Die Familie wohnt in einer Festung. Warum, das wird am Anfang erklärt: Die ehemalige Schutz- und Herrschaftsburg scheint zu einem Projekt des sozialen Wohnungsbaus geworden zu sein, ein zuerst einmal nicht unbedingt naheliegender Schritt. Der Wohnort passt jedenfalls zum Leben der Familie, die sich abschottet gegen die Welt und auf ziemlich erbärmliche Weise groß tut. Zunächst sieht es in der Festung aus wie im fast noch zeitgenössischen italienischen Neorealismus: Kinder werfen sich im Gang Bälle zu, Frauen hängen im Freien Wäsche auf. Doch dann geht es ins Familien(wohn-, schlaf-, ess-)zimmer. Und das ist beengend nicht nur in räumlicher Hinsicht, sondern auch, was den geistigen Horizont angeht. Die Asozialität der Familie ist nicht das Gegenteil von bürgerlicher Selbstbeschänkung, sondern mal deren Parodie, mal deren Intensivierung; jedenfalls immer das Gegenteil von Freiheit. Und draußen, vor den Mauern der Festung, lauert eine andere Unfreiheit, die der Ämter, Behörden und Heime. Eine andere Alternative gibt es nicht. Schön, dass Weidenmann das alles trotzdem nicht als triste Asozialmechanik aufzieht, sondern als eine wildwuchernde Burleske, die zwar keinerlei Hoffnungsschimmer für irgendjemand enthält, aber immerhin in ihrer Wurstigkeit wundervoll ausfranzt. Ein Panoptikum des falschen Lebens im falschen.
Hugo Starosta (Martin Held: großartig, vor allem in den Großaufnahmen) ist der Vater, ein derangierter, faktisch funktionslos gewordener Patriarch, eine Al-Bundy-Figur. Er gründet zwischendurch auch schon einmal ein "Transportunternehmen", aber eigentlich ist sein Lebensprinzip: rumhängen, dummes Zeug daher schwätzen und Widerstand durch Trägheit. Es braucht schon äußerst ausdauernde Wasserwerfer, um seinen Fettarsch (den er manchmal auch der Kamera entgegen streckt) aus der Wohnung zu befördern. Komische, irgendwie monomanische Nebenhandlungen beschäftigen sich mit anderen Familienmitgliedern. Ein Dauerjoke ist der nicht eintreten wollende Tod der Oma, die ihrerseits über ihren minderwertigen Sarg schimpft. Einer der Söhne hat abstehende Ohren (der entsprechende Maskeneffekt wirkt ziemlich grotesk). Um diese Ohren scheint sich seine ganze Existenz zu drehen, Weidenmann konstruiert aus den schlecht sitzenden Pappmacheohren ein komplettes Sozial-, Erotik- und Psychodrama, schließlich auch noch einen Entwicklungsroman. Andere großartige Figuren im Film: Der Lover der Schwester, ein agiler, bebrillter Kneipenstecher, der eher nach Südkalifornien passen würde als in den bundesdeutschen Provinzmief; ein sanfter, leiser, vermutlich vom Leben enttäuschter Vertreter, der Geschirrsets an frustrierte Hausfrauen verkauft und von Dominik Grafs Vater gespielt wird (worauf mich Thomas Groh hingewiesen hat).
Das Verhältnis zur Vergangenheit ist zwielichtig: Die beiden ältesten, längst aus der Festung geflohenen Söhne heißen zumindest Adolf und Herrman, das wird seine Gründe gehabt haben. Das Verhältnis zu Sex ist rein funktional, so sehr, dass der Vater selbst, als er sie ins Auto eines Freiers steigen sieht, nicht so recht sagen kann, ob seine Tochter, die eigentlich in der Sauerkrautfabrik arbeitet, nach der Arbeit nun Prostituierte ist, oder ob das vielleicht doch nur der reiche Freund, von dem sie erzählt. Kommt eh aufs gleiche raus und solange sie ein Sparbuch hat und demnächst ein Espresso aufmachen wird, hat das schon seine Ordnung (und ihre Brüste gefallen ihm sowieso, lernen wir in einer unfassbaren Voice-Over-Sequenz). In einer der furchterregendsten Szenen kommen beide Verhältnisse, das zur Vergangenheit und das zum Sex, aufs Übelstriechende zusammen: Die Nachbarin (Hildegard Knef!) hat "auf der Flucht gewisse Dinge erlebt" und bringt es seither im Bett nicht mehr so. Hugos Frau ist es durchaus ähnlich gegangen, aber sie ist noch immer voll dabei, weil, wie Hugo meint: "der hat es nicht so viel ausgemacht". In der Nacherzählung ist das nicht halb so ungeheuerlich wie in diesem ziemlich tollen Film, der einem solche Dinge mit einer Nonchalance sondergleichen auftischt.
Was ist das nur für ein sonderbares Land, in das ich hineingeboren wurde und in dem ich es nun trotz allem schon gut dreißig Jahre ausgehalten habe?
Hugo Starosta (Martin Held: großartig, vor allem in den Großaufnahmen) ist der Vater, ein derangierter, faktisch funktionslos gewordener Patriarch, eine Al-Bundy-Figur. Er gründet zwischendurch auch schon einmal ein "Transportunternehmen", aber eigentlich ist sein Lebensprinzip: rumhängen, dummes Zeug daher schwätzen und Widerstand durch Trägheit. Es braucht schon äußerst ausdauernde Wasserwerfer, um seinen Fettarsch (den er manchmal auch der Kamera entgegen streckt) aus der Wohnung zu befördern. Komische, irgendwie monomanische Nebenhandlungen beschäftigen sich mit anderen Familienmitgliedern. Ein Dauerjoke ist der nicht eintreten wollende Tod der Oma, die ihrerseits über ihren minderwertigen Sarg schimpft. Einer der Söhne hat abstehende Ohren (der entsprechende Maskeneffekt wirkt ziemlich grotesk). Um diese Ohren scheint sich seine ganze Existenz zu drehen, Weidenmann konstruiert aus den schlecht sitzenden Pappmacheohren ein komplettes Sozial-, Erotik- und Psychodrama, schließlich auch noch einen Entwicklungsroman. Andere großartige Figuren im Film: Der Lover der Schwester, ein agiler, bebrillter Kneipenstecher, der eher nach Südkalifornien passen würde als in den bundesdeutschen Provinzmief; ein sanfter, leiser, vermutlich vom Leben enttäuschter Vertreter, der Geschirrsets an frustrierte Hausfrauen verkauft und von Dominik Grafs Vater gespielt wird (worauf mich Thomas Groh hingewiesen hat).
Das Verhältnis zur Vergangenheit ist zwielichtig: Die beiden ältesten, längst aus der Festung geflohenen Söhne heißen zumindest Adolf und Herrman, das wird seine Gründe gehabt haben. Das Verhältnis zu Sex ist rein funktional, so sehr, dass der Vater selbst, als er sie ins Auto eines Freiers steigen sieht, nicht so recht sagen kann, ob seine Tochter, die eigentlich in der Sauerkrautfabrik arbeitet, nach der Arbeit nun Prostituierte ist, oder ob das vielleicht doch nur der reiche Freund, von dem sie erzählt. Kommt eh aufs gleiche raus und solange sie ein Sparbuch hat und demnächst ein Espresso aufmachen wird, hat das schon seine Ordnung (und ihre Brüste gefallen ihm sowieso, lernen wir in einer unfassbaren Voice-Over-Sequenz). In einer der furchterregendsten Szenen kommen beide Verhältnisse, das zur Vergangenheit und das zum Sex, aufs Übelstriechende zusammen: Die Nachbarin (Hildegard Knef!) hat "auf der Flucht gewisse Dinge erlebt" und bringt es seither im Bett nicht mehr so. Hugos Frau ist es durchaus ähnlich gegangen, aber sie ist noch immer voll dabei, weil, wie Hugo meint: "der hat es nicht so viel ausgemacht". In der Nacherzählung ist das nicht halb so ungeheuerlich wie in diesem ziemlich tollen Film, der einem solche Dinge mit einer Nonchalance sondergleichen auftischt.
Was ist das nur für ein sonderbares Land, in das ich hineingeboren wurde und in dem ich es nun trotz allem schon gut dreißig Jahre ausgehalten habe?