Ein paar einführende Worte zu einer Vorführung von Bill Forsyths Housekeeping, am 5.6. im Österreichischen Filmmuseum.
Housekeeping war ein Film, auf den wir in unserer Recherche recht spät gestoßen waren, der aber zumindest für mich, ich glaube auch für Nikolaus Perneczky zu einem der wichtigsten Filme der Reihe geworden ist. Zunächst ein paar Worte zur Produktion, weil schon die Existenz dieses Films inmitten des amerikansichen Mainstreamkinos uns, auch nach unserer vorherigen intensiven Beschäftigung mit demselben, noch einmal besonders überrascht hat.
Housekeeping, die erste amerikanische Regiearbeit Bill Forsyths, ist sicherlich einer der ungewöhnlichsten Filme, der von einem Hollywood-Major-Studio in den 1980er-Jahren produziert wurde; wobei man gleich dazu sagen muss, dass unsere Reihe auch ansonsten geeignet ist, aufzuzeigen, wie problematisch es ist, von Mainstream- und Independentkino zu sprechen und dabei nicht zwischen ästhetischen und filmindustriellen Kategorien zu unterscheiden. James Camerons Terminator zum Beispiel, ein Film, der aus heutiger Sicht wie kaum ein zweiter unserer Reihe den filmästhetischen Mainstream anzeigt, ist eine Independentproduktion, die von Orion Pictures in die Kinos gebracht wurde. Die literarisch inspirierte, feinsinnige Außenseitergeschichte, die Sie gleich sehen werden, wurde dagegen von der Columbia sowohl produziert als auch verliehen.
Freilich ist Housekeeping kein typischer Major-Film der 1980er. Die Produktion von Housekeeping fällt in den recht kurzen, gerade einmal gut 13 Monate langen Zeitraum zwischen August 1986 und Oktober 1987, in dem der Brite David Puttnam die Columbia leitete. Aus derselben Phase, deren rasches Ende für einige Beobachter ein unheilvolles Vorzeichen für die weitere Entwicklung der amerikanischen Filmindustrie war - kurz nach Putnams Entalssung wurde Columbia an Sony verkauft - stammen noch zwei weitere Filme der Reihe: Ridley Scotts Noir Someone to Watch Over Me sowie Jim McBrides The Big Easy, den die Columbia allerdings nicht selbst produzierte, sondern lediglich einkaufte und in den Verleih aufnahm.
Puttnam hatte in den Siebzigern als unabhängiger Produzent begonnen. Zu seinen frühen Filmen zählen einige Regiearbeiten Ken Russells, der große Erfolg kam dann allerdings mit den Filmen einer Gruppe britischer Regisseure, die mit seiner Hilfe aus der Werbung in den Spielfilm überwechselten: zum Beispiel Ridley Scott, der auch in unserer Reihe vertreten ist, außerdem einige Filmemacher, deren Fehlen in unserer Reihe durchaus ein wenig programmatisch zu verstehen ist (zumindest von meiner Seite): allen voran sind da Alan Parker und Adrian Lyne zu nennen. Insgesamt stand Puttnams Name also nicht für kleinformatiges Autorenkino, sondern eher für die geleckt produzierte Qualitätskinovariante des High-Concept-Films.
Die introspektiven Filme des Schotten Forsyth passen schon deshalb nicht so recht in diese Gruppe, weil der Regisseur nicht von der Werbung, sondern vom Dokumentarfilm und dem public television zum Kino wechselte. Dennoch produzierte Putnam auch Forsyths größten Erfolg, die Komödie Local Hero, holte auch ihn anschließend nach Hollywood und blieb ihm sowohl über seinen eigenen Misserfolg bei Columbia, als auch über Forsyths Misserfolg mit Housekeeping an den Kinokassen hinweg treu: Puttnam produzierte auch Forsyths dritten und letzten amerikanischen Film Being Human, der allerdings vom distributor Warner Brothers so schäbig behandelt wurde, dass der Regisseur sich endgültig von Hollywood abwandte.
Vom Film selbst möchte ich nicht viel vorwegnehmen; auch ein wenig, damit Sie, falls Sie in den letzten Wochen schon ein paar andere Filme in unserer Reihe gesehen haben, vielleicht ein wenig unser Erstaunen über seine Besonderheit nachfühlen können. Andererseits interessiert uns natürlich auch Housekeeping nicht in erster Linie als eine isolierte Besonderheit inmitten eines von ihm völlig verschiedenen Kinos, sondern als ein Film zwischen anderen Filmen.
Zunächst wollten wir in unsere Auswahl nur solche Filme aufnehmen, deren Handlung in der mehr oder weniger unmittelbaren Gegenwart der 1980er-Jahre situiert war. Der Gedanke hinter dieser reichlich strengen Einschränkung war, dass wir das Hollywoodjahrzehnt der 1980er-Jahre eben nicht als die Dekade des filmischen Eskapismus diskreditieren, sondern als einen Kinozusammenhang vorstellen wollten, dem seine Zeitgenossenschaft eingeschrieben ist. Recht schnell hatten wir dann allerdings festgestellt, dass wir dieses Kriterium gleich in zwei Richtungen aufweichen müssen, wenn die Filmauswahl eben diesem Anspruch auch nur halbwegs gerecht werden soll: Zum einen kommt man nicht darum herum, die Science-Fiction-Dystopien des Jahrzehnts als eindringliche Zeitdiagnosen zu lesen; und zum anderen, vielleicht noch wichtiger, entstand in den Achtzigern eine fast schon unüberschaubare Menge an Filmen, die in den Fünfziger und Sechziger Jahren spielen und die dabei einen nostalgischen Modus aufrufen, der unverkennbar nicht nur ein Kommentar über die Vergangenheit sein will, sondern der recht genaue Ideen darüber entwickelt, wie diese Vergangenheit sich zur damaligen Gegenwart verhält.
Einige dieser Nostalgiefilme konnten Sie in unserer Reihe schon sehen: Christine von John Carpenter zum Beispiel, oder The Outsiders von Francis Ford Coppola; übermorgen läuft als eine besonders interessante Variantion auf dieses informelle Genre der poetische Kinderhorrorfilm Lady in White. Die beiden vielleicht schönsten Filme aus diesem Zusammenhang sind heute zusammen programmiert: gerade eben John Sayles’ Baby It’s You, jetzt gleich Housekeeping.
Wobei letzterer auch in dieser Gruppierung wieder ein spezieller Fall ist. In den meisten hier programmierten Nostalgiefilmen kann man davon ausgehen (auch wenn das natürlich trotz allem im Bereich des Spekulativen bleibt), dass das Objekt der Nostalgie zumindest teilweise in eins fällt mit einer recht spezifischen biografischen Nostalgie der jeweiligen Filmregisseure: Festmachen kann man das nicht zuletzt an den Soundtracks, die derart liebevoll die Popkultur jeweils sehr spezifischer Epochen rekonstruieren, dass man nicht umhin kommt, eine gewisse fetischistische Investition zu unterstellen.
Housekeeping funktioniert ganz anders, nicht nur, weil Popmusik sehr sparsam eingesetzt wird - und da, wo sie doch auftaucht, ganz sicher keine warme Nostalgie aufruft. Falls Bill Forsyth in dem Film eigene biografische Erfahrungen verarbeitet, dann höchstens auf völlig andere, weil mehrfach vermittelte Art: Während er selbst in seiner Jugend in Glasgow lebte, erzählt der Film von zwei Mädchen, die in den Fünfziger Jahren in einem kleinen Ort im pazifischen Nordwesten heranwachsen. Außerderm basiert der Film auf einem Roman der Schriftstellerin Marilynn Robinson; man muss nicht zuviel daraus machen, aber ich glaube, dass auch diese weibliche Perspektive der Vorlage dafür sorgt, dass Housekeeping einen komplett anderen Zugang zur Vergangenheit sucht als die popkulturgetränkten Jungsfilme, die das Nostalgiegenre der Zeit dominierten. (The Outsiders basiert ebenfalls auf dem Roman einer Schriftstellerin basiert - S.E. Hinton -, eine weibliche Perspektive entwickelt der Film aber sicher nicht).
Auch in den anderen hier erwähnten und in dieser Reihe gezeigten Filmen bleibt die Nostalgie nicht ungebrochen. Housekeeping jedoch ist ein Film, nach dem sich jede Form von Sehnsucht nach Heimat und Ursprung zumindest ein wenig falsch anfühlen muss.
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