Saturday, February 17, 2007

Berlinale 2007: Rıza, Tayfun Pirselimoğlu, 2007

Soziale Entwurzelung, Sprachlosigkeit, Melancholie: Der türkische Autorenfilm scheint sich mit ähnlichen Themen zu beschäftigen wie seine westeuropäischen Pendants (nicht nur im Fall von Rıza und der Filme des türkischen Cannes-Auteurs Nuri Bilge Ceylan, sondern auch beispielsweise in dem des ausgezeichneten Melegin Düsüsü, der vor zwei Jahren im Forum lief). Auch die Form ist durchaus verlgeichbar, wie man an einer Einstellungsfolge wie nachstehender ablesen kann: Alter Mann sitzt auf einem Stuhl und starrt in die Leere / Alter Mann steht vor dem Spiegel und knöpft sich das Hemd zu / Alter Mann läuft – selbstverständlich sehr langsam – eine Treppe hinauf, setzt sich auf einen Stuhl, schaltet den Fernseher an / Türkisches Teleshopping.
Im Grunde ist Rıza vergleichsweise konventionell inszeniert. Blicke triggern mit schöner Regelmäßigkeit Point of View Shots, Gespräche werden in Schuss-Gegenschuss Sequenzen aufgelöst. Oft ist der Film auch entsetzlich langweilig. Wahrscheinlich ist ein Streifen wie Rıza innerhalb des Festival-Trubels, also tendenziell auch immer zwischen zwei anderen Filmen, die noch oder bereits so präsent sind, dass sie alles, was nicht laut genug schreit, überlagern, denkbar schlecht aufgehoben. In einem kleinen Programmkino in einer lauen Sommernacht könnte der Film aber durchaus einen ganz speziellen Reiz entfalten. Zumindest ein schwacher Abglanz desselben stellte sich bei mir jedoch auch während des Festivalscreenings ein.
Die Hauptfigur, nach der der Film benannt ist, ist auf den ersten Blick just another loser in his late fifties, wie es sie auf der Berlinale zu Dutzenden zu bewundern gibt (die türkische Variante dieses Antiheldentypus eignet sich jedoch noch weitaus weniger als Identifikationsfigur als vergleichbare Helden anderer Produktionen, so abgrundtief böse und unmoralisch wie Rıza sich darstellt), und entwickelt doch eine eigenartige Form von Präsenz. Genauer gesagt zeichnet sie sich in den entscheidenden Augenblicken durch eine seltsame Art von Nicht-Präsenz aus. Wenn Rıza im gleißenden Sonnenlicht Istanbuls die Straße überquert, scheinen die Umrisse seine weißen Hemdes sich tendenziell im Schimmern des Asphalts aufzulösen. Einen ähnlichen Entgrenzungsprozess vollzieht die Filmhandlung als Ganzes. Nachdem die Hauptfigur den Hammer auspackt, scheint der Plot, der anfangs kaum als solcher isolierbar ist, langsam Fahrt aufzunehmen, nur um sich im letzten Filmdrittel auf recht sonderbare Art und Weise wieder selbst aufzulösen und zwar durch eine Verschiebung in Richtung auf das türkische Fersehprogramm, auf Unterhaltungssendungen und Sportreportagen.

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