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Was ist da im Dezember 2012 wieder auf mich eingestürzt, am letzten Tag, bevor ich, für Weihnachten und Neujahr, Berlin verlassen habe. Also kaum noch da war, nur noch raus wollte aus dieser im Winter oft so schwer erträglichen Stadt; und dann noch dieser Film. Sechs Stunden emotionale Knochenmühle in der philippinischen Provinz. Ich habe den Film dann auch noch "nichtlinear" gesehen, weil ich zuerst die falsche Disc ins Laufwerk gelegt habe. Und das tatsächlich erst beim Abspann bemerkt habe. Die Erfahrungsbrocken, aus denen Diaz seine Filme konstruiert, sind so weit entfernt von Regeldramaturgien, dass man da wenig Anhaltspunkte erhält. Meine Disc begann beim Schatzsuchen, zwei Männer im Schlamm, auf ein Erdloch einhackend, irgendwann aufeinander losgehend, dann raus aus dem Loch, eine Verfolgungsjagd über die wasserüberströmten Felder, dann beidseitige Resignation, ein Gespräch über Florentina Hubaldo und ihre Tochter, die beiden Figuren, entlang derer der Film sich entwickelt - und zwar ganz egal, wo man einsteigt, wo man ihn wieder verlässt. Hätte mich das Ende, die Stadt, die Lichter durch die Büsche, die Einsamkeit, die Großaufnahme, die Wiederaufnahme jahrzehntealten Leids, das Mitleid, das sich nicht an einen einzelnen Menschen, nicht an einen Gegenschuss heftet, sondern mich direkt fordert, hätte all das mich noch härter getroffen, wenn ich die ersten vier Stunden des Films nicht nachher, sondern, wie es gedacht war, vorher gesehen hätte? Vielleicht; vielleicht hätten mich aber dafür diese ersten vier Stunden, denen da schon diese wahnwitzige letzte halbe Stunde eingeschrieben war, nicht auf dieselbe Art mitgenommen.
Der eigentliche Anfang hat mich an Heremias erinnert, einen Film, der ebenso (vergleichsweise) geradlinig erzählt ist wie Florentina Hubaldo CTE: Wieder zunächst Straßen, umrandet von mannshohem Gebüsch (in das die Figuren wenig später flüchten werden), dann taucht jemand auf, ganz hinten, als Pixelwolke und man verfolgt seinen Weg nach vorne, die langsame Konstitution eines Individuums, das dann allerdings doch wieder aus dem Bild herausläuft und in der nächsten Totalen neu eingefangen, neu konstituiert werden muss. Zwei Ebenen hat der Film wie gesagt: Einmal Florentina Hubaldo, die von ihrem Vater gequält, geschlagen und prositutiert wird und von ihrem Großvater nicht beschützt werden kann, bis sie endlich erfolgreich das Weite sucht; dann ihre Tochter, die, Jahre später, in einem Landhaus (das sich, wie ich das verstanden habe, unweit des Hauses befindet, in dem einst ihre Mutter angekettet vor sich hin gelebt hatte) lebt, schwer krank, einige Abenteurer beherbergend, die einem Schatz auf der Spur sind, der genauso deutlich als pure Projektion, als Bild für die Hoffnungslosigkeit eines nicht nur im globalen Maßstab abgehängten Lebens, erkennbar ist wie das Gold, hinter dem einige traurige Figuren in Evolution of a Filipino Family hinterher jagen. Florentinas Haus ist zur Ruine geworden und eigentlich zu einem Spukhaus und genau bei dieser Ruine wird der Schatz vermutet. Das ist eine Konstellation, in der sich nicht viel bewegt - eigentlich bewegt sich nur Florentina. Diese eine Bewegung genügt dem Film, alle anderen Figuren sind stillgestellt, in ihren eigenen Obsessionen und Untiefen gefangen, blind, zwanghaft. Fast alle ziehen die falschen Schlüsse aus der Geschichte, die sie durchleiden. Umso wichtiger die eine, die den richtigen Schluss zieht, umso wichtiger Florentina.
Konsequenter noch als frühere Arbeiten ist Florentina Hubaldo CTE ein zeitbasierter Terrorfilm (der freilich, man muss es eigentlich gar nicht schreiben, nicht auf "Lektionen" aus ist, niemanden strafen möchte, das ist weiterhin ein anderer Kontinent, eine andere Welt als Haneke, das ist ein offenes Angebot: ich zeige Dir meine Hölle, wenn Du sie sehen willst). Die Jagd auf ein lärmendes, die Soundspur eine (vermutlich nicht nur gefühlte) halbe Stunde lang monopolisierendes Insekt auf der und über die Ruine ist so ein Fall: Im Kreis hinter einem unsichtbaren Störsender herrennen und -klettern, einen körperlosen Schatten jagen, der auf eine unbewältigte, unbewältigbare Vergangenheit verweist, vor der man andernfalls stets die Augen verschließt.
Was ist da im Dezember 2012 wieder auf mich eingestürzt, am letzten Tag, bevor ich, für Weihnachten und Neujahr, Berlin verlassen habe. Also kaum noch da war, nur noch raus wollte aus dieser im Winter oft so schwer erträglichen Stadt; und dann noch dieser Film. Sechs Stunden emotionale Knochenmühle in der philippinischen Provinz. Ich habe den Film dann auch noch "nichtlinear" gesehen, weil ich zuerst die falsche Disc ins Laufwerk gelegt habe. Und das tatsächlich erst beim Abspann bemerkt habe. Die Erfahrungsbrocken, aus denen Diaz seine Filme konstruiert, sind so weit entfernt von Regeldramaturgien, dass man da wenig Anhaltspunkte erhält. Meine Disc begann beim Schatzsuchen, zwei Männer im Schlamm, auf ein Erdloch einhackend, irgendwann aufeinander losgehend, dann raus aus dem Loch, eine Verfolgungsjagd über die wasserüberströmten Felder, dann beidseitige Resignation, ein Gespräch über Florentina Hubaldo und ihre Tochter, die beiden Figuren, entlang derer der Film sich entwickelt - und zwar ganz egal, wo man einsteigt, wo man ihn wieder verlässt. Hätte mich das Ende, die Stadt, die Lichter durch die Büsche, die Einsamkeit, die Großaufnahme, die Wiederaufnahme jahrzehntealten Leids, das Mitleid, das sich nicht an einen einzelnen Menschen, nicht an einen Gegenschuss heftet, sondern mich direkt fordert, hätte all das mich noch härter getroffen, wenn ich die ersten vier Stunden des Films nicht nachher, sondern, wie es gedacht war, vorher gesehen hätte? Vielleicht; vielleicht hätten mich aber dafür diese ersten vier Stunden, denen da schon diese wahnwitzige letzte halbe Stunde eingeschrieben war, nicht auf dieselbe Art mitgenommen.
Der eigentliche Anfang hat mich an Heremias erinnert, einen Film, der ebenso (vergleichsweise) geradlinig erzählt ist wie Florentina Hubaldo CTE: Wieder zunächst Straßen, umrandet von mannshohem Gebüsch (in das die Figuren wenig später flüchten werden), dann taucht jemand auf, ganz hinten, als Pixelwolke und man verfolgt seinen Weg nach vorne, die langsame Konstitution eines Individuums, das dann allerdings doch wieder aus dem Bild herausläuft und in der nächsten Totalen neu eingefangen, neu konstituiert werden muss. Zwei Ebenen hat der Film wie gesagt: Einmal Florentina Hubaldo, die von ihrem Vater gequält, geschlagen und prositutiert wird und von ihrem Großvater nicht beschützt werden kann, bis sie endlich erfolgreich das Weite sucht; dann ihre Tochter, die, Jahre später, in einem Landhaus (das sich, wie ich das verstanden habe, unweit des Hauses befindet, in dem einst ihre Mutter angekettet vor sich hin gelebt hatte) lebt, schwer krank, einige Abenteurer beherbergend, die einem Schatz auf der Spur sind, der genauso deutlich als pure Projektion, als Bild für die Hoffnungslosigkeit eines nicht nur im globalen Maßstab abgehängten Lebens, erkennbar ist wie das Gold, hinter dem einige traurige Figuren in Evolution of a Filipino Family hinterher jagen. Florentinas Haus ist zur Ruine geworden und eigentlich zu einem Spukhaus und genau bei dieser Ruine wird der Schatz vermutet. Das ist eine Konstellation, in der sich nicht viel bewegt - eigentlich bewegt sich nur Florentina. Diese eine Bewegung genügt dem Film, alle anderen Figuren sind stillgestellt, in ihren eigenen Obsessionen und Untiefen gefangen, blind, zwanghaft. Fast alle ziehen die falschen Schlüsse aus der Geschichte, die sie durchleiden. Umso wichtiger die eine, die den richtigen Schluss zieht, umso wichtiger Florentina.
Konsequenter noch als frühere Arbeiten ist Florentina Hubaldo CTE ein zeitbasierter Terrorfilm (der freilich, man muss es eigentlich gar nicht schreiben, nicht auf "Lektionen" aus ist, niemanden strafen möchte, das ist weiterhin ein anderer Kontinent, eine andere Welt als Haneke, das ist ein offenes Angebot: ich zeige Dir meine Hölle, wenn Du sie sehen willst). Die Jagd auf ein lärmendes, die Soundspur eine (vermutlich nicht nur gefühlte) halbe Stunde lang monopolisierendes Insekt auf der und über die Ruine ist so ein Fall: Im Kreis hinter einem unsichtbaren Störsender herrennen und -klettern, einen körperlosen Schatten jagen, der auf eine unbewältigte, unbewältigbare Vergangenheit verweist, vor der man andernfalls stets die Augen verschließt.
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