Vielen Dank an Philipp und Jürgen für die Einladung. Vorweg sei gesagt: Ich kenne den Film, den wir gleich gemeinsam sehen werden, auch noch nicht. Es war mir trotz einiger Bemühungen nicht möglich, eine DVD- oder VHS-Version von Tödliche Engel schlagen zurück aufzutreiben, weder in den Berliner Programmvideotheken, noch im Internet. Das heißt natürlich auch, dass sie gleich eine echte Rarität zu sehen bekommen werden. Hier also nur einige Vorbemerkungen allgemeinerer Natur, zuerst zu kinogeografischen Aspekten, dann zum Genre, mit dem wir es heute zu tun bekommen.
Der heutige Abend zeigt, wie bereits einige andere Veranstaltungen der Freunde des Schrägen Films, dass die Bahnhofskinos in Deutschland – und anderswo – zumindest auch „Weltkino“ waren. Dass da also nicht nur amerikanische und europäische Genrekost zu sehen war, sondern dass auch jede Menge Filme aus anderen Kulturkreisen aufgeführt wurden. Gerade heute, wo man schon froh sein muss, wenn alle paar Jahre wenigstens der neue Film Wong Kar-Wais einen regulären Kinostart erhält, lohnt es, sich daran zu erinnern, dass noch bis in die Achtziger Jahre japanische Yakuza-Thriller und Pinku Eigas oder Martial-Arts-Reißer aus Hongkong ganz selbstverständlich Teil der deutschen Kinolandschaft waren. Oder mexikanische Horrorfilme, denen hier bereits eine ganze Reihe gewidmet war; oder eben südostasiatische Dschungel-Exploitation, wie wir sie heute kennenlernen werden.
Natürlich wird man kaum behaupten können, dass derartige Filme ein authentisches Bild ihres jeweiligen Herkunftslandes vermitteln. Und natürlich schert sich auch die deutsche Synchronisation meist wenig um kulturelle Feinheiten, die betitelt einen Martial-Arts-Film auch schon mal „Der gelbe Teufel mit dem Superschlag“. Aber es bleibt doch bedenkenswert, dass man in den Siebziger und Achtziger Jahren im Kino sehr viel häufiger als heute Menschen sehen konnte, die anders aussahen als man selbst, oder Orte, die anders aussahen als die eigene Umgebung. Ich glaube, dem Kino geht einiges verloren, wenn es ganze Kontinente in Filmfestivalghettos sperrt.
Das südostasiatische Kino ist, dieser Vorgeschichte zum Trotz, für die europäische Filmgeschichtsschreibung noch weitgehend terra incognita. Und zwar schon deswegen, weil weite Teile des klassischen Kinos der Philippinen, Thailands oder eben Indonesiens aufgrund der schlechten, um nicht zu sagen, nicht existenten Archivlage in diesen Ländern, auf immer verloren sind. Dass das Kino ein zu bewahrendes Kulturgut ist, hatte sich auch hierzulande erst herumgesprochen, als die ersten Jahrzehnte Filmgeschichte bereits arg ausgedünnt waren. In Südostasien ist die Erkenntnis immer noch nicht angekommen, kaum ein Jahr vergeht, in dem nicht irgendein Lager mit historisch wertvollen Kopien „zufällig“ abbrennt, um nicht zu sagen, mutwillig zerstört wird, damit die jeweilige Produktionsfirma das Grundstück weiterverkaufen kann. Es würde mich nicht wundern, wenn auch die Originalfassung des Films, den wir heute sehen, bereits unwiederbringlich verloren ist.
Doch auch, wenn man heute nicht mehr allzu viel davon sehen kann, besaß Indonesien, wie seine Nachbarländer, von den Sechzigern bis in die Achtziger eine produktive und vielseitige Filmindustrie. In den Neunzigern gerieten alle Filmindustrien Südostasiens in eine schwere Krise, von der sich bis heute keine voll erholt hat. Indonesien hat es von allen am schlimmsten getroffen, im Jahr 2000 wurden im Land mit der weltweit viertgrößten Bevölkerungszahl lediglich sechs Kinofilme produziert. Erst in den letzten drei, vier Jahren hat sich die Situation wieder etwas verbessert. Ein Hoffnungsschimmer, gerade auch im Kontext dieser Reihe, ist zum Beispiel die Tatsache, dass Brian Yuzna, der vorher zuerst in den USA, dann in Spanien großartige Horrorfilme produziert und inszeniert hatte, sich inzwischen in Indonesien niedergelassen hat. Seine erste indonesische Regiearbeit, der Monsterfilm Amphibious 3D, wurde dieses Jahr fertig gestellt.
Zurück zum heutigen Abend. Was hat es nun mit Tödliche Engel schlagen zurück auf sich? Wie der Titel bereits andeutet, handelt es sich um ein Sequel. Wie gesagt war es mir nicht möglich, den Film selbst zu sichten, zwei andere Filme des Regisseurs Danu Umbara habe ich jedoch auftreiben können. Einer davon ist der Vorgänger mit dem Titel Five Deadly Angels. In diesem ersten Film kämpfen fünf junge Frauen gegen eine Horde Bösewichte. Mehr gibt es über die Handlung, auf die es wohl auch heute noch weniger als in anderen Filmen dieser Reihe ankommen wird, eigentlich nicht zu berichten. Ein ungeheuer kruder, aber extrem kurzweiliger Streifen ist das, in dem sich Autoverfolgungsjagden, Martial-Arts-Sequenzen, Musical-Einlagen, Slapstick-Humor und romantische Szenen fast im Minutentakt abwechseln. Ein anderer Umbara-Film namens Jungle Virgin Force ist sogar noch wilder. Auch da geht es um eine Gruppe kämpfender Frauen, die allerdings zu allem Überfluss auch noch übersinnliche Kräfte entwickeln und ihren Gegnern auch schon mal mit bloßen Händen die Eingeweide aus dem Leib reißen.
Über den Nachfolger findet man wenig Informationen. Ein wichtiger Unterschied ist sicherlich, dass von den fünf Engeln des ersten Films nur noch drei übrig geblieben sind. Wie im Vorgänger beginnt der Film als Rachegeschichte, aber es steht zu hoffen, dass daraus um einiges mehr wird, als nur ein weiterer Rape/Revenge-Film. Die Schauspielerinnen, die sie gleich zu sehen bekommen werden, sind übrigens große Stars in Indonesien, sie haben zahllose Preise gewonnen und spielen gewöhnlich in prestigeträchtigen Fernseh- und Kinoproduktionen. Das wirkt erst einmal so, als hätte Dorish Wishman die Hauptrolle ihres Meisterwerks Tödliche Brüste nicht mit Chesty Morgan, sondern mit Faye Dunaway besetzt. Schon das zeigt, dass man Genregrenzen nicht einfach von einem Kontinent in einen anderen übertragen kann.
Als Vorbild für die Tödlichen Engel-Filme wird immer wieder die Fernsehserie Charlie's Angels, auf deutsch Drei Engel für Charlie genannt. Sicherlich wollten die Produzenten von der Popularität dieser Serie profitieren, das zeigt schon der Titel. Mir scheint aber, dass andere Einflüsse mindestens genauso wichtig sind. Denn im Grunde hat ein reißerischer, rauhbeiniger Streifen wie „Five Deadly Angels“ mit den slicken, ironischen und ganz und gar jugendfreien Engeln Charlies wenig zu tun. Überhaupt war der handfeste Actionfilm im amerikanischen Kino, abgesehen von außergewöhnlichen Produktionen wie den Cleopatra-Jones-Filmen, noch bis in die Neunziger Jahre fest in männlicher Hand, wirklich geändert hat sich das, zumindest ist das mein Eindruck, erst mit Milla Jovovich und Angelina Jolie. Im asiatischen Kino dagegen, insbesondere in Filmen aus Japan und Hongkong, ist es schon seit den frühen Siebziger Jahren eine Selbstverständlichkeit, dass auch Frauen zum Actionhelden taugen. In Japan kann man da zum Beispiel an die Filmserien um Lady Snowblood und die Knastinsassin Sasori denken, aber auch an die hierzulande weniger bekannten Alley Cat Rock-Filme, in Hongkong an zahllose stylische Prügelfilme, erinnert sei hier nur an den Shaw-Brothers-Klassiker Intimate Confessions of a Chinese Courtesan.
Interessant sind derartige Filme auch deswegen, weil sie wenig Aufheben um das Geschlecht ihrer Heldinnen machen. Kein Westentaschenfeminismus, aber eben auch keine falsche Zurückhaltung. Frauen teilen aus und stecken ein, genau wie die Männer, ohne dass das aufwändig plausibilisiert werden müsste. Schon allein das ist einiges wert, finde ich. Der Film, den wir heute sehen werden, ist zwar aller Wahrscheinlichkeit nach nicht auf demselben handwerklichen und künstlerischen Niveau wie die Vorgänger aus Hongkong und Japan, aber wie ich Herrn Umbara kenne, wird er das fehlende Büdget mit dem puren Wahnwitz seiner Inszenierung spielend wettmachen.
Und damit möchte ich die Veranstaltung auch nicht mehr länger aufhalten. Jetzt also die tödlichen Engel, ich hoffe ja vor allem, dass sie auch in diesem Film wieder singen. Ich wünsche uns allen eine gute Projektion.
Gesungen haben die tödlichen Engel dann zwar nicht, ein schöner Film war's trotzdem. Und einen Song aus dem ersten Teil gibt es auf Youtube: