Thursday, June 15, 2017

Desire to Be a Bad Man, Tsutomu Tamura, 1960

Die einzige Regiearbeit Tsutomu Tamuras, der später die Drehbücher für einige der zentralen Oshima-Filme verfasste, und der 1960 gemeinsam mit Oshima, Shinoda und Yoshida von Shochiku zum Neue-Welle-Regisseur befördert wurde.

Ein stotternder junger Mann, der in einem Steinbruch anheuert und eine verfemte junge Frau, die Abfälle an einen Schweinezüchter verkauft. Nicht aus freiem Willen kommen die beiden Außenseiter zusammen, sondern, weil sie von ihrer Umgebung aufeinander ausgerichtet, einmal sogar direkt zum Beischlaf aufgefördert werden. Um die beiden herum eine Reihe weiterer Figuren, die meisten arbeiten im Steinbruch. Manche Beziehungen sind exakt ausformuliert (zumeist als Ausbeutungsverhältnisse), andere bleiben opak. Sex ist allgegenwärtig, aber im Hintergrund spielt auch Politik eine Rolle, im Untergrund (unter den Bildern) die Vergangenheit: beide Hauptfiguren werden für einen Mord verantwortlich gemacht, für den sie selbst freilich keine Verantwortung übernehmen wollen. Der Film lässt die Schuldfrage komplett offen.

Der Schweiß fließt in Strömen, oder besser: er perlt, er gerinnt zu schimmernden Tropfen, die auf der Haut kleben bleiben - eigentlich natürlich: die auf die Haut getupft sind, die die Haut in ein Medium des Kinos verwandeln, in eine Karte vielleicht (ganz ähnlich, btw, wie in den Yoshida-Filmen aus demselben Jahr - Schweiß-Ornamente als Studiosignatur). Perspirierende Gesichter in eng kadrierten schwarz-weiß-Cinemascope-frames, verbunden durch hektisch anmutende, aber exakt kalkulierte Wischblenden. Dazu ein filigraner Soundtrack: hypnotische, gezupfte Melodieansätze, zu denen gelegentlich, insbesondere in den Szenen, die die beiden Hauptfigur miteinander isolieren, ein beängstigend dröhnendes Elektrosummen hinzuaddiert wird. Es scheint, als würde dieses Summen direkt aus der Reibung der Körper aneinander, oder gar nur aus ihren vereinten Ausdünstungen sich ergeben.

Es geht nicht um die Beziehung zwischen Figuren, sondern um das Verhältnis von Körpern zueinander. Der Unterschied bezieht sich nicht nur auf Figur / Körper, sondern auch auf zwischen / zueinander: es gibt keine exakt definierten Zwischenräume in diesem Film, deshalb auch keine verlässliche Kommunikationsmedien. Die Körper reagieren aufeinander wie Stoffe in einem chemischen Experiment. Allerdings ist die Mischformel durcheinander, und das Experiment außer Kontrolle geraten. Die Anfangs noch halbwegs säuberlich anmutende Testreihe kollabiert.

Schuld daran trägt ein Geschwisterpaar: Ein junger, sonnenbebrillter "Diktator" und seine zynisch mit Männer- und manchmal auch Frauengefühlen spielende Schwester. Die beiden drängen sich - fast hat man den Eindruck: gegen den Willen des Drehbuchs - als Koprotagonisten in den Film. Ein Gott und eine Göttin des Chaos. Der Inzest bleibt freilich, wie die Vergangenheit, offscreen, er destabilisiert den Film von außen.

Der Ort, in dem der Film spielt, ist um den Steinbruch herum organisiert, ist von ihm regelrecht durchdrungen. Die Steinbruchbilder haben in diesem Film die Funktion, die in einigen anderen Filmen schäumenden Wellen zukommt: Kurze Einschübe sind das, die einerseits das zerrüttete Innenleben der Figuren symbolisieren; die sich aber andererseits, und das ist letztlich wichtiger, die Erzählun mit etwas in Verbindung setzen, das ihr Äußerlich bleibt und das vor allem eine rhythmisierende Funktion hat. Nur, dass der Rhythmus in diesem Fall nicht der eines strömenden Flusses ist, sondern der einer synkopierten Abfolge von Gesteinsexplosionen.

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