Mit Shoot 'Em Up, der mancherorts sehr wohlwollend aufgenommen wurde, kann ich nur wenig anfangen. Zwar ist die eine oder andere Actionsequenz (inszeniert im Stil des Hongkongkinos, also mithilfe kontinuierlicher Motivketten, nicht im chaotischen Hollywoodstil) ganz gelungen und die Fallschirmszene sogar richtig groß, aber insgesamt ist das ästhetische Vorbild leider tatsächlich eher das Computerspiel (siehe Filmtitel) als der Hongkongfilm. Klar, auch letzterer verzichtet auf Charaktertiefe zugunsten von Bewegungskaskaden, aber er hat doch auch immer so etwas wie einen sense of place und damit zumindest eine abgeleitete soziale Dimension. Shoot 'Em Up ist ganz emphatisch (das wiederum kann man eventuell gut finden, mir ist das nicht gelungen) nur Klischee und kommt im Oneliner ganz zu sich selbst, sei er verbal ("Talk about shooting Your load" " Nothing like a good hand-job" "Eat Your vegetables") oder visuell (Scheisse im Gesicht, Karotte im Auge, Blutfontaine aus dem Schritt).
Gender- und sonstwelche Diskurse sind natürlich vorhanden, stehen aber im luftleeren Raum, weit abseits jedes echten Menschen und sind somit egal. Die einzige Szene, die mich an dem Film doch überrascht hat, ist die (Spoiler), in der Smith den korrupten, aber eigentlich reumütigen Politiker eiskalt abknallt. Da schleicht sich, postmodernes Spaßkino hin oder her, doch die neue Härte der zeitgenössischen Film- und vor allem Fernsehproduktion in Shoot 'Em Up ein. Denn selbst unter verschärften Pomobedingungen wäre ein so knallhart utilitaristisches Menschenopfer (das gerechtfertigt wird durch ein "höheres Ziel", nämlich den Kampf gegen die Waffenlobby) glaube ich vor einem Jahrzehnt noch nicht möglich gewesen. The Shield und 24 waren da wohl tatsächlich nur die Vorreiter, inzwischen dürfen auch Kinohelden nach Herzenslust asozial sein, wenn das Wohl der Nation in Gefahr gerät. Verbunden wird die moralphilosophische Härte mit der physischen, hier repräsentiert durch eine allerdings doch eher harmlose Folterszene.
Ach ja, seit gestern überlege ich fieberhaft, aus welchem Film das Ende mit den beiden kaputten Händen entnommen ist, aber ich komme nicht drauf, obwohl mir die entsprechende Szene fast vor den Augen schwebt. Weiß das jemand?
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Tuesday, October 07, 2008
Saturday, April 07, 2007
"The Shield": Einige Notizen zur ersten Staffel
Man kann einen korrupten Polizisten zeigen, aber kein korruptes Polizeirevier.
Falls dies immer noch gilt, führt "The Shield" diese Regel bis an ihren äußersten Rand. Vielleicht zeigt "The Shield" ein Polizeirevier, das zwar fast ausschließlich mit korrupten oder semi-korrupten Polizisten besetzt ist, welches aber insgesamt, aufgrund sich punktuell überschneidender Interessen - oder letztlich doch dem guten Kern, der immer wieder durchschimmert? - insgesamt doch tendenziell nicht korrupt ist. Vielleicht ersetzt "The Shield" jedoch auch einfach "korrupt" durch "rassistisch". Denn die eigentlichen Konflikte innerhalb wie außerhalb des Reviers brechen immer wieder entlang der ethnischen Grenzlinien auf. Und hier ist "The Shield" denn auch deutlich vorsichtiger. Schließlich ist das Szenario alleine brisant genug. Die Mehrzahl der Einwohner LAs stammt aus Lateinamerika, im Polizeirevier der Serie jedoch findet sich nur ein Hispanic. Der jedoch ist der Chef, auch wenn einige vermuten, dass er diesen Posten nur aufgrund seiner Herkunft erhalten hat. Der richtige Mann am richtigen Platz eben. Das fieße an der Sache: Der Mann benimmt sich wirklich während einem Großteil der Serie wie ein karrieregeiles Arschloch. Aber trotzdem ein guter Polizist. Immer wieder fällt "The Shield" dem Zuschauer in dieser Weise in den Rücken: Vorurteile werden auf eine Weise bestätigt, wie man es gerade nicht erwarten und anschließend klammheimlich subvertiert.
Besonders großartig ist, wie die Serie mit dem urbanen Raum umgeht. "The Shield" unternimmt gar nicht erst den hoffnungslosen Versuch, das riesengroße Los Angeles so zu erschließen, dass dem Zuschauer ein kartografisches Wissen über die Metropole simuliert wird. Statt dessen werden einzelne, herausgehobene Örtlichkeiten emblematisch eingesetzt, die Transfers von einem zum anderen Ort bleiben meist vollkommen ausgeblendet. Die Serie versucht nicht, Los Angeles zu erschließen, sondern anhand einiger weniger Parameter, mit einer erstaunlich geringen Menge sozialer und kultureller Zeichen, neu zu erschaffen. Dass dies gelingt, liegt nicht zuletzt daran, dass der Flucht- und Angelpunkt jeder Folge, ja beinahe jeder Szene, stets das Polizeirevier selbst ist. Und in diesem Mikrokosmos hat jeder seinen fest zugewiesenen Platz (oder eben nicht, wie der Neuankömmling Julien, der nicht nur mit seiner sexuellen Orientierung zu kämpfen hat, sondern auch mit der Tatsache, dass er oft genug innerhalb des Reviers hin und her irren muss, ohne eine sichere Basis). Dutch und Claudette beispielsweise sitzen stets in der Mitte des Erdgeschosses, ihre Schreibtische sind von überall einsehbar und so kann jeder sie für seine Zwecke einspannen. Das Strike Team dagegen sitzt in einem Nebenraum, abgeschirmt von allen anderen, eingerichtet, passend zu den Insassen, wie ein prolliger Hobbykeller. Über allen der Chef. Oft steht er auf einer Art Galerie und blickt auf das Geschehen herab.
Nicht unähnlich ist er in diesen Momenten dem Bösewicht Swearengen aus "Deadwood", der über seinen Saloon eine ähnliche soziale Kontrolle ausübt, deren wichtigstzes Element der Blick ist. Allerdings ist der eigentliche Swearengen in "The Shield" nicht der Chef, sondern Vic Mackey. Anders als sein Western-Pendant spielt Vic allerdings in "The Shield" die Hauptrolle, hier findet sich kein Pro-Forma Helden, der als sein Gegenspieler agiert. Vics Rolle ist noch deutlich komplexer angelegt als die von Swearengen und zeigt ebenfalls typische "TheShield" Attribute. Ausgerechnet der korrupte und hoffnungslos brutale Vic hat ein behindertes Kind und kümmert sich aufopfernd um eine drogensüchtige Prostituierte...
Dem vorischtigen Umgang mit dem urbanen Raum steht eine entfesselte Montage gegenüber, die in einem Schritt ganze Ermittlungsschritte überspringt, die in herkömmlichen Copserien Schritt für Schritt ausformuliert werden. Verdächtiger gibt Hinweis auf anderen Verdächtigen / Schnitt / Strike Team dringt in dessen Wohnung ein / Schnitt / Neuer Verdächtiger wird verhört (beziehungsweise zusammengeschlagen). Manchmal wird sogar der mittlere Abschnitt ausgelassen, die Handlung beschränkt sich auf das Revier, die Jagd auf die Verdächtigen verschwindet in einem Schnitt. Ganze Tage und Wochen können in einem Schnitt verschwinden. Ob sich die Parallelhandlungen, die die Serie präsentiert auch nur in einer einzelnen Folge (geschweige denn über den Verlauf der ganzen Staffel) in ein kohärentes Zeitgefüge einordnen lassen, lässt sich nach einmaligem Ansehen unmöglich feststellen. "The Shield" ist so verdammt schnell und stylish, dass gerade die temporale Modulation und Manipulation des Geschehens zunehmend unsichtbar - und in jedem Fall tendenziell unwichtig - wird. Die Einheit von Zeit und Raum wird sukzessive aufgegeben zugunsten einer Erzähllogik, die sich vor allem auf einzelne Figurenpattern und die ihnen zugewiesenen Räumlichkeiten verlässt (ohne die Zusammenhänge zwischen denselben immer explizit zu machen.
Nicht alle Folgen sind gleich gut, das liegt in der Natur eines Produktionssystems, in welchem fast mit jeder Folge Regisseur und Drehbuchautor wechseln. Nicht immer, aber häufig sind die Folgen etwas schwächer, die die Binnenlogik der einzelnen Episode zugunsten der Muster aufgeben, die die Staffel als Ganzes durchziehen. "The Shield" besitzt, im Gegensatz zu dem noch großartigeren Masterpiece "The Wire", den Anspruch, in seinen einzelnen Abschnitte auch ohne den Gesamtzusammenhang konsumierbar zu sein. Deshalb verfügt jede Episode über eine in sich halbwegs geschlossene Binnenstruktur. Meist funktioniert dies ausgezeichnet, doch immer wenn diese Binnenstruktur Überhand zu gewinnen droht, sehen sich die Autoren gezwungen, die einzelnen Handlungsstränge enger zu fassen, deren Schnittpunkte zu betonen und dadurch auch die entfesselten Raum / Zeit Logik wieder ein wenig in ihre Schranken zu weisen.
Falls dies immer noch gilt, führt "The Shield" diese Regel bis an ihren äußersten Rand. Vielleicht zeigt "The Shield" ein Polizeirevier, das zwar fast ausschließlich mit korrupten oder semi-korrupten Polizisten besetzt ist, welches aber insgesamt, aufgrund sich punktuell überschneidender Interessen - oder letztlich doch dem guten Kern, der immer wieder durchschimmert? - insgesamt doch tendenziell nicht korrupt ist. Vielleicht ersetzt "The Shield" jedoch auch einfach "korrupt" durch "rassistisch". Denn die eigentlichen Konflikte innerhalb wie außerhalb des Reviers brechen immer wieder entlang der ethnischen Grenzlinien auf. Und hier ist "The Shield" denn auch deutlich vorsichtiger. Schließlich ist das Szenario alleine brisant genug. Die Mehrzahl der Einwohner LAs stammt aus Lateinamerika, im Polizeirevier der Serie jedoch findet sich nur ein Hispanic. Der jedoch ist der Chef, auch wenn einige vermuten, dass er diesen Posten nur aufgrund seiner Herkunft erhalten hat. Der richtige Mann am richtigen Platz eben. Das fieße an der Sache: Der Mann benimmt sich wirklich während einem Großteil der Serie wie ein karrieregeiles Arschloch. Aber trotzdem ein guter Polizist. Immer wieder fällt "The Shield" dem Zuschauer in dieser Weise in den Rücken: Vorurteile werden auf eine Weise bestätigt, wie man es gerade nicht erwarten und anschließend klammheimlich subvertiert.
Besonders großartig ist, wie die Serie mit dem urbanen Raum umgeht. "The Shield" unternimmt gar nicht erst den hoffnungslosen Versuch, das riesengroße Los Angeles so zu erschließen, dass dem Zuschauer ein kartografisches Wissen über die Metropole simuliert wird. Statt dessen werden einzelne, herausgehobene Örtlichkeiten emblematisch eingesetzt, die Transfers von einem zum anderen Ort bleiben meist vollkommen ausgeblendet. Die Serie versucht nicht, Los Angeles zu erschließen, sondern anhand einiger weniger Parameter, mit einer erstaunlich geringen Menge sozialer und kultureller Zeichen, neu zu erschaffen. Dass dies gelingt, liegt nicht zuletzt daran, dass der Flucht- und Angelpunkt jeder Folge, ja beinahe jeder Szene, stets das Polizeirevier selbst ist. Und in diesem Mikrokosmos hat jeder seinen fest zugewiesenen Platz (oder eben nicht, wie der Neuankömmling Julien, der nicht nur mit seiner sexuellen Orientierung zu kämpfen hat, sondern auch mit der Tatsache, dass er oft genug innerhalb des Reviers hin und her irren muss, ohne eine sichere Basis). Dutch und Claudette beispielsweise sitzen stets in der Mitte des Erdgeschosses, ihre Schreibtische sind von überall einsehbar und so kann jeder sie für seine Zwecke einspannen. Das Strike Team dagegen sitzt in einem Nebenraum, abgeschirmt von allen anderen, eingerichtet, passend zu den Insassen, wie ein prolliger Hobbykeller. Über allen der Chef. Oft steht er auf einer Art Galerie und blickt auf das Geschehen herab.
Nicht unähnlich ist er in diesen Momenten dem Bösewicht Swearengen aus "Deadwood", der über seinen Saloon eine ähnliche soziale Kontrolle ausübt, deren wichtigstzes Element der Blick ist. Allerdings ist der eigentliche Swearengen in "The Shield" nicht der Chef, sondern Vic Mackey. Anders als sein Western-Pendant spielt Vic allerdings in "The Shield" die Hauptrolle, hier findet sich kein Pro-Forma Helden, der als sein Gegenspieler agiert. Vics Rolle ist noch deutlich komplexer angelegt als die von Swearengen und zeigt ebenfalls typische "TheShield" Attribute. Ausgerechnet der korrupte und hoffnungslos brutale Vic hat ein behindertes Kind und kümmert sich aufopfernd um eine drogensüchtige Prostituierte...
Dem vorischtigen Umgang mit dem urbanen Raum steht eine entfesselte Montage gegenüber, die in einem Schritt ganze Ermittlungsschritte überspringt, die in herkömmlichen Copserien Schritt für Schritt ausformuliert werden. Verdächtiger gibt Hinweis auf anderen Verdächtigen / Schnitt / Strike Team dringt in dessen Wohnung ein / Schnitt / Neuer Verdächtiger wird verhört (beziehungsweise zusammengeschlagen). Manchmal wird sogar der mittlere Abschnitt ausgelassen, die Handlung beschränkt sich auf das Revier, die Jagd auf die Verdächtigen verschwindet in einem Schnitt. Ganze Tage und Wochen können in einem Schnitt verschwinden. Ob sich die Parallelhandlungen, die die Serie präsentiert auch nur in einer einzelnen Folge (geschweige denn über den Verlauf der ganzen Staffel) in ein kohärentes Zeitgefüge einordnen lassen, lässt sich nach einmaligem Ansehen unmöglich feststellen. "The Shield" ist so verdammt schnell und stylish, dass gerade die temporale Modulation und Manipulation des Geschehens zunehmend unsichtbar - und in jedem Fall tendenziell unwichtig - wird. Die Einheit von Zeit und Raum wird sukzessive aufgegeben zugunsten einer Erzähllogik, die sich vor allem auf einzelne Figurenpattern und die ihnen zugewiesenen Räumlichkeiten verlässt (ohne die Zusammenhänge zwischen denselben immer explizit zu machen.
Nicht alle Folgen sind gleich gut, das liegt in der Natur eines Produktionssystems, in welchem fast mit jeder Folge Regisseur und Drehbuchautor wechseln. Nicht immer, aber häufig sind die Folgen etwas schwächer, die die Binnenlogik der einzelnen Episode zugunsten der Muster aufgeben, die die Staffel als Ganzes durchziehen. "The Shield" besitzt, im Gegensatz zu dem noch großartigeren Masterpiece "The Wire", den Anspruch, in seinen einzelnen Abschnitte auch ohne den Gesamtzusammenhang konsumierbar zu sein. Deshalb verfügt jede Episode über eine in sich halbwegs geschlossene Binnenstruktur. Meist funktioniert dies ausgezeichnet, doch immer wenn diese Binnenstruktur Überhand zu gewinnen droht, sehen sich die Autoren gezwungen, die einzelnen Handlungsstränge enger zu fassen, deren Schnittpunkte zu betonen und dadurch auch die entfesselten Raum / Zeit Logik wieder ein wenig in ihre Schranken zu weisen.
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