Ein paar einführende Worte zu einer Vorführung von Robert Aldrichs ...All the Marbles, am 08.05. im Österreichischen Filmmuseum.
Zum zweiten Film des heutigen Abends nur noch ein paar Worte: Genauso, wie das Filmprogramm „The Real Eighties“ nicht einfach nur das 1980er-Hollywoodkino repräsentieren möchte, repräsentiert Robert Aldrichs ...All the Marbles ebenfalls nicht einfach nur das Filmprogramm „The Real Eighties“. Wir hoffen, dass unsere Filmauswahl das Hollywoodkino der 80er von einer besonders interessanten, anregenden Perspektive aus erschließt – und ich bin mir ziemlich sicher, dass der Film des heutigen Abends ein besonders vorteilhaftes Licht auf unser Programm werfen wird.
...All the Marbles ist ein Film – nicht der einzige der Auswahl – der in gewisser Weise gleichzeitig nach und vor New Hollywood anzusiedeln ist, was nicht nur mit der Biografie seines Regisseurs Robert Aldrich zu tun hat. Ein Film, der von den Erneuerungsbewegungen der Sechziger und Siebziger mitgenommen hat, was er für seine eigenen Zwecke benötigt – einen entkrampften, ehrlichen Umgang mit Sexualität zum Beispiel und eine von den Zwängen der Selbstkontrolle befreite Sprache. Ein Film, der aber gleichzeitig viel von dem behalten hat, was das klassische Studiokino, das Ende der Sechziger Jahre von vielen zum Auslaufmodell erklärt worden war, so großartig gemacht hatte. Vor allem vielleicht eine Art entspannte Hybridität der Stimmungen, Tonlagen und Genres. ...All the Marbles ist, bei aller konventioneller Sportfilm-Dramaturgie im Großen, im Kleinen ein völlig unberechenbarer und exzentrischer Film, der einen und vielleicht auch sich selbst mit seinen Volten andauernd überrascht. Außerdem ist der Film, auch das verbindet ihn meiner Meinung nach mit dem klassischen Hollywoodkino, einerseits als Spektakelkino goutierbar (und zwar ohne schlechtes Gewissen); und andererseits leistet er eine Art halbreflexive Kulturkritik, die sich zum Beispiel in jenen hochgradig sonderbaren Sequenzen manifestiert, in denen Peter Falk mit seinen California Dolls zu Opernmusik durch staubig-ölige Industriepanoramen fährt.
Eine andere Spur, die man in ...All the Marbles aufnehmen und hoffentlich in einigen anderen Filmen der Reihe weiterverfolgen kann: Das Achtziger-Jahre-Kino ist auch ein Kino der Entwurzelten. Auf andere Art konnte man das, glaube ich, gerade in Hoppers Out of the Blue sehen. Da war die Entwurzelung eine biografische, gleichzeitig aber sozusagen auch eine nationalbiografische, die mit dem Vietnam-Trauma zusammenhängt. Eine ganze Gruppe von Filmen der Reihe beschäftigt sich mit einer anderen Art von Entwurzelung, die eher, könnte man sagen, kulturindustriell vermittelt ist. Wir haben diese Gruppe von Filmen für uns Schaustellerfilme genannt, auch wenn es meist nicht direkt um Jahrmarkt geht. Es gibt aber eine ganze Reihe von Filmen vor allem in den frühen Achtzigern, die sich Gruppen von Menschen widmen, die sich in die Weiten Amerikas aufmachen, um an der dreckigen Unterseite der Kulturindustrie ihr Glück zu versuchen. Hier zeigen wir aus dieser Gruppe noch George A. Romeros Knightriders, Clint Eastwoods Bronco Billy und als melancholische Spätachtzigervariante Steve Kloves' The Fabulous Baker Boys. All diese Filme pendeln auf interessante Art zwischen Resignation und einem eigenartigen Utopismus. In gewisser Weise kann man sie auch lesen als Filme, in denen Hollywood über sich selbst spricht; genauer gesagt: ein bestimmter teil von Hollywood, von dem heute nicht mehr viel übrig ist: jener Teil, der daran glaubte, dass man mit den Mitteln und in der Sprache des Populären, aber ohne sich dabei der Franchise-Logik zu bedienen und durchaus in der Mitte des Mainstreams Geschichten über und für das gesamte Amerika erzählen kann.
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