Sunday, May 23, 2021

Man of Steel textdump

(original erschienen zum Kinostart)

Überdimensioniert ist schon der Prolog: Eine gute halbe Stunde nimmt sich der Film Zeit für ein sphärisch-buntes Vorspiel auf dem Planeten Krypton, dessen Herrscherdynastie in eine Krise geraten ist und vom autoritären General Zod (Michael Shannon) bedroht wird. Kurz vor dem intergalaktischen Showdown gelingt es dem alten Herrscher Jor-El (Russel Crowe), seinen neugeborenen Sohn in die Weiten des Alls zu befördern, mit Kurs auf den Planeten Erde. Andere Filme hätten daraus höchstens ein paar nette Grafiken für die Titelsequenz gemacht - Zack Snyders Man of Steel macht daraus einen kleinen Film im Film, eine hochdramatische Weltraumoper im Stil naiver Science-Fiction-Heftchen längst vergangener Jahrzehnte. Und wenn der Film dem Krypton-Baby schließlich doch auf die Erde folgt, trifft er ihn auf einem Fischerdampfer auf hoher See wieder, erwachsen, austrainiert, bärenstark und gleich im heldenhaften Einsatz: Eine Ölplattform kollabiert, droht zu explodieren, der bürgerlich Clark Kent gerufene Stahlmensch (diesmal verkörpert von Henry Cavill, der seine Sache ausgesprochen gut macht) wird in der Feuerbrunst zum lebendigen Stützpfeiler. Stahl ist legiertes Eisen; vielleicht formt sich die Materie, die einmal Superman werden wird, in diesem Moment.


Der Hollywood-Blockbuster der Gegenwart ist die kapitalintensivste Form des Filmschaffens in der Kinogeschichte: jedes Jahr entstehen dutzendweise Effektspektakel, die hunderte von Millionen Dollar verschlingen, im Grunde ist jedes einzelne ein eigenes, ausgewachsenes Wirtschaftsuntehmen. Nur sehr selten übersetzt sich der ökonomische Exzess in einen ästhetischen; ziemlich gezähmt wirken ausgerechnet die zuletzt besonders erfolgreichen Superheldenfilme: Da dreht man schon Filme über Typen, deren Kräfte über jedes menschliche Maß hinaus reichen und hat dafür auch noch den fettesten Geldbeutel aller Zeiten zur fast völlig freien Verfügung - heraus kommen dann doch wieder nur brav heruntererzählte, ironisch abgefederte Abenteuerfilmchen, die nicht nur vor ungeheuren Gefühlen, sondern komischerweise auch vor allzu knalligen Bildern zurückschrecken.


Zack Snyder dagegen, dessen immer schon außergewöhnliche Ambitionen sich zum ersten Mal zu einem wirklich großartigen Film fügen, knallt einem den Boden unter den Füßen weg. Schon deshalb passt es, dass man den ausgewachsenen Clark Kent nicht, wie in den zahllosen Comic- und Filmvorlagen, in einem Zeitungsbüro kennenlernt, sondern wellendurchschüttelt inmitten einer feindseligen Natur, was von Anfang an klar macht, dass es um die Erfahrung von Extremen geht. Passend dazu die dynamische, aber nie bloß hektische Handkamera, die den Bilderfluss nie zur Ruhe kommen lässt: Man of Steel legt auch dem Zuschauer keine Sicherheitsgurte an, wirft ihn hin und her in der Welt, hin zum Nordpol zum Beispiel, wo Superman dem Geheimnis seiner Herkunft auf die Spur kommt; wirft ihn vor und zurück in der Zeit (zurück in seine Kindheit nach Kansas zum Beispiel, wo er im amerikanischsten aller denkbaren Elternhäuser aufwuchs); konfrontiert ihn mit einer Supermensch gewordenen Wucht, für deren angemessene Wahrnehmung dem Normalmensch mindestens ein Organ zu fehlen scheint.


In älteren Versionen des Superman-Mythos ging es vor allem darum, dass der Held durch die Gegend fliegt, schnell natürlich, aber trotzdem fast relaxed; am jeweiligen Ziel angekommen konnte er dann seine Gegner mit ein paar Faustschlägen und der Unterstützung einiger harmloser Spezialeffekte ausschalten. Snyders Superman dagegen fliegt nicht, er schießt - sich selbst, als Waffe und Geschoss zugleich, knallt gegen seine Widersacher (vor allem gegen den sich bald ebenfalls auf der Erde einfindenden Zod), knallt durch immer abgehobenere Fantasywelten, knallt am Ende dann doch wieder das gute alte Chicago kurz und klein. Und zwar in einer Manier, die - ein naheliegender Vergleich, zumindest bezogen auf die zweite Filmhälfte - Michael Bay vor Neid erblassen lassen dürfte; dessen Materialschlachten bleiben stets noch einem fast altmodisch anmutenden Jahrmarktsgedanken verhaftet: Hauptsache grell, laut, schnell, von allem und für jeden etwas. Man of Steel dagegen ist ein genuin manischer Film, der von seiner Hauptfigur regelrecht besessen ist und der deshalb neben ihr nichts und niemanden bestehen lassen kann. Nicht Zor, nicht Chicago, die arme Louis Lane (Amy Adams), die bei aller Bemühung mit dem Objekt ihrer Begierde nicht im Geringsten Schritt halten kann, auch nur gerade noch so weit, dass es für einen ersten Kuss und fürs Verspechen auf ein Sequel reicht.


Der beste aller bisherigen amerikanischen Superheldenfilme findet endlich eine angemessene Form nicht nur für den Comic-Mythos, der ihm zugrunde liegt - sondern auch für die ökonomische Form des Blockbusters: wenn schon Geld in die Luft jagen, dann wenigstens so gründlich, dass man den impact der Explosion auch noch drei Galaxien entfernt mitbekommt.

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