Saturday, October 30, 2010

Viennale 2010: Festival, Jean-Claude Rousseau, 2010

Das Filmfestival als Zauberwürfel. Eine Drehung weiter und eine neue Verbindungslinie wird sichbar: Festivalfilme über Filmfestivals. Guerins Guest kommuniziert einerseits mit The Forgotten Space, andererseits aber auch mit Jean-Claude Rousseaus Festival. Diesmal sind die Filme keine Antagonisten hinsichtlich ihres Bildkonzepts, sondern hinsichtlich der Blickrichtung (die Guerin wiederum mit Burch / Sekula teilt). Auch Rousseaus Film ist ausschließlich auf Filmfestivals entstanden, genauer gesagt auf unterschiedlichen Ausgaben des Torino Film Festivals und auch in Festival kommt das Festival selbst nicht vor. Der Regisseur strebt allerdings nicht nach der Aufhebung der eigenen Subjektivität im dokumentarischen Welt, sondern arbeitet an einer komplexen Selbstfiktionalisierung, die auf ihre Weise auch eine Aufhebung darstellt: Der Film spielt fast ausschließlich in anonymen Hotelzimmern, deren einziger Bewohner Rousseau selbst ist.
Eine denkbar spröde, aber nicht ganz humorlose Metafiktion (ich kenne keine anderen Filme Rousseaus - bis auf den kurzen Series noire - und muss das möglichst bald nachholen). Starre, flache Einstellungen, irritierende Ton / Bild-Scheren, Betonung des Rahmens und des hors cadre, das Schwarzbild als konstitutives Element einer sehr privaten Poetik. Das erste Zimmer ist mit einem anderen Raum (filmisch, nicht räumlich) verschaltet, in dem eine Frau mit einem Tonbandgerät sitzt und sich wiederum mit Rousseau... nicht unbedingt unterhält, aber zumindest mit ihm in Verbindung steht. Auf die Bitte, ihr zu schreiben, habe er geantwortet: "ich schreibe nicht" und hinzugefügt, dass er an die "Grafie" in der Cinematografie nicht glaube, dass also die Kamera kein Medium der Schrift sei. Oder so ähnlich. Und besonders viel geschrieben / kommuniziert wird im Folgenden tatsächlich nicht. Es gibt einige Straßenaufnahmen, die von Rousseau und einem anderen Mann kommentiert werden, einige Aufnahmen aus einem Kinosaal, in dem sich niemand befindet außer Rousseau, der einige Positionen ausprobiert, sich in einem Sessel niederlässt, wieder aufsteht, ein paar Reihen nach vorne geht, sich auf einen anderen Platz setzt, wieder aufsteht... Sonst: Bilder in Hotelzimmern, Blicke aus den Fenstern von Hotelzimmern (wobei die Zusammenhänge zwischen einzelnen Ausschnitten nur über die Montage entstehen und nie in einer Totalen oder einer Kamerabewegung, nicht einmal in räumlichen Überschneidungen verifiziert werden; ein konstruktivistisches Kino, aber im Straubschen Sinne: Die Integrität des einzelnen Bildes darf nicht durch andere Bilder gefährdet werden, auch deshalb vielleicht die Schwarzbilder als Stopper dazwischen). Fast zwanghafte Wiederholungen von Einstellungen und Einstellungsfolgen. Variationen und Serien: Die Frau auf dem Nachbarbalkon wird langsam abgelöst durch einen Mann, der einen langen, leeren Kontrollblick in Richtung Kamera wirft. Auf eine am Anfang angedeutete metafiktionale Pointe läuft das ganze nicht heraus. Sondern auf eine Gegenüberstellung: Das Fenster zur Welt gegen die harsche Linie des Schriftzugs auf weißem Papier. In der letzten Einstellung verrutscht das Papier, seine Kante wird sichtbar, der Rahmen des Filmbilds setzt sich ein weiteres Mal in sein Recht.

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