Friday, January 12, 2007

Bresson, Farocki, Nolan

Ein Teil der Anmerkungen Farockis zu Bresson ("Bresson ein Stilist", Filmkritik 28/3-4, 1984) rufen mir eine Gruppe von Filmen in Erinnerung, die auf den ersten Blick gar nichts mit Bresson zu tun zu haben scheinen. Der Versuch „in Aussagesätzen zu schreiben“, jeden Wert „als Bestandteil einer Aussage zu erscheinen“ lassen, unternehmen schließlich auch Filme wie Crash (Haggis) oder Amores Perros, Filme also, die man kaum in einem Atemzug mit Bresson nennen möchte. Hier wird jedes filmische Element gnadenlos in den Dienst der Emotionsmaschinerie gestellt, nur noch durch seine Beziehungen zu anderen Gegenständen, Menschen oder deren Eigenschaften (Hautfarbe etc.) definiert. Am deutlichsten wird diese Parallelität vielleicht im Falle von Nolans Prestige, der zwar aus einem anderen Produktionszusammenhang stammt und weit weniger ärgerlich ist, aber Bressons Diktum „Der Kinematograph ist eine Schrift mit Bildern in Bewegung und mit Tönen“ vielleicht noch konsequenter umsetzt, da er – auch mithilfe digitaler Technik – alles beseitigt, was den Schriftfluss stören könnte.
David Bordwell beschreibt die formalen Eigenschaften des modernen kommerziellen Kinos mithilfe der Formel „intensified continuity“. Auch dieses Konzept deckt sich in mancher Hinsicht mit Farockis Analyse: „Schuß-Gegenschuß, das ist eine vielkritisierte Filmsprache – Bresson kritisiert sie, indem er sie verschärft anwendet.“ Selbstverständlich kritisieren oben genannte Filme nicht das continuity system, da die eingesetzten Techniken sich ähneln, ähnelt sich jedoch teilweise auch der Effekt. Wieder kann vor allem Prestige als Beispiel dienen, mit seinem fast vollständigen Verzicht auf establishing shots und der emphatischen Nutzung der Großaufnahme, die die räumliche Kontinuität, die Voraussetzung für die Funktion des klassischen continuity system, auch während den Schuss-Gegenschuss-Passagen tendenziell auflöst.
Bresson ist kein Vorläufer der Innaritu/Meirelles Schule und Farocki schreibt keine Anleitung für manipulativen Arthaus-Schmock. Die Insistenz auf der Darstellung von Arbeit und ihrer Fortsetzung im Blick beispielsweise hebt beide Werkgruppen diametral voneinander ab. Die beschriebene Filmform jedoch ist - wenn kein Zweck mitgedacht wird - an und für sich genauso wenig unschuldig wie das klassische continuity system.

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