Tuesday, October 11, 2011

The Verdict, Sidney Lumet, 1982 (American Eighties 9)

Der Freudensprung eines ausgewachsenen Mannes aus bloßer Lust an "democracy in action", an einem der wenigen Momente, in denen das System durchlässig, die Handlungsmacht des Einzelnen sichtbar wird, ein Freudensprung, der sich dabei nicht ein bisschen falsch anfühlt, weil er nicht aus heiterem Himmel kommt, sondern lediglich ein kleiner Teil eines Lernprozesses ist, ein demokratie-euphorischer Überschuss sozusagen; so einen Freudensprung kann es vermutlich tatsächlich nur im amerikanischen Kino geben.



Vor dem Luftsprung hat der Mann, ein Anwalt, einen Zeugen in einem Prozess gegen zwei respektierte, aber kriminell schlampige Ärzte rekrutieren können. Der Zeuge ist ebenfalls Arzt, hat nicht viel Zeit und möchte sich mit dem Anwalt deswegen auf dem Weg aus dem Nachhauseweg, heraus aus dem Krankenhaus unterhalten. Es folgen mehrere Einstellungen, in denen die Kamera vor den beiden platziert ist, sie sprechen über den Fall, während sie sich auf großen Marmortreppen der Kamera nähern.
Ein toller Film, Regie Lumet, Buch Mamet, Kamera Bartkowiak, Hauptdarsteller Newman ein Courtroom-Thriller situiert in Boston, in fast noch aristokratischem Milieu, gegen das sich Underdogs und Rechtsstaatlichkeit natürlich erst recht durchsetzen müssen. Der Antagonist ist ein wohlgenährter katholischer Bischof wie aus einem Ränkestück des 19. Jahrhunderts. Ganz besonders toller ist der Schnitt auf die Geschworenen bei der Urteilsverkündung. Vorher wurden sie fast nur von schräg hinten oben gefilmt, die frontale Einstellung haben sie erst in dem Moment verdient, in dem sie beweisen, dass sie nicht Objekte der Manipulation, sondern demokratische Subjekte sind.
Super ist auch die Szene gleich nach dem Luftsprung, in der Newman, noch halb trunken von professionellem und staatsbürgerlichem Hochgefühl zum ersten Mal Charlotte Rampling sieht, in der Kneipe, in der er gleich in der ersten Einstellung Billard spielt. Er spricht sie an, während sie Zeitung liest und fragt: "Would You settle for a drink?" Sie blickt hoch, mustert ihn einen Moment und antwortet: "No, thank You". Rückblickend hätte man schon an dieser inszenierten Coolness erkennen können, dass sie eine Schlange ist, vielleicht sogar auch, dass sie am Ende nicht Schlange genug sein wird für diesen Newman. Aber Newman antwortet auf ihre Zurückweisung nur: "I had a good day today" und dreht sich beschwingt um.

2 comments:

Der Außenseiter said...

Die Unmöglichkeit ihrer Beziehung in der unterkühlten Welt des Films Newman/Rampling fand ich auch ganz groß. Vor allem im Nicht-Zueinanderkommen der letzten drei Einstellungen und dem Telefon als scheiterndes Objekt der Zusammenführung. Das Ende kann man sich dann selbst denken, wobei einen die Konsequenz des Films die Richtung sanft (Lumet eben) vorgibt. Leider schon viel zu lange her, dass ich ihn gesehen habe. Dachte sogar, er würde in New York spielen.

Lukas Foerster said...

Ein kleiner Teil des Films spielt auch in New York, da gibt es dann sofort eine ganz andere (viel amerikanischere) Stimmung. Das Ende ist wirklich großartig, das stimmt; das fast in den Abspann hineinhallende Telefonleuten...