Kaum eine Spur, die über reine Stabsangaben herausgehen würde, findet sich im Netz von Moritz macht sein Glück, einem der bescheidensten, unaufdringlichsten und schönsten Filme der durchweg umwerfenden Filmreihe zur frühen deutschen Tonfilmkomödie, die derzeit im Zeughauskino zu sehen ist. Keine Texte finden sich abgesehen von einem kleinen Übersichtsvermerk bei Cinefest, keine Filmausschnitte, von den vielen wunderbaren Liedern nicht einmal die Texte, schon gar nicht die Partituren - das wäre einmal eine Idee: Eine Website, die Partituren von Liedern aus vergessenen Filmen sammelt oder erstellt, zum Nachspielen und -singen; da gäbe es tatsächlich eine Möglichkeit, etwas an den alten Filmen präsent zu machen, zu verlebendigen.
So bleiben nur die auf der Cinefest-Seite verzeichneten Songtitel: Zum Beispiel "Du bist mir wie nach Maß gemacht", das ist, glaube ich, eines von mehreren bezaubernden Duetten. "Bin ich vielleicht verliebt" ist ein anderes, sehr zart, fast hingehaucht. "Darf ich Sie einmal wiedersehen" singt, glaube ich, Irene Ambrus, die in ihrer vorlauten, quicklebendigen Art die nominelle Hauptdarstellerin Annie Ann locker aussticht. "Schwere Zeiten" wird dagegen von Viktor Schwannecke und Willy Prager im gut eingespielten Wechselgesang vorgetragen, von zwei kleinen, rundlichen Kleiderladenbesitzern, die nur im Doppelpack auftreten, die beide Meier heißen, die nicht voneinander loskommen, auch und gerade dann, wenn sie dem jeweils anderen ein Schnippchen zu schlagen hoffen.
Der Star des Films, Siegfried Arno, singt kaum einmal, und wenn er es doch einmal ein wenig versucht, hört sich das kaum anders an als sein Sprechen. Aber seine Sprachmelodie, sein halb vor-sich-hin-, halb in-sich-hinein-Sprechen ist ohnehin unnachahmlich. Das ist wie ein andauernder Monolog, der autonom neben dem Rest des Films herläuft und der niemand wirklich adressiert - auch das Publikum nicht, oder wenigstens nicht als Kollektiv, eher in der Art einer unverbindlichen und trotzdem intimen Ansprache. Das setzt schon ein Einverstandensein voraus, aber eines, das auf einem vorgängigen, gelassenen, nicht-verbiesterten Nichteinverstandensein basiert: Der Takt der Welt ist nicht der unsere, aber was soll's.
Arno spielt einen niederen Angestellten des Kleiderladens. Seine Vergütung scheint sich auf einen Eimer Spinat täglich zu beschränken, den er mit "der Lisa" teilt, die ebenfalls irgendwie im Laden angestellt ist, ohne dass man zunächst so recht sagen könnte, für was. Als ein Model das Weite sucht, weil sie ihren "modernen Körper" nicht mit altmodischem Kram vollhängen soll, findet Arno eine Beschäftigung für die Lisa. Und sorgt wenig später dafür, dass sie einen Modelwettbewerb gewinnt, welcher sie dann freilich fast in die Hände eines halbseidenen Amerikaners treibt. Wobei nichts gegen Amerika: Da finden am Ende alle ihr Glück, dank einer jener millionenschweren Erbschaften, die im Kino der 1930er Jahre noch mit vollen Händen verteilt wurden.
Der zentrale Schauplatz des Films ist jedoch der Kleiderladen. Auf den ersten Blick ist das ein altmodisches, etwas verkramtes Kleinunternehmen, das sich eher schlecht als recht über Wasser hält. Auf den zweiten ein Labor, in dem neue Menschen hergestellt werden. Das Modell für diese neuen Menschen ist die Schaufensterpuppe. In einer Szene schraubt Arno einer weiblichen Puppe zwei Arme ab, um sie neu und attraktiver einzukleiden. Wenig später sind die Beine einer anderen Puppe so drapiert, dass man sie für die Beine einer Frau aus Fleisch und Blut hält, bevor Arno die beiden Schenkel aufnimmt und mit ihnen in einer Weise herumzuspielen beginnt, bei der man nicht weiß, ob sie jetzt linkisch oder obszön ist. Vielleicht: auf linkische Art obszön.
Auch eine männliche Puppe steht im Geschäft, in einer Szene verliert sie eine Hand. Überhaupt ist Moritz macht sein Glück fast schon ein Cyborg-Film: Es geht um "moderne Körper", die man nicht nur aus- und anziehen, sondern auch zerlegen kann. Oder auch: anmalen. Wenn Arno sich schwarz schminkt und mit einem Plattenspieler auf dem Rücken auf die Bühne stellt, dann ist das zwar innerdiegetisch eine Al-Jolson-Referenz, hat aber mit der historischen Praxis des blackfacing weniger zu tun als mit der Idee, dass alle Identitätsmerkmale verfügbar geworden sind. Nicht umsonst wird darauf hingewiesen, dass die Farbe "echt" sei, und Moritz sein wahres Glück vielleicht in Afrika machen solle. Natürlich ist das, wie so vieles in dem Film, drei Szenen später wieder vergessen.
(Noch etwas zeigt diese Szene: In Moritz macht sein Glück macht die Stimme den Körper nicht ganz, sondern sie hybridisiert ihn; ähnliches kann man in vielen Filmen der Reihe beobachten, am Schönsten vielleicht in Litvaks Das Lied einer Nacht.)
Weiterhin ergibt es sich im Laufe des Films, dass alle, oder wenigstens fast alle moderne Körper denselben Namen tragen. Nämlich: Meier. Und außerdem haben sie, wie sich am Ende in Amerika herausstellt, als Kind alle exakt gleich ausgesehen, oder behaupten das jedenfalls. Das ist natürlich beides erst einmal nur krude Komödienplotkonstruktion, passt aber zur grundlegenden Verfasstheit aller Figuren des Films. Auf der Cinefest-Seite findet sich dazu ein Zitat aus einer historischen Kritik: "Ansonsten sind die Personen des Spiels von gewichtigen Gefühlen keineswegs belastet; sie wechseln Liebschaften, Verlobungen und Sympathien mit bemerkenswerter Schnelligkeit." Niemand hat einen stabilen Persönlichkeitskern - außer Arno vielleicht, aber auch bei ihm ist das Stabile eher die außerfilmische Persona als die Rolle. Bei ihm gibt es allerdings durchaus eine grundschluffige Gutherzigkeit, die nicht in Frage gestellt werden kann. Ansonsten sind die Motivationslagen denkbar instabil, der eine verlässt in einem Moment fluchend den Kleiderladen, im nächsten kauft er ihn halb leer, eine andere (die Ambrus, natürlich) springt einfach aus dem Fenster, wenn ihr etwas nicht passt. Alle Beziehungen bis hin zu Ehen ergeben sich situativ.
Das alles ohne jede Kunstanstrengung. Die Szenen werden einfach so hingestellt, locker um ein, zwei Ideen herum gebaut. Gelegentlich auch um gar keine, aber das macht gar nichts. Dass solche Filme in Deutschland einmal möglich waren, und zwar in der Mitte der Produktion...
So bleiben nur die auf der Cinefest-Seite verzeichneten Songtitel: Zum Beispiel "Du bist mir wie nach Maß gemacht", das ist, glaube ich, eines von mehreren bezaubernden Duetten. "Bin ich vielleicht verliebt" ist ein anderes, sehr zart, fast hingehaucht. "Darf ich Sie einmal wiedersehen" singt, glaube ich, Irene Ambrus, die in ihrer vorlauten, quicklebendigen Art die nominelle Hauptdarstellerin Annie Ann locker aussticht. "Schwere Zeiten" wird dagegen von Viktor Schwannecke und Willy Prager im gut eingespielten Wechselgesang vorgetragen, von zwei kleinen, rundlichen Kleiderladenbesitzern, die nur im Doppelpack auftreten, die beide Meier heißen, die nicht voneinander loskommen, auch und gerade dann, wenn sie dem jeweils anderen ein Schnippchen zu schlagen hoffen.
Der Star des Films, Siegfried Arno, singt kaum einmal, und wenn er es doch einmal ein wenig versucht, hört sich das kaum anders an als sein Sprechen. Aber seine Sprachmelodie, sein halb vor-sich-hin-, halb in-sich-hinein-Sprechen ist ohnehin unnachahmlich. Das ist wie ein andauernder Monolog, der autonom neben dem Rest des Films herläuft und der niemand wirklich adressiert - auch das Publikum nicht, oder wenigstens nicht als Kollektiv, eher in der Art einer unverbindlichen und trotzdem intimen Ansprache. Das setzt schon ein Einverstandensein voraus, aber eines, das auf einem vorgängigen, gelassenen, nicht-verbiesterten Nichteinverstandensein basiert: Der Takt der Welt ist nicht der unsere, aber was soll's.
Arno spielt einen niederen Angestellten des Kleiderladens. Seine Vergütung scheint sich auf einen Eimer Spinat täglich zu beschränken, den er mit "der Lisa" teilt, die ebenfalls irgendwie im Laden angestellt ist, ohne dass man zunächst so recht sagen könnte, für was. Als ein Model das Weite sucht, weil sie ihren "modernen Körper" nicht mit altmodischem Kram vollhängen soll, findet Arno eine Beschäftigung für die Lisa. Und sorgt wenig später dafür, dass sie einen Modelwettbewerb gewinnt, welcher sie dann freilich fast in die Hände eines halbseidenen Amerikaners treibt. Wobei nichts gegen Amerika: Da finden am Ende alle ihr Glück, dank einer jener millionenschweren Erbschaften, die im Kino der 1930er Jahre noch mit vollen Händen verteilt wurden.
Der zentrale Schauplatz des Films ist jedoch der Kleiderladen. Auf den ersten Blick ist das ein altmodisches, etwas verkramtes Kleinunternehmen, das sich eher schlecht als recht über Wasser hält. Auf den zweiten ein Labor, in dem neue Menschen hergestellt werden. Das Modell für diese neuen Menschen ist die Schaufensterpuppe. In einer Szene schraubt Arno einer weiblichen Puppe zwei Arme ab, um sie neu und attraktiver einzukleiden. Wenig später sind die Beine einer anderen Puppe so drapiert, dass man sie für die Beine einer Frau aus Fleisch und Blut hält, bevor Arno die beiden Schenkel aufnimmt und mit ihnen in einer Weise herumzuspielen beginnt, bei der man nicht weiß, ob sie jetzt linkisch oder obszön ist. Vielleicht: auf linkische Art obszön.
Auch eine männliche Puppe steht im Geschäft, in einer Szene verliert sie eine Hand. Überhaupt ist Moritz macht sein Glück fast schon ein Cyborg-Film: Es geht um "moderne Körper", die man nicht nur aus- und anziehen, sondern auch zerlegen kann. Oder auch: anmalen. Wenn Arno sich schwarz schminkt und mit einem Plattenspieler auf dem Rücken auf die Bühne stellt, dann ist das zwar innerdiegetisch eine Al-Jolson-Referenz, hat aber mit der historischen Praxis des blackfacing weniger zu tun als mit der Idee, dass alle Identitätsmerkmale verfügbar geworden sind. Nicht umsonst wird darauf hingewiesen, dass die Farbe "echt" sei, und Moritz sein wahres Glück vielleicht in Afrika machen solle. Natürlich ist das, wie so vieles in dem Film, drei Szenen später wieder vergessen.
(Noch etwas zeigt diese Szene: In Moritz macht sein Glück macht die Stimme den Körper nicht ganz, sondern sie hybridisiert ihn; ähnliches kann man in vielen Filmen der Reihe beobachten, am Schönsten vielleicht in Litvaks Das Lied einer Nacht.)
Weiterhin ergibt es sich im Laufe des Films, dass alle, oder wenigstens fast alle moderne Körper denselben Namen tragen. Nämlich: Meier. Und außerdem haben sie, wie sich am Ende in Amerika herausstellt, als Kind alle exakt gleich ausgesehen, oder behaupten das jedenfalls. Das ist natürlich beides erst einmal nur krude Komödienplotkonstruktion, passt aber zur grundlegenden Verfasstheit aller Figuren des Films. Auf der Cinefest-Seite findet sich dazu ein Zitat aus einer historischen Kritik: "Ansonsten sind die Personen des Spiels von gewichtigen Gefühlen keineswegs belastet; sie wechseln Liebschaften, Verlobungen und Sympathien mit bemerkenswerter Schnelligkeit." Niemand hat einen stabilen Persönlichkeitskern - außer Arno vielleicht, aber auch bei ihm ist das Stabile eher die außerfilmische Persona als die Rolle. Bei ihm gibt es allerdings durchaus eine grundschluffige Gutherzigkeit, die nicht in Frage gestellt werden kann. Ansonsten sind die Motivationslagen denkbar instabil, der eine verlässt in einem Moment fluchend den Kleiderladen, im nächsten kauft er ihn halb leer, eine andere (die Ambrus, natürlich) springt einfach aus dem Fenster, wenn ihr etwas nicht passt. Alle Beziehungen bis hin zu Ehen ergeben sich situativ.
Das alles ohne jede Kunstanstrengung. Die Szenen werden einfach so hingestellt, locker um ein, zwei Ideen herum gebaut. Gelegentlich auch um gar keine, aber das macht gar nichts. Dass solche Filme in Deutschland einmal möglich waren, und zwar in der Mitte der Produktion...
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