Friday, April 10, 2020

Gruß an G.

Das 41. Stück in Schumanns "Album für die Jugend" trägt den Namen "Nordisches Lied". Eine wunderbare Komposition: tief, erhaben dröhnend, soghaft, sowohl aggressiv als auch zurückgenommen spielbar. Oder in meinem Fall: bruchstückhaft, langsam, Passage für Passage. In seiner Gesamtheit überfordert es mich (als blutigen Anfänger), aber seine Schönheit lässt sich auch Takt für Takt entdecken.

Das "Album" selbst habe ich von meiner Mutter entliehen: ein altes, vielbenutztes Heft, ziemlich zerfleddert und hier und da komplett aus dem Leim gehend. In die Partituren einiger Stücke sind Fingersätze und gelegentlich auch Kommentare eingetragen. Das nordische Lied hat besonders viele Bleistifteintragungen abbekommen, darunter eine sozusagen vormusikalische. Schumann hat dem Stück, als einem von nur zwei, eine Widmung beigefügt: "(Gruß an G.)". Der Herausgeber des Bandes hat noch eine Präzision hinzugefügt: "[Niels W.Gade]". Dieser bereits doppelte, differentiell verklammerte Anmerkungsapparat ist nun noch einmal, von Hand, erweitert worden. Per Bleistift ist daneben in Druckschrift vermerkt: "Freund von Schumann". Darunter ist dann außerdem noch vermerkt worden: "*1817 - †1890 Kopenhagen".

Ich weiß nicht einmal, ob diese Zeilen von meiner Mutter stammen, das Schriftbild spricht nicht unbedingt dafür. Doch allein der Gedanke, dass sie in ihrer Jugend, als (da bin ich mir wiederum sicher) fleißige, gewissenhafte und talentierte Klavierschülerin, angesichts der Widmung die Neugier gepackt haben könnte, dass sie Nachforschungen angestellt haben und deren Ergebnisse dann, im freudigen Überschwang, in ihr Notenheft eingetragen haben könnte, rührt mich jedesmal, wenn ich Seite 56 des "Album für die Jugend" öffne.

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