Friday, April 09, 2010

Nevada Smith, Henry Hathaway, 1966

Die eindrucksvollste Szene in Henry Hathaways sonderbaren, faszinierenden Rachewestern Nevada Smith steht fast am Anfang. (Paradoxerweise ist das Hathaway-Kino, das es immer in zu viele Richtungen gleichzeitig zu ziehen scheint und dem etwas antiklassisch Sprunghaftes eigen ist, immer dann am stärksten, wenn es sich eines engen, genau definierten Handlungsraums annimmt.) Steve McQueen gibt allen physiognomischen Wahrscheinlichkeiten zum Trotz einen Halbindianer (das Halbblut im späten Western, oft sehr krude Personifizierung des schlechten Mainstream-Gewissens, siehe auch Michael Winners Chato's Land), dem die ihm zur Aufsicht anvertrauten Pferde von drei Dieben gestohlen werden. Die Diebe machen sich daraufhin auf zu seinen Eltern, die in einer Mine Gold abbauen. Die insgesamt fast neunminütige Szene spielt hauptsächlich zwischen der Mine und der Hütte seiner Eltern und entfaltet sich über eine Schuss / Gegenschuss-Struktur, die sich allerdings weniger an den Akteuren orientiert, als an der Struktur des Raums. Sie beginnt mit einem establishing shot.

Die Tür der Hütte ist hier noch geschlossen.

Nach einem grellen Schrei folgt ein Schnitt ins Innere der Hütte. Die drei Gangster haben Steve McQueens Eltern überfallen, Folter, Vergewaltigung der indianischen Mutter und Mord werden angedeutet. Dann kehrt der Film zu Nevada Smith zurück, der sich inzwischen ein Pferd organisiert hat und zu Hilfe eilt. Allerdings kommt er zu spät. Geframt ist die Einstellung, in der er dies erkennt, fast exakt wie oben. Hathaways Formalismus ist immer nur fast exakt, sein Korsett lässt Bewegungsspielraum. Die Tür der Hütte steht jetzt und für den Rest der Szene offen.

Die schwarz und unheilvoll gähnende Tür der Hütte ist einer von zwei visuellen Ankern der folgenden Szene. Der andere ist die ebenfalls schwarz gähnende Öffnung der Mine. Das eine schwarze Rechteck ist der Mord, das andere das Mordmotiv. Es gibt einige Ausnahmen, aber bestimmend sind exakte 180°-Schnitte. Hin und her, Mine und Hütte, Steve McQueen als eben ganz und gar nicht freier Agent dazwischen. Kaum Subjektivierung, zuerst ist der Raum da und erst dann Nevada Smith. Genauer gesagt zeigt die Szene eine Subjektwerdung - durch Feuer.
In einer Serie von Einstellungen nähert sich Steve McQueen dem Mord, hinter ihm der Mineneingang. Metonymisch verschoben bleibt der Mord im Bild, obwohl die Leichen nie zu sehen sind. Fest verankert bleibt das dunkle Rechteck neben McQueens hilflosem Körper. Der muss sich befreien, nicht vom elterlichen Blick, sondern vom Blick zweier Rechtecke. (Ein mütterliches und ein väterliches Rechteck?) In der letzten Einstellung ist er hoffnungslos zwischen beiden gefangen.




Dann stolpert er aus der Tür der Hütte, der Film springt wieder auf die andere Seite der bestimmenden Räumlichen Achse, die ziemlich genau durch beide Rechtecke hindurch führt.

Die Hände sind blutverschmiert, ein weiterer Verweis auf den Mord, diesmal als eine physikalische Spur. Die Leichen bleiben horse cadre.

Es folgt ein kleines Zwischenspiel am Wassertrog. Dann beginnt die Befreiung. McQueen legt Feuer, im einen Rechteck, das andere bleibt, im identischen Framing wie oben, im Hintergrund präsent.

Die Schuss / Gegenschuss-Struktur setzt sich fort, während das eine Rechteck und alles, was sich hinter ihm verbirgt, in Flammen aufgeht. Sie setzt sich so lange fort, bis nur noch Ascheberge übrig bleiben.





Steve McQueen schafft sich selbst die Bedingungen seiner eigenen Subjektwerdung, noch aber bleibt er in der räumlichen Logik der szenischen Auflösung gefangen. In der letzten Einstellung kündigt sich das Ende dieser Logik an. Schutt und Chaos dominieren, das Ende der Kindheit, der Blick von außen auf die eigene Verlorenheit in der Welt, die einen klein macht, wenn man nicht aufpasst. Steve McQueen wird in einen chaotischen Rachewesternplot entlassen. Als die Bekannten von der Ranch nebenan ankommen, ist die Achse bereits aufgebrochen.

Und hinter Steve McQueen öffnet sich eine noch undefinierte Weite.

3 comments:

Denis K. said...

Habe noch nie einen Film von Haddaway gesehen, werde aber aufgrund der letzten beiden Blogeinträge auf jeden Fall Ausschau halten. Die Screenshots hier sehen ziemlich klaustrophobisch aus (Nein, das liegt nicht an Ernie Borgnine)... Danke für die Tipps!

Denis K. said...

Baby don't hurt me, ich meinte natürlich "Hathaway" :)

Denis K. said...

Baby don't hurt me, ich meinte natürlich "Hathaway" :)