Zwei getrennt versteckte Teile eines verrotteten Leichnams muss wieder vereinigen, wer Herrscher der Martial World werden möchte. Der schwarz glänzende Rumpf muss zum schwarz glänzenden Oberkörper, besessen von dieser Idee ist vor allem ein Eunuch und Clanchef. Der komplette Leichnam würde auch seinen Körper (inklusive Schnurrbart) wieder komplettieren. Mit zwölf Jahren wurde er ins Kloster geschickt und entmannt, seitdem lebt er ein Doppelleben, als niederrangiger Mönch muss er sich vor kleinen Jungs verbeugen, als Clanchef trägt er eine Maske und hysterisiert die Martial World und ihren transzendentalen Körperkult regelrecht herbei. Barbie Hsu macht ihm als kratzbürstiges Love Interest zusätzlich Dampf.
Zeng Jing will dagegen aus der Martial World aussteigen; das funktioniert nur mittels Körpertransformation. Insekten fressen ihr Gesicht (das von Kelly Lin) von Innen her aus, sie bekommt ein Neues, ein einige Jahre älteres (das von Michelle Yeoh). Das Körpergedächtnis ist erhalten geblieben: niemand schneidet Radieschen schneller und präziser als die ehemalige Killerin. Aber sie ist nicht die einzige, die ihren Körper transformiert hat. Der Martial World und den beiden Teilen des verrotteten Leichnams entkommt sie nicht für lange. In Hongkong werden nicht einfach nur psychosexuelle Actionfilme gedreht; das Begehren muss auch immer direkt und sichtbar auf die Physis, auf die Konstruktion der Welt zurückwirken, es muss nicht nur Effekte, sondern materielle Korrelate nach sich ziehen.
Reign of Assassins, ein eher mittelgroßer Fantasy-Actionfilm ohne die allergrößten Stars und das allergrößte Budget, wirkt in mancher Hinsicht wie der erste echte John Woo-Film seit Mission Impossible 2; und das, obwohl der Meisters im Abspann nur als Produzent und Co-Regisseur auftaucht. Der Mann, der den Film geschrieben und hauptverantwortlich inszeniert hat, war mir bislang völlig unbekannt. Egal wie man die Autoreninstanz bestimmen möchte, sie hat ihren Film voll und ganz im Griff. So etwas habe ich aus Hongkong schon lange nicht mehr gesehen: eine durch und durch routinierte, sicher in den Genretraditionen verankerte Produktion (handwerklich auf so hohem Niveau, dass einiges fast schon etwas altmodisch, weil zu sorgfältig wirkt) - und gleichzeitig ein inspirierter, herrlich frei fabulierender Essay über body politics und die ständige Neuerfindung des Selbst, das fortgesetzte Schreiben der eigenen Biografie.
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