Cover Girls, Jose Benazeraf, 1964
Nicht nur mein Kongress-Favorit: Benazerafs Scope-Monument ist ein Fetischfilm reinsten Wassers, ein Film über die Scope-Leinwand und den weiblichen Körper (Le mepris, klar, aber Benazeraf macht keine halben Sachen). Schon die ersten Einstellungen: eine Gruppe Models, die gerade einem Flugzeug entsteigen, sich durch den Flughafen bewegen, in den Film hinein stolzieren. Die Kamera ist nicht aufdringlich, wie auch in Benazerafs St. Pauli-Film wartet sie geduldig, auf dass die Frauen ihr ihre Geheimnisse von selbst anvertrauen.
„Ich bin Kinoglaz. Von einem nehme ich die stärksten und geschicktesten Hände, von einem anderen die schlankesten und schnellsten Beine, von einem dritten den schönsten und ausdrucksvollsten Kopf und schaffe durch die Montage einen neuen, vollkommenen Menschen.“ (Dziga Vertov, Regisseur von Der Mann (!) mit der Kamera)
Nicht nur mein Kongress-Favorit: Benazerafs Scope-Monument ist ein Fetischfilm reinsten Wassers, ein Film über die Scope-Leinwand und den weiblichen Körper (Le mepris, klar, aber Benazeraf macht keine halben Sachen). Schon die ersten Einstellungen: eine Gruppe Models, die gerade einem Flugzeug entsteigen, sich durch den Flughafen bewegen, in den Film hinein stolzieren. Die Kamera ist nicht aufdringlich, wie auch in Benazerafs St. Pauli-Film wartet sie geduldig, auf dass die Frauen ihr ihre Geheimnisse von selbst anvertrauen.
Cover Girls / Covered Girls - die Mädchen für die Titelseiten, die aber gleichzeitig bedeckt bleiben... selbst wenn sie, was sie in diesem Film nicht oft sind, nackt wären (siehe auch, im Dialog: "die Maske, die wir Gesicht nennen"). Vielleicht gerade dann. Weil sie ihr Geheimnis eh nicht entbergen, müssen sie bearbeitet, betextet, drapiert, aus- und wieder angezogen werden, in immer neuen Variationen. Besonders toll sind die Szenen mit dem Regisseur, der in seinem ultrabarock eingerichteten Anwesen, direkt neben seinem Bett einen Schaltkasten hat, mit dem er seine eigene erotische Fantasie kontrollieren kann: Hinter einem roten Vorhang und einem Aquarium liegt, halb aufgerichtet, eine Frau, eine Schauspielerin, Carlotta; mit einem Hebel hebt er den Vorgang, mit diversen Knöpfen beleuchtet er sie, ihr Gesicht, einzelne Körperpartien etc. Freilich kann er über sie nur als vom Aquarium gerahmtes Bild bestimmen. Carlotta bleibt umso unerreichbar, je verfügbarer sie ist. Ein erotisches Dispositiv, das natürlich für Benazerafs Kino als Ganzes stehen kann - allerdings nur auf den ersten Blick. Denn später wechselt der Film auch auf die andere Seite des Aquariums, er macht sich nicht einfach nur mit dem Regisseur und dessen Kontrollblick, der doch nichts kontrollieren kann, gemein. Das Kino kann, hat Benazeraf erkannt, den Fetischblick multiplizieren, es muss ihn nicht auf einen einzigen, menschlichen Maßstab festlegen, kann ihn wieder und wieder aufspalten.
Der Regisseur begibt sich auf die Suche nach einem neuen Gesicht für Carlotta. Wie das genau gemeint ist, lässt sich schwer sagen in einem Film, der von Metapher zu Metapher driftet, von Frau zu Frau, aber auch von Erotoman zu Erotoman (ebenfalls katalogisiert werden Männer, die Fotos, Bewegtbilder, Statuen von Frauen anfertigen und die die Frauen dabei auf jeweils unterschiedliche Art verfehlen) von Stadt zu Stadt (Paris, Berlin, Rom, die nicht nur Handlungsorte sind, sondern denen jeweils auch eine eigene Szene gewidmet ist, in der sie sich, darin den Frauen gleich, selbst offenbaren dürfen, jeweils auch mit eigener Musik). Die diversen Fragmente setzen sich nur versuchsweise und immer wieder neu zu einer Diegese zusammen, vielleicht versteckt sich irgendwo ein Film im Film, vielleicht ist alles nur ein Tagtraum der sich auf dem Treppen(!)geländer räkelnden Frau.
„Ich bin Kinoglaz. Von einem nehme ich die stärksten und geschicktesten Hände, von einem anderen die schlankesten und schnellsten Beine, von einem dritten den schönsten und ausdrucksvollsten Kopf und schaffe durch die Montage einen neuen, vollkommenen Menschen.“ (Dziga Vertov, Regisseur von Der Mann (!) mit der Kamera)
Otto Lara Rezende ou... Bonitinha, Mas Ordinária / Quellen der Erotik, Jose P. Carvalho, 1963
Ein heftigerer Kontrast zu Benazerafs Podesten, auf die er seine Frauen manchmal ganz buchstäblich stellt, ist kaum denkbar. Mit der neuen "Eroberung" (was hier noch ganz so gemeint ist, wie es klingt) in den Wald hinausfahren, und sich dort nehmen, was man will, wenn man nicht gerade von einem Leprakranken vertrieben wird: Das ist der Grundzustand in der Welt des brasilianischen Kongressfilms, in einer Welt, in der das Patriarchat sich noch ganz unverblümt als Terrorherrschaft offenbaren darf (und immerhin auch entsprechende Gesichtszüge trägt...).
Eine ziemlich unfassbare, von Kongressentdeckung Rudolf Lubowski, seines Zeichens als Gespenst im Unterleib der deutschen Unterhaltungsindustrie ganz unbedingt subject for further research, angemessen asozial synchronisierte Vergewaltigungsseifenoper, in der nichts ist mit unerreichbar; anblicken heißt besitzen und besitzen heißt entehren. Besonders perfide ist der Film, weil er letzteres zunächst in Frage zu stellen scheint: Dem Protagonisten wird die Ehe mit einem gründlich "entehrten" (die entsprechende Szene wird vom Film gleich zweimal zelebriert) Mädchen angeboten, gegen eine "Aufwandsentschädigung" sogar (gleich noch eine Sublimierung, mit der der Film radikal aufräumt: Sex ist nicht mehr nur irgendwie, sondern ganz direkt, Währung, die Subjektivität darf sich da gar nicht erst zu Wort melden) - später stellt sich dann aber ausgerechnet über dieses Mädchen allerhand Unerhörtes heraus. (Sie ist gleichwohl die interessanteste Figur, auch die interessanteste Schauspielerin im Film, sie scheint der Geschichte immer wieder zu entgleiten, einmal, in einer der sonderbarsten Szenen des Kongresses, stromert sie verträumt und angewidert zugleich durch den Vergewaltigungswald, himmelt später verschwitzt ein Bild ihres Bräutigams an).
Entstanden ist der Film kurz vor den Gründungswerken des cinema novo, deren gut gemeinte Sozialpädagogik reichlich stumpf erscheint angesichts eines zwar nicht überragend, aber sehr souverän inszenierten pot boiler, der keine Gefangene macht (auch nicht auf dem Kongress: im Filmhausgang hinterher Fassungslosigkeit auf allen Gesichtern).
Farbige Liebelei, Kurt Baum, 1956
Ein Kulturfilm dieses Titels, der Hochzeitsriten eines südafrikanischen Stammes zum Thema hat, weckt schlimme Befürchtungen, die sich als weitgehend unbegründet herausgestellt haben. Farbige Liebelei ist ein klassischer ethnografischer Kurzfilm, zwar von den reflexiven Wendungen des Genres in den Folgejahrzehnten noch komplett unberührt, aber sorgfältig gemacht, mit Respekt für die Portraitierten, die in den klassisch humanistischen Einstellungen des Spielfilms, also als handelnde Subjekte, portraitiert werden. Wenn ethnografische Filme mehr über die Kultur ihrer Macher als über die der portraitierten aussagen, dann gibt Farbige Liebelei vielleicht einen Hinweis daraus, dass die Adenauer-BRD bei aller Verlogenheit im Umgang mit der NS-Vergangenheit zumindest innerhalb gewisser Grenzen ein Projekt der Rezivilisierung war. (Wenn ich dagegen an die NS-Kulturfilme denke, die ich kürzlich gesehen habe: yuck!)
Die Liebesquelle, Ernst Hofbauer, 1966
Ausgerechnet mit dem Namenspatron der Veranstaltung werde ich nach wie vor nicht warm. Ich kann in Hofbauer nicht mehr sehen, als einen mittelmäßigen metteur de scene, der alles, was ihm vor die Linse kommt, souverän, aber emotions- und empathielos herunter kurbelt, der seine eigenen Ambitionen dabei auf eher fade Formalismen (hier vor allem: Sounddesign wie vom Karnevalsumzug, adrette Spielereien mit einem Pinkelbrunnen, Allusionen an den Western, die allerdings immer wieder von besonders dämlicher Deutschtümelei eingefangen werden) beschränkt. Gerade nach Eberhard Schröders tollen Klosterschülerinnen möchte ich mich damit nicht so recht abfinden...
Zugegeben: Hofbauer arbeitet hier von Anfang an mit fürchterlichem Material. Dass seine Krimis mir gefallen könnten, will ich nicht ausschließen...
Anatomie des Liebesakts, Herrmann Schnell, 1970
Sollte als stählerner Überaschungsfilm auch die härtesten Weichklopfen. Das hatten bei mir schon Hofbauers mit dem Vorschlaghammer inszenierte Schenkelklopfer besorgt. In Herrmann Schnells aseptisch-entfärbten Liebesanleitungen, vorgetragen von einem recht bissigen Gelehrten, der die Klitoris für überschätzt hält und auch fürs Vorspiel wenig übrig hat, illustriert von wiederum sehr blonden, weitgehend asexuellen Beispielsmenschen und putzigen animierten Illustrationen, habe ich mich dagegen zumindest von vier bis sechs morgens, bei schon deutlich gedämmter Aufmerksamkeit, gar nicht einmal so unwohl gefühlt. Schöner Rhythmus, alles in allem.
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