Tuesday, September 13, 2005

Out 1: Spectre, Jacques Rivette, 1972

4 1/2 Stunden dauert Rivettes Meisterwerk und ist dabei keine Sekunde zu lang. 262 Minuten lang eröffnet sich ein Reigen aus Motiven, Personen, Ideen, Träumen und danach kann nichts bleiben wie es einmal war, soviel ist sicher.
Wenn Out 1: Spectre ein Thema hat, ist es wohl Sinnproduktion, bzw. die gleichzeitige Unmöglichkeit und Unvermeidbarkeit derselben. Die einzelnen Motive scheinen sich in den ersten zwei Dritteln des Films langsam zu größeren Mustern zu fügen, wobei die Fiktion den Zuschauer imitiert: wie dieser versuchen die Protagonisten (wie soll man sie sonst nennen?) ihre Umgebung zu strukturieren, wenn nicht zu erklären, so wenigstens zu dynamisieren. Doch selbst wenn dies gelingt, so nur für kurze Zeit, denn wie sich die Geheimbünde, Balzac-Zitate und Theaterproben untereinander und auf die Figuren beziehen, ist, wie das letzte Drittel des Films deutlich macht, eine Frage, die jeden Moment neu gestellt und jeweils unterschiedlich beantwortet werden muss. Nicht nur der improvisierte Produktionsverlauf des Films, auch seine narrative Struktur steht formalistischen Ansätzen diametral entgegen. Rivette erscheint als genaues Gegenstück der Kontrollregisseure von Eisenstein bis von Trier, konzentriert er sich doch auf die äußersten Ränder des Films, die zahlreichen Subtexte und Querverweise und lässt das Zentrum des Films offen nicht nur für seine Mitstreiter sondern auch für den Zuschauer. So lädt ausgerechnet dieser Film, der auf den ersten Blick so in sich selbst ruht wie kaum ein anderer , den Zuschauer zum Dialog ein. Er geht nicht auf dieses zu, sondern weicht zurück und fordert den Willigen auf, näherzutreten und einen der freien Plätze im Gefüge einzunehmen (und von diesen gibt es genug, personalisierte und nicht personalisierte).
Was bleibt nach dem Genuss dieses Meisterwerks? Zumindest zweierlei: erstens möchte ich die Hose der Erpresserin (cooler geht's nicht) und zweitens will ich irgendwann die 13-stündige Version sehen.

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