1973 wurde der Film von der DDR-Zensur nicht einfach nur wie viele andere verboten, sondern vernichtet. Überlebt hat eine Arbeitskopie, beziehungsweise inzwischen nur noch deren Negativ; jedenfalls nur schwarz-weiß-Material eines einst in Farbe gedrehten Films... oder so ähnlich, die Texteinblendungen vor dem Film erklären es genauer, jedenfalls lief der Film im Zeughaus in sw, außerdem (schwammig) digitalisiert, mindestens der Abspann fehlt außerdem, vermutlich noch mehr. Linda, dem norddeutsch-kühlen Zentrum einer Dreiecksgeschichte und auch des gesamten Films, steht das Schwarz-Weiß, dem Rest des Films nicht allzu sehr.
Ironischerweise zeigt sich mir gerade in diesem von der ostdeutschen Zensurgeschichte und dem gesamtdeutschen Desinteresse an Filmgeschichte gründlich geprügelten Film die DDR als ein recht sympathischer Ort; nicht als ein sympathisches Land zwar, aber das Land, die Nation ist ja nur ein Aspekt von Ort. Dass das Land DDR in den frühen Siebzigern genau wie wahrscheinlich auch die BRD noch in stärkerem (oder nur anderem?) Maß als das heutige Deutschland ein Land der alten, fantasielosen Männer war, das zeigt der Film schon. Aber er zeigt auch viele andere Menschen, meist, aber auch wiederum nicht nur, jüngere Menschen, die ganz anders auf mich gewirkt haben als die meisten anderen Menschen, die mir bisher in den (zugegeben sehr wenigen) Defa-Filmen, die ich kenne, begegnet waren. Sonst hatte ich da oft den Eindruck, dass fast alles, was diese Menschen angeht, schon vor Filmbeginn entschieden ist, dass es nur noch um ein paar Äußerlichkeiten geht - selbst dann, wenn jemand im Film zum rechten Glauben an den Sozialismus bekehrt werden soll, gibt es doch schon von Anfang an innere Dispositionen, Zielgerichtetheit. In Die Taube auf dem Dach ist Zustimmung / Ablehnung zum Staat gar nicht einmal das Problem, und doch wirken die Menschen für einmal tatsächlich unsicher, suchend. Auch das Sprunghafte, Energische, Spielerische des Films (besonders schön: das junge Paar, das im Partnerlook durch den Film läuft, einmal auf einem Tandem fährt) kannte ich nicht aus dem Defa-Film; aus einigen deutschen, vor allem Münchner Filmen der Zeit schon, aber die haben dann wiederum den Anspruch gar nicht, über die Gesellschaft als Ganze nachzudenken (müssen sie auch nicht, klar, unbedingte Asozialität ist mir eh meistens sympathischer, an Die Taube auf dem Dach interessiert mich dieser breitere Fokus auch nur soweit, wie sich dieses Nachdenken den Figuren im Film selbst aufdrängt).
Die Taube auf dem Dach scheint auch ein Film über das Verhältnis des Staatssozialismus zu den neuen linken Bewegungen oder zumindest deren Themen in Westeuropa und Amerika zu sein; vor allem ein Film über den neuen Internationalismus, der eben nicht mehr im gemeinsamen Singen der Internationalen aufgeht: Im Büro des Baubetriebs, um den herum der Film sich zeitweise organisiert, hängt ein Angela-Davis-Plakat, Daniel, eine der Hauptfiguren, wohnt in einem Zimmer mit einem Libanesen, der wiederum Palästinazeug aufhängt, einmal wird für Vietnam gesammelt. Ausformuliert wird da nichts, vermutlich war das nicht nötig, die antiimperialistischen/-zionistischen Gemeinplätze waren wohl präsent genug, samt aller problematischer Kurzschlüsse (ein langsamer Schwenk über arabische Kinder in einem Kriegsgebiet, dazu orientalistisch klagende Musik). Weit weniger offen durfte sich vermutlich die Frage artikulieren, wie sich ein verkleinbürgerlichter, sich seine Orden täglich blankpolierender Staatssozialismus zu all dem verhalten könnte.
In der szenischen Auflösung, im Schauspiel auch ist der Film frei und unfrei zugleich. Unfrei wirkte auf mich immer wieder das Sprechen, nicht unbedingt primär die Dialoge (wobei es da angestrengte Momente gibt, zB wenn Linda in Erregung ins Plattdeutsch (?) ihrer Eltern zurückfällt, das wirkt leider entgegen der Intention hochgradig unspontan), eher manchmal allgemeiner ein überhastetes Verbalisieren: jetzt fühlst Du das, aber Du musst das dann auch gleich aussprechen, und Du musst dann etwas zu schnell die etwas zu passenden Worte finden. Allerdings fällt das nur auf, weil der Grundzustand des Films die Freiheit ist, das Hin und Her zwischen Perspektiven, zwischen verschiedenen Männern, zwischen Lebensentwürfen. Auch immer wieder: eine kommunikative Freiheit der Körper, eine Freiheit des Gestischen. Die junge dunkelhaarige Frau, die Daniel beibringt, wie er einen Kran zu führen habe (nämlich so, als würde er eine Frau streicheln, auf sie zu gehen); die ältere dunkelhaarige Frau, die plötzlich in Tränen ausbricht und sich an die Schulter eines Mannes lehnt - aber man merkt, sie will nicht getröstet werden, sie würde sich genauso an einen Baum lehnen, wenn einer da stünde; Linda, wie sie den älteren der beiden Männer, zwischen denen sie schwankt, Blumen, die sie ihm eigentlich schenken wollte, auf den Oberkörper wirft, nachdem sie merkt, dass sie das nicht will, diejenige sein, die ihm Blumen gibt; wiederum Linda (es sind fast immer die Frauen, von denen solche Übergriffe ausgehen), wie sie den jüngeren der beiden Männer, in der schönsten Szene des Films, am Hosenbund festhält, als der aus dem Fenster springen will.
Ironischerweise zeigt sich mir gerade in diesem von der ostdeutschen Zensurgeschichte und dem gesamtdeutschen Desinteresse an Filmgeschichte gründlich geprügelten Film die DDR als ein recht sympathischer Ort; nicht als ein sympathisches Land zwar, aber das Land, die Nation ist ja nur ein Aspekt von Ort. Dass das Land DDR in den frühen Siebzigern genau wie wahrscheinlich auch die BRD noch in stärkerem (oder nur anderem?) Maß als das heutige Deutschland ein Land der alten, fantasielosen Männer war, das zeigt der Film schon. Aber er zeigt auch viele andere Menschen, meist, aber auch wiederum nicht nur, jüngere Menschen, die ganz anders auf mich gewirkt haben als die meisten anderen Menschen, die mir bisher in den (zugegeben sehr wenigen) Defa-Filmen, die ich kenne, begegnet waren. Sonst hatte ich da oft den Eindruck, dass fast alles, was diese Menschen angeht, schon vor Filmbeginn entschieden ist, dass es nur noch um ein paar Äußerlichkeiten geht - selbst dann, wenn jemand im Film zum rechten Glauben an den Sozialismus bekehrt werden soll, gibt es doch schon von Anfang an innere Dispositionen, Zielgerichtetheit. In Die Taube auf dem Dach ist Zustimmung / Ablehnung zum Staat gar nicht einmal das Problem, und doch wirken die Menschen für einmal tatsächlich unsicher, suchend. Auch das Sprunghafte, Energische, Spielerische des Films (besonders schön: das junge Paar, das im Partnerlook durch den Film läuft, einmal auf einem Tandem fährt) kannte ich nicht aus dem Defa-Film; aus einigen deutschen, vor allem Münchner Filmen der Zeit schon, aber die haben dann wiederum den Anspruch gar nicht, über die Gesellschaft als Ganze nachzudenken (müssen sie auch nicht, klar, unbedingte Asozialität ist mir eh meistens sympathischer, an Die Taube auf dem Dach interessiert mich dieser breitere Fokus auch nur soweit, wie sich dieses Nachdenken den Figuren im Film selbst aufdrängt).
Die Taube auf dem Dach scheint auch ein Film über das Verhältnis des Staatssozialismus zu den neuen linken Bewegungen oder zumindest deren Themen in Westeuropa und Amerika zu sein; vor allem ein Film über den neuen Internationalismus, der eben nicht mehr im gemeinsamen Singen der Internationalen aufgeht: Im Büro des Baubetriebs, um den herum der Film sich zeitweise organisiert, hängt ein Angela-Davis-Plakat, Daniel, eine der Hauptfiguren, wohnt in einem Zimmer mit einem Libanesen, der wiederum Palästinazeug aufhängt, einmal wird für Vietnam gesammelt. Ausformuliert wird da nichts, vermutlich war das nicht nötig, die antiimperialistischen/-zionistischen Gemeinplätze waren wohl präsent genug, samt aller problematischer Kurzschlüsse (ein langsamer Schwenk über arabische Kinder in einem Kriegsgebiet, dazu orientalistisch klagende Musik). Weit weniger offen durfte sich vermutlich die Frage artikulieren, wie sich ein verkleinbürgerlichter, sich seine Orden täglich blankpolierender Staatssozialismus zu all dem verhalten könnte.
In der szenischen Auflösung, im Schauspiel auch ist der Film frei und unfrei zugleich. Unfrei wirkte auf mich immer wieder das Sprechen, nicht unbedingt primär die Dialoge (wobei es da angestrengte Momente gibt, zB wenn Linda in Erregung ins Plattdeutsch (?) ihrer Eltern zurückfällt, das wirkt leider entgegen der Intention hochgradig unspontan), eher manchmal allgemeiner ein überhastetes Verbalisieren: jetzt fühlst Du das, aber Du musst das dann auch gleich aussprechen, und Du musst dann etwas zu schnell die etwas zu passenden Worte finden. Allerdings fällt das nur auf, weil der Grundzustand des Films die Freiheit ist, das Hin und Her zwischen Perspektiven, zwischen verschiedenen Männern, zwischen Lebensentwürfen. Auch immer wieder: eine kommunikative Freiheit der Körper, eine Freiheit des Gestischen. Die junge dunkelhaarige Frau, die Daniel beibringt, wie er einen Kran zu führen habe (nämlich so, als würde er eine Frau streicheln, auf sie zu gehen); die ältere dunkelhaarige Frau, die plötzlich in Tränen ausbricht und sich an die Schulter eines Mannes lehnt - aber man merkt, sie will nicht getröstet werden, sie würde sich genauso an einen Baum lehnen, wenn einer da stünde; Linda, wie sie den älteren der beiden Männer, zwischen denen sie schwankt, Blumen, die sie ihm eigentlich schenken wollte, auf den Oberkörper wirft, nachdem sie merkt, dass sie das nicht will, diejenige sein, die ihm Blumen gibt; wiederum Linda (es sind fast immer die Frauen, von denen solche Übergriffe ausgehen), wie sie den jüngeren der beiden Männer, in der schönsten Szene des Films, am Hosenbund festhält, als der aus dem Fenster springen will.
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