeugen. Vor allem der Anfang des Films evoziert eine extrem komplexe, echte Welt, als deren Beobachter man gerne länger verweilen würde. Dabei verzichten die Tavianis auf jede Idyllisierung. Das Sizilien von Padre padrone ist ein grausames Land, die Olivenbäume und Ziegen sind nicht romantisch sondern rufen Aggression hervor. Gleichzeitig jedoch zeigen die Tavianis die Prägung, die alle Menschen durch ihre Umwelt, vor allem die konkret stoffliche, in der sie aufwachsen erfahren.
So bleiben nach dem Verlassen des Kinos einige Bilder von schier unglaublicher Intensität, eine Hirtenunterkunft, die Strassen eines italienischen Dorfes, Bilder, die in mir vor allem Sehnsucht auslösen und die Erkenntniss, dass ich dringend mal wieder raus muss aus Berlin, und sei es nur für ein paar Wochen.

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