Saturday, June 28, 2014

Circus World, Henry Hathaway, 1964

Die erste Spur von Rita Hayworth nimmt John Wayne zwischen roten, europäischen Tapeten auf, in einer halbseidenen Absteige. Das Zimmer seiner ehemaligen Geliebten (und Filmmutter von Claudia Cardinale), das die Wirtin ihm zeigt, verbindet Klösterliches mit einem Hauch dekorativen Halbwelt-Charmes: ein Hauch von Buntglas, aber das Kruzifix insistiert. Nachdem die rothaarige Wirtin die Tür öffnet, bietet sich das Zimmer erst unbewohnt den Blicken dar. Dann betritt Wayne den Raum, ihren Raum. Der Film jedoch macht sich nicht mit seiner Bewegung gleich, er betritt den Raum nicht mit, macht ihn sich nicht zu eigen. Er vollzieht nach, wie Wayne sich in etwas Fremdem bewegt, lässt das framing stehen (aber nicht diktatorisch streng: wenn Wayne sich bückt, interessiert Hatahway sich dafür, was er am Boden findet). Die Einstellung teilt den Raum nicht; der Raum ist die Einstellung, bleibt die Einstellung. Der Film bleibt in der gesamten Szene eher bei der Wirtin, als bei Wayne, dem Star. Hayworth wiederum, die wenig später, erst verhüllt, dann immer glamouröser, in den Film eindringen wird, bleibt tatsächlich bis zum Schluss opak, lediglich zu Stillleben arrangierte Splitter ihrer Existenz finden, isoliert in Großaufnahme, ins Bild (aber was für eine Existenz: Kreuze, Alkohol, Selbstmord). Am Ende der Szene eine Überblendung vom letzten Blick aufs Zimmer auf die Plakatfronten der Zirkuswelt, die den Film sonst fest im Griff hat - eigentlich zeigt wirklich nur diese eine Szene im tristen Zimmer des alteuropäischen Schmuddelhotels an, dass es eine Welt außerhalb des Spektakels gibt (aber, nochmal, was für eine Welt: Kreuze, Alkohol, Selbstmord).











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Am Ende brennt der Zirkus, die Frauen schweben in die Höhe (wäre auch eine Untersuchung wert: Hathaway und Vertikalität - gerade in den Scopefilmen scheinen die Auf- und Untersichten ein Mittel zu sein, das unkontrolliert in die Breite zu entschwinden drohende Bild wieder angemessen unter Druck zu setzen), reißen die Planen herunter, geben den Blick frei auf die edeleuropäische Renaissancekulisse (die Drehorte des Films...). Und das letzte Spektakel, das nicht nur deshalb für sein ganzes Kino einstehen kann, inszeniert Hathaway zumindest teilweise unter freiem Himmel.
















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Sicherlich hatten viele damals Circus World zu jenen überdimensionierten Superproduktionen der 1960er gezählt, mit denen sich das klassische Hollywood nicht nur ökonomisch, sondern auch künstlerisch desavouiert hatte. Ich habe in den letzten Jahren einige dieser Filme gesehen; fast durchweg interessieren sie mich inzwischen mehr, als all die smarten New-Alternativen, die ein paar Jahre später auftauchen. Circus World zumindest ist ein Meisterwerk. Wo hätte New Hollywood jemals solche Durchgänge gefilmt?




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