Falling in Love, Ulu Grosbard, 1984
Die erste Szene des Films, in der sich Robert de Niro und Meryl Streep kunstvoll verfehlen, ist toll und gleichzeitig doch noch das angestrengteste in diesem hochsouveränen Liebesfilm von erstaunlicher moralischer Ernsthaftigkeit. Es geht um eine Liebe, die zu spät kommt, die lange im Transitbereich bleibt (ein Melodram unter den Bedingungen des Pendler-Lebens) und die, als sie schließlich doch noch den Transitbereich verlässt, zwei Leben zerreißt. Und es geht um die Spuren, die die Liebe in den Gesichtern hinterlässt. Genauer gesagt hinterlässt sie die Spuren nur in Streeps Gesicht (unglaublich schöne Großaufnahmen!), de Niros Gesicht verliert sich eher (in einer tollen Busfahrtszene) in seinem eigenen Spiegelbild. Dabei hat de Niro eigentlich mehr zu verlieren, nämlich Jane Kaczmarek.
Shakedown, James Glickenhaus, 1988
Ein Eighties-New-York-Film to end all Eighties-New-York-Filme. Es gibt wohl kaum kein Achtziger-Jahre-sleaze-Epos, das nicht auf irgendeinem der allgegenwärtigen marquees der Innenstadtkinos, vor denen sich die atemberaubenden Verfolgungsjagden des Films abspielen, beworben wird. Die Art, wie der Film auf die mean streets blickt, ist fast schon wieder post-hysterisch: richtig viel Terror enthalten die Bilder nicht mehr, sie sind schon weitgehend abgedichtet gegen jene Erfahrungen, die zB in Exterminator vom selben Regisseur noch recht unverstellt Tema sind; man bewegt sich mit der Kamera durch die Großstadt wie durch einen etwas zu gruslig geratenen Vergnügungspark, der touristische Blick kulminiert einmal in einer zestörerischen Autofahrt durch eine Obdachlosensiedlung, die die Kuba-Sequenz aus Bad Boys 2 vorweg zu nehmen scheint. Gleichzeitig ist Shakedown Glickenhaus' nominell liberalster und technisch bester Film.
Melo, Alain Resnais, 1986
Einer der schönsten Filme, die ich dieses Jahr gesehen habe. Es kommt mir vor, als ginge es darum, eine Materialität von Gefühl zu destillieren, die in klassischen Melodramen eher Ahnung bleibt, als tatsächlich verwirklicht werden zu können, in postklassischen Melodramen negiert wird und erst in einem neoklassischen Melo (ohne -dram?) ganz zu sich selbst kommen kann.
Man Wanted, Benny Chan, 1995
Noch einmal ein Chan-Film im alten, intensiven Stil. Diesmal dominieren allerdings nicht mehr die Höhen, das Melodiöse des Kanto-Pop (kommt aber schon auch noch vor, keine Angst), sondern fiebrig-repetitive, perkussiv unterfütterte Klavieranschläge. Ein Cop, der sich undercover mit einem Gangsterboss angefreundet hat und nach einem halb missglückten Zugriff nicht vollständig zu Unrecht von seinem Boss verdächtigt wird, von der Unterwelt verunreinigt worden zu sein. Aber der Film stellt sich, das ist das Tolle, auf die Seite des Unreinen. Der Cop (Simon Yam in einer Wahnsinnsrolle) will die Frau des Gangsterbosses, verliert seine eigene Frau, wird unter Drogen gesetzt, sinkt immer tiefer in immer wildere Farbtiefen. Dazu immer wieder dasselbe treibende Klavier; dem entkommt niemand, trotz happy end.
Abbasso il zio, Marco Bellocchio 1961
Wie hier kommentiert: Bisheriges Highlight der Bellocchio-Filmschau ist für mich (neben I pugni in tasca) dieser frühe Kurzfilm über vier Jungs und zwei Friedhöfe. Bis zum travelling (nach knapp der Hälfte des Films) wusste ich nicht so recht, was ich da sehe: einen Dokumentarfilm über Bestattung und Erinnerungskultur, hatte ich vermutet. Die Kamerafahrt, die in einer flüssigen Bewegung nicht so sehr einem Jungen folgt (der verschwindet währenddessen mehrmals aus dem Bildraum), als dass sie von einer Bewegung erfasst wird, an der neben ihr und dem Jungen auch noch andere Menschen und vielleicht auch Gedanken, Erinnerungen und so weiter Teil haben, hat den Film für mich völlig verwandelt.
Die erste Szene des Films, in der sich Robert de Niro und Meryl Streep kunstvoll verfehlen, ist toll und gleichzeitig doch noch das angestrengteste in diesem hochsouveränen Liebesfilm von erstaunlicher moralischer Ernsthaftigkeit. Es geht um eine Liebe, die zu spät kommt, die lange im Transitbereich bleibt (ein Melodram unter den Bedingungen des Pendler-Lebens) und die, als sie schließlich doch noch den Transitbereich verlässt, zwei Leben zerreißt. Und es geht um die Spuren, die die Liebe in den Gesichtern hinterlässt. Genauer gesagt hinterlässt sie die Spuren nur in Streeps Gesicht (unglaublich schöne Großaufnahmen!), de Niros Gesicht verliert sich eher (in einer tollen Busfahrtszene) in seinem eigenen Spiegelbild. Dabei hat de Niro eigentlich mehr zu verlieren, nämlich Jane Kaczmarek.
Shakedown, James Glickenhaus, 1988
Ein Eighties-New-York-Film to end all Eighties-New-York-Filme. Es gibt wohl kaum kein Achtziger-Jahre-sleaze-Epos, das nicht auf irgendeinem der allgegenwärtigen marquees der Innenstadtkinos, vor denen sich die atemberaubenden Verfolgungsjagden des Films abspielen, beworben wird. Die Art, wie der Film auf die mean streets blickt, ist fast schon wieder post-hysterisch: richtig viel Terror enthalten die Bilder nicht mehr, sie sind schon weitgehend abgedichtet gegen jene Erfahrungen, die zB in Exterminator vom selben Regisseur noch recht unverstellt Tema sind; man bewegt sich mit der Kamera durch die Großstadt wie durch einen etwas zu gruslig geratenen Vergnügungspark, der touristische Blick kulminiert einmal in einer zestörerischen Autofahrt durch eine Obdachlosensiedlung, die die Kuba-Sequenz aus Bad Boys 2 vorweg zu nehmen scheint. Gleichzeitig ist Shakedown Glickenhaus' nominell liberalster und technisch bester Film.
Melo, Alain Resnais, 1986
Einer der schönsten Filme, die ich dieses Jahr gesehen habe. Es kommt mir vor, als ginge es darum, eine Materialität von Gefühl zu destillieren, die in klassischen Melodramen eher Ahnung bleibt, als tatsächlich verwirklicht werden zu können, in postklassischen Melodramen negiert wird und erst in einem neoklassischen Melo (ohne -dram?) ganz zu sich selbst kommen kann.
Man Wanted, Benny Chan, 1995
Noch einmal ein Chan-Film im alten, intensiven Stil. Diesmal dominieren allerdings nicht mehr die Höhen, das Melodiöse des Kanto-Pop (kommt aber schon auch noch vor, keine Angst), sondern fiebrig-repetitive, perkussiv unterfütterte Klavieranschläge. Ein Cop, der sich undercover mit einem Gangsterboss angefreundet hat und nach einem halb missglückten Zugriff nicht vollständig zu Unrecht von seinem Boss verdächtigt wird, von der Unterwelt verunreinigt worden zu sein. Aber der Film stellt sich, das ist das Tolle, auf die Seite des Unreinen. Der Cop (Simon Yam in einer Wahnsinnsrolle) will die Frau des Gangsterbosses, verliert seine eigene Frau, wird unter Drogen gesetzt, sinkt immer tiefer in immer wildere Farbtiefen. Dazu immer wieder dasselbe treibende Klavier; dem entkommt niemand, trotz happy end.
Abbasso il zio, Marco Bellocchio 1961
Wie hier kommentiert: Bisheriges Highlight der Bellocchio-Filmschau ist für mich (neben I pugni in tasca) dieser frühe Kurzfilm über vier Jungs und zwei Friedhöfe. Bis zum travelling (nach knapp der Hälfte des Films) wusste ich nicht so recht, was ich da sehe: einen Dokumentarfilm über Bestattung und Erinnerungskultur, hatte ich vermutet. Die Kamerafahrt, die in einer flüssigen Bewegung nicht so sehr einem Jungen folgt (der verschwindet währenddessen mehrmals aus dem Bildraum), als dass sie von einer Bewegung erfasst wird, an der neben ihr und dem Jungen auch noch andere Menschen und vielleicht auch Gedanken, Erinnerungen und so weiter Teil haben, hat den Film für mich völlig verwandelt.
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