Selten findet sich in den Werken der Berliner Schule eine Praxis des Filmzitats wie sie sich im Gefolge von Pulp Fiction im Hollywoodkino (und fast noch stärker in manchen Bereichen des Independentfilms) breitgemacht hat, nämlich der mehr oder weniger willkürliche Zugriff auf die Filmgeschichte als unerschöpflichen Zitatfundus, der sich glänzend dazu eignet, das mit Video/DVD aufgewachsenen Publikum in seiner eigenen Kenntniss der Filmgeschichte zu bestätigen und der deshalb durchaus als Verkaufsargument (gerade für die DVD-Auswertung, damit auch tatsächlich jeder Verweis erkannt werden kann) gelten darf. Der Zugriff der meisten Berliner Schule Filme auf die Filmgeschichte (soweit er überhaupt stattfindet, einige Regisseure scheinen daran weniger Interesse zu besitzen) ist anderer Art. Die Verweise auf Pialat und Rohmer bei Arslan etwa erscheinen eher als Selbstpositionierung des eigenen Films innerhalb einer bestimmten Tradition des europäischen Autorenfilms und eventuell auch als eine Art Rezeptionsanleitung. Hierzu passt auch die Technik dieser referenziellen Geste: Die Verweise werden nicht versteckt präsentiert, in beliebigen Zeichen, statt dessen sind diese Filme stets (auch im Falle anderer Bezugnahmen) als Filme präsent. Der konkrete Inhalt der Filme, auf die sich die Berliner Schule bezieht, spielt dennoch selten eine Rolle. Eine Ausnahme stellt in "Die innere Sicherheit" Resnais "Nuit et brouillard" dar, der eine deutlich diskursivere Stellung in Petzolds Film einzunehmen erscheint. Weniger deutlich erkennbar sind Bezüge auf Filmgeschichte, die sich in die formale narrative Struktur der einzelnen Werke eingeschrieben haben, ohne darüber hinaus gekennzeichnet zu werden. Zu erwähnen wären etwa manche Parallelen der Hotelsequenz in "Montag kommen die Fenster" mit "Elephant" oder des gesamten Films mit "Viaggio in Italia".
Die eigene Position innerhalb des Systems des Weltkinos einerseits und der nationalen wie internationalen Filmgeschichte andererseits scheint zu einem nicht geringen Teil institutionell festgeschrieben zu sein. Deutlich wird dies unter anderem an der großen Präsenz der Filme auf der Berlinale bei gleichzeitiger fast vollständiger Abstinenz in Cannes oder Venedig. Selbst den arrivierteren Regisseuren scheint der Schritt auf die anderen großen Festivals nicht zu gelingen, was möglicherweise auch damit zusammenhängt, dass die von den Berliner Schule Regisseuren genutzten Förderinstitutionen stark an den deutschen Festivalsbetrieb gebunden sind. Aus ähnlichen Gründen ist der erste Bezugspunkt vieler Debatten über die Berliner Schule auch zwangsläufig das deutsche Autorenkino im Allgemeinen und der Neue Deutsche Film im Besonderen. Auch die spezifische Geschichte der Institution dffb spielt in diesem Kontext eine Rolle.
Auffallend ist jedoch, dass die Filme der Berliner Schule selbst sich textuell kaum (wenn überhaupt) auf vergangene deutsche Filmgeschichte beziehen. Auch die Veteranen des deutschen Autorenkinos (mit Ausnahme Farockis) spielen kaum eine Rolle innerhalb der gesamten Debatte und scheinen im Gegenzug auch wenig an den neuen Filmen interessiert. Der Blick richtet sich vielmehr meist auf die französische Filmgeschichte oder das aktuelle Weltkino. Es scheint ein gewisses Missverhältniss zwischen den eigenen Positionierungswünschen und den realen Strukturen des internationalen Festivalbetriebs wie des deutschen Diskurssystems zu bestehen. Vor allem scheint die deutsche Filmgeschichte kein Ort zu sein, an dem man sich gerne aufhält, was mit Blick auf das Schicksal des deutschen Autorenkinos (und hier ist der vergleichende Blick nach Frankreich ebenso naheliegend wie aus deutscher Sicht ernüchternd) durchaus verständlich erscheint.
1 comment:
Zum deutschen Autorenfilm: Stellt nicht schon die Wahl der Schauspieler bei Arslan eine Positionierung dar? M.Bohm, Zischler, Winkler, U.Bohm, das sind ja keine unbeschriebenen Blätter.
Referenzen: "Geschwister" ist eine Ansammlung von Zitaten, nur zielt die Zitierweise nicht auf den Schweinchen-Schlau-Aha-Effekt.
Festivals: Die Konzentration auf die Berlinale würde ich nicht überbewerten. Liegt nahe. Außerdem: Schanelec ist als einsame Deutsche in Cannes in den Blick der Zeitungen geraten.
Greetings, N.N.
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