Friday, April 22, 2016

Twilight at Mac's Place von Ross Thomas

Die ersten drei McCorkle-Romane von Ross Thomas, entstanden 1966 bis 1971, sind geschickt konstruierte, im besten Sinne reißerische Spannungserzählungen, die fest verwurzelt sind in der Gegenwart des kalten Kriegs und seiner geopolitischen Nebenschauplätze. Der vierte McCorkle-Roman, nach einer Pause von fast 20 Jahren 1990 nachgelegt (und eigentlich gar kein McCorkle-Roman mehr, weil McCorkle nicht viel mehr zu tun hat, als einmal jemendem ein Bein zu stellen), ist etwas völlig anderes. Die Gegenwart wird überschwemmt von Vergangenheit; aber von einer Vergangenheit, die einem umso mehr unter den Fingern zerrinnt, je genauer man sie unter die Lupe nimmt. Die sich nach und nach als ein tödliches Nichts herausstellt, das alles verschlingt, was ihm zu nahe kommt.

Es gibt zwar noch einen "Fall", noch Leichen, die sich anhäufen, Verwicklungen, die durchdrungen werden wollen, aber was dabei genau auf dem Spiel steht, kann keiner mehr so genau sagen. Zumindest keine Zukunft, eigentlich auch keine Gegenwart. Kaum jemand trauert um die Toten, schon beim Begräbnis, mit dem der Roman beginnt, treffen nur drei Trauergäste ein, alle drei haben taktische Gründe für ihre Anwesenheit. Später entschuldigt sich die eine oder andere Figur: Ich wollte eigentlich, aber... Sie haben natürlich eh recht: Von den drei Trauergästen sind zwei bald darauf ebenfalls tot, wie als Strafe dafür, dass sie es wagen, sich selbst in der Geschichte, als historische Wesen zu positionieren.

Melancholisch ist das Buch höchstens gelegentlich an der rhetorischen Oberfläche (wobei die sardonischen Spitzen noch härter treffen als in den Vorgängern - "The sudden discomfort (...) was in the region where his heart was supposed to be"). Schon der Titel ruft keine nostalgische Sehnsucht auf, sondern bezeichnet eine Nivellierung: Es herrscht immer Dämmerung in Mac's Place. "[T]wilight (...) was precisely what was needed to flatter the features of customers over thirty, yet enable them to read the menu without striking a match. Customers under thirty (...) would regard the gloom as atmosphere, maybe even ambience". Für romantisch verwegene "customers under thirty" ist dieses Buch nicht geschrieben. Seine Perspektive ist die der ewigen Dämmerung des Servicekapitalismus, aus der man gelegentlich kurz heraustreten muss, um den reibungslosen Ablauf der Dinge zu gewährleisten. Genreliteratur, vom Ende der Geschichte her gedacht.

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Jemand hat seine Erinnerungen aufgeschrieben. Oder er hat behauptet, sie aufgeschrieben zu haben, bevor er überraschend gestorben ist. Auf diese Text gewordenen Erinnerungen richten sich allerlei politische und kriminelle Interessen, da vom Lebenslauf der Person auf ihre Erinnerung geschlossen wird. Schon das ist ein Fehler. Genauer gesagt geht es nicht um den Text selbst, sondern um sein Copyright. Lesen will ihn eigentlich von Anfang an kaum einer. Ein paradoxer Text hinter dem Text ist das: Einerseits kommt sehr bald der Verdacht auf, dass er gar nicht existiert (bzw aus Blindtext besteht), andererseits vervielfältigt er sich in Windeseile. ("The phrase 'only copy' has always bothered me").

Aber die eigentliche Pointe ist eine andere: Der Text existiert zwar tatsächlich, aber er ist die Aufregung, ist auch die Toten nicht wert. Eben weil der kalte Krieg, auf den sich die Erinnerung bezieht, nur noch das ist: eine Sammlung von Text. Mal mehr, mal weniger spannend, aber eigentlich völlig egal.

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