Ein paar einführende Worte zu einer Vorführung von Frank LaLoggias Lady in White, am 5.6. im Österreichischen Filmmuseum.
Die Achtziger Jahre waren allgemein ein gutes Jahrzehnt für den amerikanischen Horrorfilm; vielleicht sein bislang letztes wirklich gutes Jahrzehnt. Nebenbei: Wenn in der Reihe hier im Filmmuseum davon nicht so viel zu sehen ist, dann deswegen, weil eine ergänzende, parallele Reihe im Filmmuseum sich da jeden Freitag umso tiefer vorwagt. Selbst Autoren wie Robin Woods, die im Achtzigerjahrekino grundsätzlich nur Reaganisiertes und den Ausverkauf der Siebzigerjahre-Utopien finden, gestehen ein, dass das Horrorgenre zumindest für einige Regisseure ein Refugium des Widerständigen war, dass also neben den wie am Fließband produzierten Slasherfilmen in der direkten oder indirekten Halloween-Nachfolge Platz war für Filme, die den gesellschaftlichen Härten der Achtziger die angemessenen blutigen Bilder entgegen setzten. Lady in White freilich, der Horrorfilm des heutigen Abends, ist ein ganz besonderer Fall: zum einen ist das ein klassischer Gruselfilm ohne extreme Schockbilder
Lady in White ist ein Film, von dem man beim besten Willen nicht behaupten kann, er wäre aus der Mitte des amerikanischen Kinos entsprungen. Entstanden ist er außerhalb der Industrie, in Rochester, NY, der Heimatstadt Frank LaLoggias, der in Personalunion als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent fungiert. LaLoggia ist einer von vielen Außenseitern des amerikanischen Kinos der letzten Jahrzehnte. Gerade einmal drei Filme, allesamt Horrorfilme, hat LaLoggia zwischen 1981 und 1995 drehen können, der letzte erschien schon nur noch auf Video, seither hat er keinen weiteren mehr fertiggestellt - wobei er derzeit, habe ich vor kurzem erfahren, wieder versucht, ein neues Projekt auf die Beine zu stellen.
Diese Außenseiterschaft war nicht der ausschlaggebende Grund für die Auswahl des Films, aber es ist, glaube ich, durchaus wichtig, dass man nicht nur entlang von Erfolgsgeschichten erzählt, wenn man sich einem Kinojahrzehnt als Ganzem annimmt, wie diese Reihe es tut. Dass man nicht nur die besonders produktiven Regisseurskarrieren nachzeichnet, nicht nur die das Jahrzehnt im Rückblick prägenden Genres und Motive auflistet; sondern sich auch für gescheiterte Karrieren interessiert, für Filmografien, die unfertig wirken und die oft auf Abzweigungen verweisen, die das Kino als Ganzes nicht eingeschlagen hat.
Lady in White ist nicht einfach nur eine Independentproduktion in dem Sinne, dass in dem Film kein Geld von einem der sechs Majorstudios steckt; LaLoggia gründete für den Film eine Aktiengesellschaft und verkaufte, mithilfe eines zehnminütigen Promotrailers, Anteile seines Projekts noch vor Drehbeginn an der Börse, mit einem Eingangspreis von zehn Cent pro Aktie. Wie genau er auf diese Weise 4,7 Millionen US-Dollar zusammenbekommen hat, habe ich ehrlich gesagt nicht bis ins letzte Detail verstanden, er behauptet jedoch, insgesamt mehrere Tausend Kleinanleger als Investoren gewonnen zu haben; die Tatsache, dass er seither nicht noch einmal etwas Ähnliches versucht hat, spricht dafür, dass das Finanzierungsmodell doch nicht allzu nachhaltig war. Zumindest ist das eine schöne Idee, eine viel schönere eigentlich als das derzeit so weit verbreitete Crowdfunding, bei dem es nur daraum geht, dem jeweiligen persönlichen Lieblingsregisseur ein Almosen zukommen zu lassen: Dass da risikofreudige Kleinanleger aus dem ganzen Land zusammengekommen sind, weil sie an eine bestimmte Art von Kino glauben, das die nur noch in Hundertmillionenbeträgen denkenden Studios nicht mehr produzieren wollen.
Dass ausgerechnet diese Außenseiterposition in unserer Reihe gelandet ist und nicht eine von fast unzähligen anderen, liegt auch daran, dass LaLoggias Außenseiterschaft keine selbstgewählte ist: ähnlich wie George Romeros Knightriders könnte man auch Lady in White als einen “hypotetischen Blockbuster” bezeichnen. Vielleicht passt eine solche Bezeichnung hier sogar noch besser. Lady in White ist ein Film, der von Anfang bis Ende im Idiom des Populären erzählt ist - vielleicht nicht im Idiom des zeitgenössischen, seinerseits immer schon auf einzelne Zielgruppen zugeschnittenen Populären, eher in einer erzählerischen und visuellen Rhetorik, die auf ähnliche Weise auf ein maximal breites Publikum zielt, wie es zum Beispiel die Filme des klassischen Hollywoodkinos vor der Einführung unterschiedlicher Altersfreigaben getan hatten: ein Horrorfilm für die ganze Familie, dessen kindliche Haupt- und Identifikationsfigur.
Es mag seltsam erscheinen, ausgerechnet einen Film mit dem klassischen Hollywoodkino in Verbindung zu bringen, der komplett außerhalb der Filmindustrie seiner Zeit entstanden ist und dessen Entstehungsgeschichte gerade zur arbeitsteiligen Produktionswirklichkeit einer solchen Idee einen denkbar harten Kontrast bildet.
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