Tuesday, November 26, 2013

Liebelei und Liebe, Arthur Maria Rabenalt, 1938

Ein Ingenieur, der gleich am Anfang, bei der Übergabe des Diploms, dazu angehalten wird, von nun an praktisch und zwar dem Volk zu dienen (von einer naziväterlichen Bedachtsamkeitsautoritätsfigur, wie sie mir zuletzt in mehreren Filmen begegnet ist), macht sich nach einer kurzen Affäre (schön immerhin ist das Geschäker ihrer Freundinnen darüber) mit einem "blonden Lockenkopf" davon, von Berlin nach Dortmund. Der zurückgebliebene Lockenkopf wird von einem Koch umschmeichelt, dessen Sprechweise ein wenig ins Süddeutsche (oder gar Österreichische?) verweist und der zumindest ein ziemlicher Umstandshuber ist, eigentlich in jedem einzelnen Sprechakt, in jeder einzelnen Bewegung, der nicht so ganz reinpasst in die schon eher stromlinieinförmige Welt des Films.

Dieser Koch ist, nach den Kategorien der Eskalierenden Träumern, ein Verzichter wie er im Buche steht. Er lebt bei seiner resoluten Schwester, die ihn umsorgt (phänomenale Schwenks zwischen den beiden beim Gute-Nacht-Gespräch, beide in ihren jeweiligen Betten in ihren jeweiligen Zimmern), sich über seine Verliebtheit lustig macht, ihn mit Tee versorgt, den er nicht trinken will (heimlich greift er statt dessen zum Bierkrug; das wird mehrmals ausgespielt, wie er dann immer in sich hineingrinst, wenn er ihrer Obhut für einen Moment entkommen konnte, ist ein eher unfreiwilliges Highlight des Films.)

Später zieht der Lockenkopf bei ihm ein. Sie ist schwanger vom Ingenieur, der davon nichts weiß, der Koch nimmt sich ihrer an. Die beiden spielen der Schwester das Spiel vor, dass sie ein Liebespaar seien und dass das Kind das Kind des Kochs sei. Ein trister Schwank bahnt sich an.

Es gibt (zum Glück? nicht wirklich...) noch zwei weitere Frauen im Film. Eine Industriellentochter, mit der der Ingenieur in Dortmund bald Tennis zu spielen beginnt und die seine Wandlung zum ebenfalls Großindustriellen katalysiert. Diese Wandlung kulminiert in einem ziemlich unfassbaren Bild, in dem die beiden vor der Fensterscheibe stehen und wie in einem Hollywoodmelo durch die Scheiben auf die pitorresken Industrieanlagen blicken; und dann noch die Freundin des Lockenkopfes, die die ganze Sache aus fröhlicher Böswilligkeit doch noch einer dramatischen Zuspitzung zuführt (eigentlich ist sie, die kaum auftaucht, die einzige Figur in dem Film, die ein klein wenig das Lustprinzip verkörpert, wenn auch nur in einer doch wieder verkümmerten, kleingeistigen Variante); nachdem man eigentlich fast schon hätte denken können, dass sich alle anderen in ihren verklemmten Situationen häuslich und vielleicht fürs Leben eingerichtet haben.

Das Drehbuch ist schlimm; so schlimm, als hätte es Thea von Harbou geschrieben (statt dessen war's unter anderem Werner P. Zibaldo, der später noch viele Sexfilme geschrieben hat, unter anderem Ernst Hofbauers Lehrmädchen-Report, der einer der widerwärtigsten Filme ist, die ich dieses Jahr gesehen habe), aber die Inszenierung ist nicht ohne Eleganz; und einige der Akteure sind großartig, gerade die vier Frauen, auch die unterschiedlichen Mundarten, die im Film auftauchen. Die erste echte Begegnung von Koch und Lockenkopf ist sogar ausgesprochen toll, ein kleines Meisterstück: ein Spaziergang über den Platz vor dem Restaurant, vor dem er arbeitet, spät abends im Dunkel, sehr atmosphärisch, im Hintergrund schweißt jemand an irgendetwas herum, Funkenschauer, das Bild wird plötzlich viel größer als der Film, zu dem es gehört und von dem es doch bald wieder eingefangen wird.

Das Ende ist freilich so beknackt, dass ich gar nicht darüber schreiben möchte.

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Gesehen habe ich den Film in der Reihe "Als die Synagogen brannten" im Zeughauskino. Im Vorprogramm gab es unter anderem wieder dieselbe Wochenschau, die ich schon vor Kautschuk gesehen hatte. Jetzt habe ich also zweimal gesehen, wie Görings neugeborenes Kind sich an Hitlers Finger festklammert.

Dann gab es noch animierte Werbefilme, unter anderem ein eher zäher von Fischerkoesen für Waschmittel. Alles muss geputzt, geölt, auf Vordermann gebracht werden. Konnte Werbung damals nicht auch nur ein einziges Mal an Genuss appelieren? Selbst der (eigentlich ganz amüsante) Zigaretten-Werbespot dreht sich vor allem darum, wie man "richtig raucht".

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