Sunday, May 20, 2007

Pura sangre, Luis Ospina, 1982

Ein düsterer, knallharter, analytischer Anti-Horrorfilm aus Kolumbien: Nicht im entfernstesten ähnelte Ospinas letzten Endes weniger gesellschaftskritisch im üblichen Sinne sondern schlichtweg nihilistisches Werk dem, was die wunderbare Reihe "Schräge Filme" ihrem Publikum ansonsten vorsetzt: wunderbar spekulatives, blutrünstiges anarchisches Exploitationkino, alles zwischen Bahnhofskino-Trash der übleren Sorte und vergessenen Perlen (fast) vergessener Auteurs (Rollin, Castle etc).
Pura sangre erscheint wie die Antithese dieses Kinos: Ospina verweigert sich in fast unheimlicher Weise jeglicher Form dramaturgischer Überhöhung seiner Geschichte. Die Stilisierung beschränkt sich auf hypnotisch-dumpfe Synthieklänge auf der Tonspur, die zur deprimierenden Wirkung des Ganzen einen guten Teil beitragen. Ansonsten dominiert eine Art theatraler Naturalismus, hölzernes Schauspiel vor authentischer Ghettokulisse, teilweise extrem langsamer Plot- und damit einhergehend kompletter Verzicht auf Spannungsaufbau jedweder Art. Die Story des Films bietet Stoff sowohl für einen Politthriller, als auch für einen Horrorfilm im Serienkiller-, bzw. Vampirregister. Entstanden ist jedoch ein semidokumentarisches Nicht-Drama, das die soziale Realität Kolumbiens eben nicht allegorisch zu transformieren versucht. Statt dessen scheint Ospina an einem politischen Manifest der um einiges direkteren Art gelegen zu sein. Und doch ist dem Film die Hoffnungslosigkeit seines Versuchs in jedem Moment eingeschrieben. Spätestens wenn am Ende des Films im kolumbianischen Fernsehen der angeblich historische "Vampir" vorgeführt wird und alle Taten gesteht (auch die, die der Film eindeutig anderen zuschreibt) ist endgültig alles zusammengebrochen: Nicht nur die kolumbianische Gesellschaft, sondern auch der Glaube an die Fähigkeit des Films, zumindest deren Niedergang einzufangen.
Überhaupt das Fernsehen: Videobänder spielen eine wichtige Rolle in Pura Sangre, eine Rolle allerdings, die genauer zu definieren nicht immer möglich ist: Was hat in so einem Film Johnny Guitar zu suchen? Und was hat Citizen Cane mit kolumbianischen Ärztecomics (?) zu tun? Viele Elemente des Films bleiben verschlossen, unergründbar. Mir scheint, dass dies nicht nur mit meinem geografischen, sozialen und historischen Abstand zu tun hat.
Besonders irritierend das Schauspiel und die Dialoge: Von den Charakteren ist auch nicht nur ein einziger annähernd als Identifikationsfigur brauchbar, keine einzige Figur wehrt sich auch nur für einen Moment gegen den unerbittlichen Mechanismus des Plots, der mit mechanischer Präzision ein Menschenleben nach dem anderen kostet (tatsächlich lässt sich der Plot nicht besser beschreiben als auf diese Weise: Eine Menschenvernichtungsmaschine). Mit meist unbewegter Mine gehen sie ihrem blutigen Geschäft nach und unterhalten sich dabei über Gott und die Welt oder reißen auch mal schlechte Witze über ihr Treiben.
Gerade wegen des Verzichts auf Spannungsbögen ist Pura Sangre einer der effektivsten Filme, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Die eindrücklichste Szene findet im Anschluss an eine Nacht statt, in der die Protagonisten einige Homosexuelle mit Drogen vollpumpen, umgebringen und anschließend vergewaltigen. Am nächsten Morgen kehren Ospinas Helden heim und führen mit ihren Familien die alltäglichsten Gespräche, die man sich vorstellen kann, inszeniert mit derselben eiskalten Indifferenz, die den gesamten Film prägt.

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