Tuesday, October 23, 2012

Il Principe di Homburg, Marco Bellocchio, 1997

Ein paar wirre Beobachtungen...

Eine mehrmals wiederholte Einstellungsfolge zeigt einen Blick aus dem Fenster: Zuerst ist ein Fensterrahmen zu sehen, durch den man auf eine in einen Garten führende Brücke blickt. Dann wird der Rahmen weggenommen, es sind nur noch, alles ein wenig näher, größer, die Brücke und der dahinterliegende Garten im Bild. Rahmen abwechselnd setzen und wegnehmen, das ist das Prinzip des Films (nicht erklärt ist damit die Engführung der Brücke). Was jeweils Rahmen ist, wechselt. Ein Rahmen ist der Bühnenrahmen, der Rahmen des Theaters, des Theaterstücks "Prinz Friedrich von Homburg oder die Schlacht bei Fehrbellin", auf dem der Film basiert. Das Bühnenhafte manifestiert sich immer wieder in Totalen, die den Räumen etwas statisches Verleihen, den Gegenständen in ihnen etwas von Requisiten, den Menschen etwas von Darstellern, die sich zu einem realen Bühnenraum (nicht zum Illusionsraum des Kinos) verhalten müssen. Das Theaterhafte an diesen Einstellungen hat manchmal etwas mit Beleuchtung zu tun (Schattenspiele, die hinter die technischen Möglichkeiten des Kinos zurückfallen: eine Armee, die vorbeimarschiert und doch nur ihren Schatten an die Wand wirft), vor allem aber damit, dass die Totalen in krassem Gegensatz stehen zum Rest des Films: den intimen Zweiergesprächen, aus denen weite Teile des Films bestehen, den Unschärfen, in die der Hintergrund sonst meist getaucht ist.

Ein anderer Rahmen ist der preußische Staatsapparat. In einer der schönsten Szenen dieses großartigen Films scheint der Prinz diesen Rahmen durch die bloße, faszinierte Aussprache des italienischen Wortes "la tromba" (soviel schöner als die deutsche "Trompete") zu sprengen: Die militärische Lagebesprechung entgleist an diesem einen Wort, zu dem sich allerdings noch der Blick auf eine Frau gesellt. Vielleicht geht es im Rest des Films um nichts anderes, als um den Versuch, den in Folge einer eigentlich willkürlichen Tagträumerei aus den Fugen geratenen Rahmen wieder einzusetzen. Selbstverständlich ist Kleists Stück (das ich nie komplett gelesen habe, vor allem deshalb muss hier alles wirr und vage bleiben) und damit auch der Film komplexer.

Noch einmal die Unschärfen, emblematisch gleich zu Beginn: wie der Prinz aus einem gänzlich verschwommenen Schlachtengetümmel auftaucht, für einen kurzen Moment als scharfgestelltes Gesicht aufblitzt, sich umwendet, weiterreitet; ein Schlüssel zur Interpretation ist sicherlich die spiegelbildliche Unschärfe, die sich in den Prolog/Epilogszenen dem schlafwandelnden Prinzen jeweils von hinten nähert, ihn dann an- und zur Ordnung ruft; diese narrative Rahmung ist möglicherweise die letztgültige, die einzige, die nicht auflösbar ist; wenn ich ihn richtig verstanden habe, meinte D. (der sich mit Kleist unendlich besser auskennt als ich) nach dem Film etwas in diese Richtung. In letzter Konsequenz hieße das, dass auch die Tagträumerei und das Schlafwandeln wieder produktiv gemacht werden für die Staatsraison. Ich bin mir da immer noch nicht ganz sicher, was mich (und vielleicht auch die diversen Rahmungen) irritiert, ist vor allem das flackernde Licht in der Schlussszene, das die Symmetrie aufbricht und mir zumindest auch etwas ganz Neues, in den Begriffen der Macht nicht Fassbares und "im Rahmen dieses Films" nicht mehr Darstellbares anzuzeigen scheint.

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