Thursday, August 22, 2013

Equilibrium, Gottfried Reinhardt, 1953

Eines der sonderbarsten Nachbilder des Holocaust, das mir bisher im Kino begegnet ist. Im dritten, letzten und längsten Teil des Omnibusfilms The Story of Three Loves hält Kirk Douglas, ein Trapezkünstler, eine Frau, Pier Angeli, vom Selbstmord ab und macht sie anschließend zu seiner Partnerin bei einer Zirkusnummer. Wie schon im ersten Teil des Omnibusfilms ("The Jelaous Lover", ebenfalls von Reinhardt inszeniert; beim Mittelteil "Mademoiselle" führt Vincente Minnelli Regie), in dem es um eine Balletttänzerin geht, tritt die Fiktion zurück, wenn die Probe beginnt, wenn das jeweilige Einüben ausführlich, nüchtern und ökonomisch, vor allem geduldig gezeigt wird. Die Trapeznummern nehmen mit Sicherheit mehr als die Hälfte der Laufzeit ein, man meint, dabei tatsächlich jeden Handgriff kennen zu lernen: wie sie die Trapezstange zunächst nur mit einer Hand hält und erst im Moment des Losspringens nachgreift, wie er sich mit vollem Körpereinsatz "einschwingt" - wann body doubles eingesetzt wurden, konnte ich nicht erkennen, zumindest Teile der Trapeznummer scheinen Douglas und Angeli selbst eingeübt zu haben. Selbst scheinbare Nebensächlichkeiten wie das "Abschwingen" vom Sicherheitsnetz zeigt der Film mehrmals detailliert.

Nur Douglas, Angeli und ein nur selten als Person wahrnehmbarer dritter Artist in einem ansonsten leeren Zirkuszelt. Eine weitgehend hermetisch verschlossene Welt, zusätzlich versiegelt durch das hochwertige MGM-Produktionsdesign. Dass die in schwindelerregender Höhe (die Kamera sucht immer wieder den Blick in die Tiefe, aber nicht als Subjektive, eher als objektive Feststellung: seht her, so hoch steht Douglas über dem festen Boden) langsam perfektionisierte Übung ein Nahverhältnis zum Tod hat, ist von Anfang an klar: Angeli möchte sich umbringen, ihre Vorgängerin starb, erfährt man, während einer missglückten Trapeznummer. Die formale Harmonie dieser Konstellation wird dann aber durch Angelis Vorgeschichte durch Übererfüllung zunichte gemacht: Auch sie fühlt sich schuldig - an dem Tod ihres Mannes, der in einem deutschen KZ starb, weil sie einen an ihn gerichteten Brief der falschen Person anvertraut hatte. Die Unverhältnismäßigkeit, die in dem Moment in den Film tritt, wenn ein privates, fiktionales Drama mit dem größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte in Beziehung gesetzt wird, hat keinerlei Möglichkeit, sich in den engen ästhetischen Grenzen, die Reinhardt seinem (faszinierenden) Film setzt, dramaturgisch zu artikulieren. Sie hallt umso erschreckender nach in der weiten Zirkushalle.

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