Wenn ich nach den bisherigen Sichtungen einen Film auswählen müsste, der das Jahr 1980 im amerikanischen Kino repräsentieren sollte, dann wäre das Alan Rudolphs Roadie: Ein klaumakiges Rock'n-Roll-Roadmovie, dessen Hauptrolle ausgerechnet von Meat Loaf ausgefüllt (jaja: im Wortsinn) wird. Der hängt anfangs bei seiner Hillbillie-Familie in der gemeinsamen, reichlich sonderbaren Behausung ab: Der Vater hat sich, warum auch immer, eine Art Multi-Screen-TV-Installation ins Wohnzimmer gebastelt, die Schwester und ihr geheimer Lover haben Sex in einer Telefonzelle, die außen am Haus klebt und per Knopfdruck nach Innen befördert werden kann. Der gesamte Film ist so derangiert wie dieser Wohnort.
An die Rocker gerät Meat Loaf zufällig, er passiert mit seinem Truck den Tourbus auf der Landstraße, sein Blick bleibt an Kaki Hunter hängen (falsche Frontzähne schräg ins Gesicht geklebt), einem Groupie, das natürlich am Ende doch keines ist. Es geht dann auf Tour mit u.a. Hank Williams Jr., Blondie und am Ende auch noch Alice Cooper, es gibt chaotische Kneipenschlägereien, riesige Biergläser, Kokain im Waschmittel, alle tragen gemeingefährliche Sonnenbrillen.
Alan Rudolph hat vom Siebzigerjahrekino die Freiheit, das Sprunghafte übernommen, sein Film vermeidet noch den Anschein von Konsequenz, jede einzelne Szene scheint etwas Neues auszuprobieren, nur um das Ausprobierte dann gleich wieder fallenzulassen. Vor einem Konzert eine kurze Montagesequenz, rhythmisch angepasst an die Off-Screen-Musik; später hetzen Meat Loaf und Kaki Hunter durch die Straßen in Richtung Alice-Cooper-Konzert, die Kamera ist dann plötzlich ganz hoch oben, bei den geometrischen Formen der Wolkenkratzer, nach drei Einstellungen city symphony dreht sie sich wieder nach unten und kehrt zurück zum Boden. Einmal wird die Beliebigkeit sogar reflexiv: "Heutzutage wissen sie nicht mehr, wie man ordentliche Verfolgungsjagden dreht" sagt irgendjemand zu irgendjemand anderem, die direkt anschließende Verfolgungsjagd ist dann auch tatsächlich eine der ineffektivsten der Filmgeschichte. Da rasen dann die Autos immer wieder durch dieselbe Totale, mal von rechts nach links, mal von links nach rechts.
Die Formen haben sich verflüssigt, aber nicht, um für eine kohärente künstlerische Position verfügbar, individualisierbar zu werden. Vieles, sehr vieles ist falsch an diesem Film, aber irgendwie macht das nicht viel aus. Es steckt kein System, kaum noch ein Autor hinter der Falschheit. Vielleicht muss der Film durch das Falsche, durch die schrottigen Klamaukszenen zum Beispiel, oder durch die nicht mal mehr ernsthaft reaktionären Hillbillie-Impressionen hindurch (so wie man, wenn man eine Stadt besucht, zuerst die hässlichen Vororte durchqueren muss, bevor man ins Zentrum gelangt; es ist halt ein Film, der sich durch eine Welt bewegt, an der vieles grundfalsch ist und in der es keine Ursprünglichkeit gibt, die vom Falschen frei wäre, ein Film auch, der sich auf diese Welt einlässt, der sie nicht, oder nur sehr grob filtert), um dann plötzlich doch wieder großartige Bilder finden zu können. Die man dann aber auch nicht mehr einem Künstlersubjekt zuschreiben kann. Zum Beispiel das letzte Konzert; das findet in einer Halle statt, die ausschaut wie die im Finale von The Parallax View. Mit einem Mal wird der Raum abstrakt, schluckt die sich sonst so vital gebenden Figuren.
Meine liebste Szene kommt etwas früher: Blondie geben vor aufgemalten Bohrtürmen ein Konzert, Debbie Harry singt Ring of Fire.
2 comments:
Ach ja, ROADIE. Das war ein Film, den ich als Kind immer sehen wollte, gehörte Meat Loaf doch zu meiner musikalischen Sozialisation und war Alice Cooper doch mein bewunderter Bösewicht des Rock 'N' Roll. Meine Mutter war damals auf einem Konzert in den 70ern, wo er Hühner auf der Bühne zerriss und das Blut in die vorderen Reihen des Publikums verspritzte. Als ich ROADIE Film mit 12 dann endlich mal sah, war mir vor allem die Fahrt von unten nach oben über Coopers Plastiksuspensorium bis hin zu seiner androgyn geschminkten Gestalt ins Auge gesprungen. Seitdem habe ich ROADIE nicht mehr gesehen. Mein letzter Rudolph war BREAKFAST OF CHAMPIONS, der eine erstaunliche Umsetzung einer Vonnegut-Erzählung war. Natürlich schon viel konzeptionierter und nicht so freiheitlich, wie Du es ja beschreibst. Vielen Dank für die Erinnerung an diesen Film.
Es gibt auch noch Szenen mit dem ungeschminkten Cooper, da wirkt er ziemlich unsicher und eigentlich sympathisch (ganz anders als Meat Loaf, einen derart tumben Bully zum Helden des Films zu machen, ist mindestens gewagt...). Vielen Dank auch für den Maniac-Link, der Film steht natürlich auch noch auf meiner Liste.
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