Monday, October 30, 2006

Borat: Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan, Larry Charles, 2006

Nach der Berliner Preview des Borat-Streifens (jetzt scheint sich zusätzlich ein Bruno-Film anzukündigen...) war ich eigentlich der Überzeugung, dass sich die politischen Auseinandersetzungen um das Werk nach dessen Kenntnissnahme bald in Luft auflösen. Inzwischen bin ich diesbezüglich weit weniger sicher, die Diskussionen finden sich unter anderem bei Christian zusammengefasst.
Nun bin ich selbst in diesen Fragen nicht unbedingt auf Seiten der Cohen-Fans, zumindest kann ich durchaus verstehen, wenn das Zentrum für Antiziganismusforschung oder auch stinknormale Kasachen von dem Streifen nicht allzu angetan sind. Diese Gruppen befinden sich nunmal ganz real in einer extrem peripheren Position, sei es politisch-ökonomisch oder ganz allgemein kulturell. Und wenn beispielsweise Zigeuner, die seit Generationen mit Rassismus der übelsten Sorte konfrontiert werden (und selbst heute keine nennenswerte Lobby besitzen, was man an dem geringen Medienecho des Protests ablesen kann) nicht von der Medienmaschinerie - für welche Zwecke auch immer - instrumentalisiert werden wollen, ist das zumindest zu respektieren. Diesen Leuten dann Nachhilfeunterricht in Humorverständnis oder ähnliches zu geben, ist doch eher ekelhaft, vor allem wenn man selbst westeuropäischer white male Heterosexual ist und eine ähnlich periphere Position am eigenen Leibe höchstens spüren kann, wenn man sich der falschen Jugendbewegung anschließt oder den falschen Fußballverein unterstützt. Naja, verboten werden soll der Film natürlich auf keinen Fall, eigentlich ist er aus meiner Perspektive auch ziehmlich großartig, aber halt nur aus meiner, aus anderen vielleicht doch eher eine besonders perfide Abart der Minstrel-Shows.
Aber grundsätzlich erwarte ich dennoch, dass die Proteste nach dem tatsächlichen Filmstart doch bald nachlassen. Denn der Borat-Film entzieht Kritikern jeglicher Coleur - außer vielleicht den Untergang-des-Abendlandes-Propheten, die sich in so mancher Sequenz schröcklich erregen dürften - geschickt die Argumentationsgrundlage. Die Szenen in "Kasachstan" sind in der Tat dermaßen überzogen, dass ein Imageschaden des Landes wohl kaum zu befürchten steht (wobei man eventuell fragen könnte, warum Cohen seinem Fantasieland nicht gleich einen Fantasienamen gibt) die antisemitischen und antiziganistischen Klischees denunzieren sich praktisch automatisch und selbst die Amerikakritik fällt differenzierter aus, alsman es a) von Michael Moore gewöhnt ist und b) nach dem Trailer erwarten konnte. Natürlich gibt es einige Sequenzen, die eine eindeutige Schlagrichtung erkennen lassen - vor allem in der Rodeoarena, aber auch im Van oder in der vielleicht zweitbizarrsten Szene des Films in der von extatischen Mittelklassengläubigen mit Intelligent-Design-Affinität und ohne Rhythmusgefühl besetzten Kirche, ansonsten hält sich der Film diesbezüglich deutlich zurück, näheres bei Thomas, auch in den Kommentaren.
Vor allem funktioniert die Entpolitisierung jedoch auf stilistischer Ebene. Cohens Humor ist nicht nur anarchisch, sondern, was meiner Meinung nach mindestens genauso wichtig ist, handwerklich auf hohem Niveau. Cohen entstammt nicht umsonst dem britischen Fernsehen, Weltmarktführer in dieser Disziplin zumindest in qualitativer Hinsicht und kennt sich in Sachen Timing, Running Gags, Fallhöhe und ähnlichem bestens aus. In vieler Hinsicht geht Borat mit dem Roadmovie ähnlich um, wie das großartige Viva La Bam seinerzeit mit der guten alten Soap Opera. Sowohl Magera als auch Cohen codieren alte dramaturgische Muster radikal um. Viva La Bam vermählt die Familienserie mit Jackass, Borat altbekannte Strickmuster mit einer zeitgemäßen Verion des Verstehen sie Spass-Prinzips. Ganz an die Knoxville-Magera Liga kommt Cohen allerdings immer noch nicht heran (obwohl der Fortschritt seit Ali G in da House unverkennbar ist). Die Distanz zwischen Figur und der realen Person, im Falle der Magera-Familie schlichtweg nicht mehr vorhanden, bleibt immer noch etwas zu sehr im Vordergrund, gerade in einigen der besonders deutlich gescripteten Episoden, wie etwa in der Herberge des jüdischen Ehepaares. Aus diesem Grund erwarte ich mir hiervon dann insgesamt doch noch etwas mehr als vom natürlich dennoch ziehmlich grandiosen Borat.

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