Wednesday, January 21, 2015

Abschied, Peter Lilienthal, 1966

Den Hemdkragen hat Max Haufler in seiner letzten Rolle vor seinem Selbstmord so eng zugeknöpft, dass sein voluminöser Nacken eine wulstige Falte wirft; die hat man am Anfang oft im Blick, weil der Film lange nicht viel mehr macht, als dem von Haufler als Kurt Klinkusch (dreimal k) bei diversen Besorgungen durch Berlin zu folgen. Man sieht ihn auch in der Wohnung, die er, wie man später erfährt, mit einer Frau, die er erst einige Jahre vorher kennengelernt hatte, gemeinsam beziehen wollte. Die Frau ist dann vorher gestorben. De Wohnung besteht aus drei engen, aber recht tiefen Räumen, fast schon horizontalen Schächten. Ein Handwerker macht sich in einem der Räume zu schaffen, will ein Waschbecken installieren. So eng ist es, dass man sich dann kaum an dem Ding vorbeiquetschen könnte. Ein Lebensraum ist das nun wirklich nicht.

Die Tote ist der Dreh- und Angelpunkt des Films, bleibt aber abwesend - bis auf eine rührende Montage von Fotografien, auf denen sie neben Klinkusch zu sehen ist, beim Kaffeetrinken, Spazierengehen... dann ein Schnitt auf den Sarg, der in das Grab gewuchtet wird. So originell ist die Grundidee nicht, aber es scheint eine Ausgangssituation zu sein, aus der man immer wieder etwas Neues machen kann; immer wieder neu kann man das anwesende Leben auf den abwesenden Tod beziehen. Zum Beispiel kann man den Sarg, in dem die Tote liegt, auf einen klaustrophobischen Bus beziehen, in den Kurt Klinkusch steigt: BVG-Terror vom Feinsten.

Es tauchen zur Beerdingung und zur anschließenden Trauerfeier auch Verwandte auf. Unter anderem eine Frau mittleren Alters (die Tochter, glaube ich), die in einer Szene früh im Film eine extrem fotogene Sonnenbrille trägt: In den ansonsten kontrastarmen Schwarzweißbildern wirkt dieses pechschwarze Assecoire wie ein harter Einschnitt, fast wie das Eindringen des Realen in ein bundesdeutsch-verstaubt Imaginäres.

"The Grave Diggers" heißt eine Beatkapelle (wirklich die richtige Bezeichnung, glaube ich); schön, dass Lilienthal deren Auftritt nicht mit dem O-Ton, sondern mit einem verspielten Popsong aus der Konserve unterlegt.

In Michael Ballhaus' Kameraarbeit kann man schon einiges erkennen von den späteren Fassbinder/Scorsese-Manierismen; freilich kann er noch nicht so viel mit Fahrten, muss mehr mit Zooms arbeiten. Die Bildsprache hat einen eigenartigen Hang zur Frontalität. Es ist nicht immer leicht zu entscheiden, ob die Gesichter sich den Kamerablicken aufdrängen, oder die Kamerablicke sich den Gesichtern aufdrängen. Jedenfalls gibt es eine aggressive Komplizenschaft von Stil und Darstellern, die den Film von seiner dokumentarischen Grundierung entfremdet. Je länger er dauert, desto entschiedener.

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